Ausgabe: Der Sprachdienst 3–4/2011

Herkunft von anno

[F] In den gängigen Wörterbüchern der deutschen Sprache werden anno dazumal, anno dunnemals und anno Tobak als feste, scherzhafte Wendungen in der Bedeutung ›alte [längst überholte] Zeit; in, aus alter [längst überholter] Zeit‹ verzeichnet. Ich vermisse in diesem Zusammenhang die Wendung anno tuck/anno Tuck und frage mich, wie diese entstanden sein könnte.

[A] Die Redewendung anno tuck ist in der gängigen Literatur zur Phraseologie nicht verzeichnet. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine regional gebräuchliche Redewendung.

Dennoch lässt sich der Ausdruck tuck laut den Brüdern Grimm (Jacob Grimm/Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1952, S. 1516) seit dem 12. Jahrhundert belegen und ist hauptsächlich auf den ober- und mitteldeutschen Sprachraum beschränkt. In den ältesten Belegen schwankt die Schreibung noch zwischen d und t im Anlaut, wobei sich die Schreibung mit t größtenteils durchgesetzt hat. Die Brüder Grimm führen das auf den expressiven Charakter des Wortes zurück, der durch einen verschärften Anlaut hervorgehoben werden soll.

In Grimms Wörterbuch ist tuc mit der Bedeutung ›stosz, schlag, heftig ausgeführte bewegung‹ verzeichnet (Grimm 1952: S. 1517). Diese Bedeutung wird als die ursprüngliche angesehen, aus der sich eine Reihe weiterer Bedeutungen entwickelte, hin zur nhd. Tücke ›hinterhältige-heimtückische Boshaftigkeit; heimtückische Handlung‹ (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Mannheim 2007).

Der Redewendung anno tuck scheint jedoch eine andere, neutralere Bedeutung zu Grunde zu liegen. Grimm vermutet, dass der mhd. Bedeutung ›Stoß, Schlag‹ für tuck eine neutralere vorausging, die einfach nur ›Handlungsweise, Gebahren, Benehmen‹ bezeichnete bzw. ›Gewohnheit‹ und zwar »namentlich in Verbindung mit alt« (Grimm 1952: S. 1524). Vermutlich entwickelte sich daraus die Redewendung anno tuck im Sinne von ›damals, als es zur Gewohnheit wurde‹.

Redensarten in Verbindung mit anno sind meistens auf einzelne Regionen begrenzt, nur wenige sind überregional bekannt und gebräuchlich. Neben der Redewendung anno dazumal oder anno dunnemals kann wohl auch anno Tobak zu den wenigen allgemein bekannten gezählt werden. Sie bezieht sich auf den Zeitpunkt, als das Tabakrauchen aufkam, also auf einen Zeitpunkt, der sehr lange zurückliegt (Lutz Röhrich, Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Freiburg 1991, Bd. 1, S. 87–88).

Anno Schnee oder anno Wind sind dagegen Beispiele für regional begrenzte Redensarten in Verbindung mit anno. Die verkürzte Redewendung anno Schnee stammt aus dem Sudetengebiet und bezieht sich auf die längere Redensart »anno elbe, anno neuni, wie der große Schnee gefalln is« (Lutz Röhrich 1991: S. 87–88). Bei anno Wind handelt es sich um eine ostpreußische Redensart, die sich auf einen Orkan bezieht, der 1801 über Königsberg hinwegraste (Lutz Röhrich 1991: S. 87–88).

Darüber hinaus finden sich zahlreiche Redensarten mit anno, die zwar in der Literatur nicht belegt sind, dennoch Eingang in den mündlichen Sprachgebrauch gefunden haben wie anno knips oder anno filzlatsch.