Ausgabe: Der Sprachdienst 5–6/2014

Was bedeutet die Endung -sam und woher kommt sie?

[F] Welche etymologische Herleitung gibt es für das Suffix -sam in Adjektiven wie einsam oder seltsam?

Ein-sam. CC-Lizenz

[A] Das Suffix -sam geht zurück auf das rekonstruierte indogermanische sem mit der Bedeutung ›eins; in eins zusammen, einheitlich, samt‹ und war ursprünglich ein selbstständiges Wort, was so viel hieß wie ›mit etwas übereinstimmend, von gleicher Beschaffenheit‹. Im Germanischen gab es allerdings auch schon das Suffix *-sama in der Bedeutung ›Neigung zu etwas haben‹. Es bezeichnete also Charaktereigenschaften wie in gehorsam oder strebsam – eine Bedeutungsvariante, die bis heute erhalten geblieben ist.

Als selbstständiges Wort war sam im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen sehr häufig, starb im Neuhochdeutschen aber schließlich aus (vgl. z. B. »Althochdeutscher Bedeutungsbaukasten«, Universität Tübingen, WS 2000/01, http://homepages.uni-tuebingen.de/henrike.laehnemann/suffixe.htm#sam, [22.09.2014]).

Die Brüder Grimm listen sam in ihrem Wörterbuch als Adverb mit der Bedeutung ›wie, gleichwie, gleichsam, als ob‹ auf. Sie führen aus, dass sam ursprünglich eine demonstrative Bedeutung hatte, nämlich: ›auf dieselbe Weise, ebenso‹ (vgl. W. und J. Grimm, »Deutsches Wörterbuch«, Bd. 8, Leipzig 1893). Zu dieser Bedeutung kam im Althochdeutschen eine relative hinzu: ›wie‹; sie setzte sich in der mittelhochdeutschen Phase durch.

Anschließend entwickelte sich das Wort weiter zu einer Konjunktion mit der Bedeutung ›wie wenn, als ob‹. Auch in Beteuerungen kam es vor: sam mir gott – ›So wahr mir Gott (helfe)!‹ Lexer verzeichnet in seinem »Mittelhochdeutschen Handwörterbuch« (Bd. 8, Stuttgart 1992) darüber hinaus eine präpositionale Verwendung im Sinne von ›zusammen mit‹.

Da es häufig in Zusammensetzungen mit anderen Wörtern in der Bedeutung ›übereinstimmend, entsprechend, passend‹ genutzt wurde (z. B. in ahd. selbsama – ›ebenso, in gleicher Weise‹ oder mhd. lobesam – ›löblich, preiswert‹), sank sein Status schließlich zu dem einer Nachsilbe. Das Beispiel einsam würde also bedeuten ›vom Alleinsein erfüllt‹.

Heute entfaltet sam drei Wortbildungsbedeutungen:

1. In Bildungen mit Verben drückt es aus, dass

a) mit der beschriebenen Person oder Sache etwas gemacht werden kann: biegsam, einfügsam, lenksam.

b) die beschriebene Person oder Sache etwas tut: bedrohsam, nachdenksam.

2. In Bildungen mit Substantiven, dass die beschriebene Person oder Sache von etwas erfüllt ist oder etwas bereitet: tugendsam, vergnügsam

Das Wort seltsam fügt sich übrigens noch nicht allzu lange in dieses Bildungsschema ein: Ursprünglich stellte es eine Kombination aus selten (mittelhochdeutsch seltsæne, althochdeutsch seltsani) und einem alten Adjektiv mit der Bedeutung »sichtbar, zu sehen« dar, bedeutete also eigentlich ›nicht häufig zu sehen‹. Erst im im Neuhochdeutschen wurde es an Bildungen auf –sam angelehnt und bedeutet heute ›vom Üblichen abweichend und nicht recht begreiflich; eigenartig, merkwürdig‹ (Duden ‒ »Das große Wörterbuch der deutschen Sprache«, 4. Aufl. Mannheim 2012).

In slawischen Sprachen wird sam(o) als Vorsilbe für ›selbst‹ häufig verwendet. Sie leitet sich von dem althochdeutschen Pronomen samo (= ›derselbe‹) ab und kommt beispielsweise in Samowar (russisch: самовар – ›(Selbst-)Kocher‹), samoobsluha (slowakisch: ›Selbstbedienung‹), samolibý (tschechisch: ›selbstgefällig‹) oder samogłoska (polnisch: ›Vokal, Selbstlaut‹) vor.

Auch in deutschen Wörtern findet sich sam heute noch als Wurzel, beispielsweise in sammeln oder samt. In zusammen lassen sich das althochdeutsche saman oder das mittelhochdeutsche samen für ›zugleich, zusammen‹ erahnen.