Alarmierend

Das Wort Alarm ist italienischen Ursprungs und geht auf das Wort allarme zurück, eine Zusammenziehung der Wendung all’arme, die die Bedeutung ›zu den Waffen‹ hat. Schon der Sprachforscher Johann Christoph Adelung verzeichnet das deutsche Wort Alarm in seinem Wörterbuch aus dem Jahr 1807. Als Bedeutungen gibt er an ›das Geschrey zu den Waffen‹, aber auch allgemeiner ›Lärmgeschrey‹ oder ›Tumult‹. Das Deutsche Universalwörterbuch des Dudenverlags von 2007 kennt den Alarm entweder als ›Notsignal; Warnung bei Gefahr‹ oder als ›Alarmzustand‹.

Wie jedes deutsche Substantiv lässt sich auch Alarm in zahlreichen Zusammensetzungen mit anderen Wörtern gebrauchen, wie etwa Fliegeralarm, Bombenalarm, Feueralarm. Das Erstglied bezeichnet in den genannten Beispielen jeweils die Gefahr, vor der gewarnt wird. Dabei besteht keine Beschränkung auf Gefahren aus dem militärischen Bereich, über den ja schon Adelungs Bedeutungsbestimmung hinausging. Warnen kann eine Zusammensetzung mit -alarm vor militärischen Gefahren (Fliegeralarm), Gefahren durch Naturereignisse (Überschwemmungsalarm), gesundheitlichen Gefahren (Windpockenalarm) oder Gefahren, denen Internetnutzer ausgesetzt sind (Trojaneralarm).

Gelegentlich finden sich auch Zusammensetzungen, bei denen die Gefahr, vor der gewarnt wird, weniger ernst ist, etwa Zickenalarm, denn mag die Begegnung mit einer Zicke (gebraucht als abwertende Bezeichnung für eine Frau von schwierigem Charakter) auch unerfreulich sein, ist sie sicher nicht so bedrohlich wie eine Krankheit oder eine Feuersbrunst.

Was aber ist von dem Fruchtalarm zu halten, der in einer Fernsehwerbung für einen Joghurt ausgerufen wird? Oder vom Schnäppchenalarm, für den die Internetsuchmaschine Google knapp achthundert Treffer verzeichnet und der es vor allem den Anbietern von Unterhaltungselektronik angetan zu haben scheint? Hier haben wir es offenkundig mit einer ganz anderen Bedeutungsvariante von Alarm zu tun. Es wäre vollkommen widersinnig, wenn der Joghurthersteller im Fernsehen vor seinem Produkt durch einen Fruchtalarm warnte. Tatsächlich sind die Früchte keine Gefahr, sondern sollen als ein Qualitätsmerkmal des betreffenden Joghurts durch die Zusammensetzung mit Alarm besonders hervorgehoben werden. Gleiches gilt für die Schnäppchen. Auch die Bank, die einen Zinsalarm plakatiert, hat damit nicht im Sinn, ihre Kunden vor besonders ungünstigen Bedingungen bei Geldanlagen oder Krediten zu warnen, sondern ganz im Gegenteil, besonders günstige anzupreisen. Der Alarm dient also im Grunde dazu, auf einen Sachverhalt aufmerksam zu machen.

Da in der Werbung die Konkurrenz um Aufmerksamkeit bekanntlich sehr groß ist, ist es nicht mit einem Hinweis oder einer Information getan, da muss gleich ein Alarm her (sehr nahe übrigens an Adelungs Bedeutungsangabe ›Lärmgeschrey‹). Und so finden sich im Internet zahlreiche weitere »Alarme«, die in werbender statt warnender Absicht ausgerufen werden, so z. B. ein Flirtalarm, ein Tanzalarm und ein Kulturalarm. Und solange nicht Alarm geschlagen wird, um vor Flirt, Tanz oder gar der Kultur zu warnen, kann man diese Wörter ja auch ganz entspannt und unalarmiert im Sprachgebrauch begrüßen.

Dass Alarm in der Bedeutung ›Warnung vor Gefahr‹ auch nicht vom Aussterben bedroht ist, zeigt eine Bildung, die sicher ebenfalls jüngeren Datums ist: Der Apostrophenalarm wurde auf einer Internetseite ausgerufen, die mit reichhaltigem Bildmaterial (z. B. einer Werbetafel mit der Aufschrift »Morgen’s gebracht, bis abend’s gemacht«, einem privaten Foto mit der Unterschrift »Tantes’s Fiffi« oder dem Hinweis »Kaufe alles aus Oma’ß Zeiten«) belegt, vor welcher – in diesem Fall sprachlichen – Gefahr der Begriff warnen soll.

Nicola Frank