Woher stammt das Sprichwort vom Glück auf dem Rücken der Pferde?

[F] Stimmt es eigentlich, dass das bekannte und vor allem unter Pferdeliebhabern geläufige Sprichwort Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde arabischen Ursprungs ist? Was sagen Ihre Quellen aus?

[A] Nach dem, was wir in Erfahrung bringen konnten, geht dieses – mittlerweile kann man es schon sagen ‒ Sprichwort auf den Schriftsteller Friedrich von Bodenstedt zurück. Von einer Herleitung aus dem Arabischen ist uns nichts bekannt; auch der Dozent und Übersetzer Hatem Lahmar, Wiesbaden, aus Tunis gebürtig, kann sie nicht bestätigen.

Den ältesten Beleg fanden wir im großen Deutschen Sprichwörter-Lexikon (5. Band: Zusätze und Ergänzungen; Leipzig 1880, Sp. 1647) von Karl F. W. Wander, der zitiert: »Das Paradies der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, in Gesundheit des Leibes und am Herzen des Weibes. Arabisches Sprichwort, angeführt in Lieder des Mirza-Schaffy

Tatsächlich liest man bei Bodenstedt unter der Überschrift Arabisches Sprichwort die besagten Verse. Die betreffende Lyriksammlung – Die Lieder des Mirza-Schaffy – war seinerzeit weit verbreitet. Jene Verse wurden unter dem Stichwort Paradies von Franz Freiherrn von Lipperheide in sein Spruchwörterbuch (1909) aufgenommen, und sie fanden und finden sich in den Geflügelten Worten Büchmanns sowie in manchen entsprechenden Sammlungen (z. B. Gerhard Hellwig, Das Buch der Zitate, 1981; Lutz Mackensen, Zitate, Redensarten, Sprichwörter, 1981; Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, 2007).

Friedrich von Bodenstedt (geb. 1819 in Peine, gestorben 1892 in Wiesbaden), heute den meisten wohl unbekannt, war seinerzeit einer der prominenteren Autoren. In Walter Killys Literaturlexikon (1988) heißt es: »Bodenstedt war ein unruhiger, allem Neuen aufgeschlossener Geist. Der Sohn eines Brauers war Kaufmannslehrling, bevor er in Göttingen kurze Zeit Geschichte und Fremdsprachen studierte. 1840 reiste er nach Moskau, wo er Privatlehrer im Haus eines russischen Fürsten wurde. 1843 wechselte er als Gymnasiallehrer nach Tiflis. […] Große – auch internationale – Beachtung fand Bodenstedt allein mit seinen Liedern des Mirza-Schaffy (Berlin 1851, 264. Auflage 1917), die von ihm als Übersetzungen seines Lehrers in Tiflis ausgegeben wurden. Die Lieder, die als Reaktion auf die politischen Verhältnisse des Nachmärz zu verstehen sind, vermitteln schablonenhaft eine heitere, exotische Lebensweise in geschickter orientalischer Verkleidung nach dem Vorbild von Goethes Divan.« Ergänzend – und für die vorliegende Frage aufschlussreich – teilt Gero von Wilpert in seinem Lexikon der Weltliteratur (1988) mit, Bodenstedt sei durch seinen »Kollegen Mirza Schaffy in tatarische, persische, georgische und armenische Sprachen eingeführt« worden. Im Hinblick auf sein literarisches Werk wird er eingeschätzt als »epigonal romantisierender, formgewandter Lyriker von liebenswürdiger Grazie, Witz und zum Teil lehrhaftem Charakter; Kunstgewerbe ohne Tiefe und Kraft. Riesenerfolge mit den pseudoorientalischen ›Liedern des Mirza Schaffy‹, deren Autorschaft erst 1874 gelüftet« wurde.

Brachte Bodenstedt sozusagen das Thema des irdischen Paradieses, des Paradieses auf Erden epigrammatisch in Verse, so gingen diese, variiert und gekürzt, in den allgemeinen Sprachgebrauch ein und nahmen die Form einer volksläufigen Wendung, eines Sprichworts an, so wie es heute vielfach zu vernehmen ist: Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde. Diese Umbildung ist indes schon älteren Datums. Vergegenwärtigt man sich den »Riesenerfolg« von Bodenstedts Mirza-Liedern, so verwundert nicht, dass sie schon für die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts als Zitat und Anspielung bzw. Parodie zu beobachten sind.

Hier als erstes Beispiel eine Stelle aus den Memoiren einer Sozialistin von Lily Braun (Gesammelte Werke, 1922): »In diesem Augenblick schlug einer ans Glas: ›Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, und am Herzen des Weibes – –‹ Es gab ein allgemeines Stühlerücken – Anstoßen – Gelächter.« Kurt Tucholsky nahm das neugeprägte Sprichwort in einer weitergehenden Variation in sein Lied der Cowgoys auf (1930, siehe: Gesammelte Werke, Bd. 8, Reinbek 1975). »[…] Ramm! – Pamm! / Ramm – pammpammpamm! / Auf dem Hintern da prangt uns ein Monogramm. / Da prangt Bert Brecht – frag nicht nach dem Sinn – / sonst halten wir dir unsern Hintern hin. / Und klappt es nicht mit des Dramas Lauf: / dann sagen wir rasch ein Sprichwort auf. / Auf dem Rücken der Pferde, da liegt unser Glück . . . / God save the Queen mit Goldmundstück!«