Ausgabe: Der Sprachdienst 1/2015

Grexit

© Kostas Koufogiorgos - Fotolia.com

© Kostas Koufogiorgos – Fotolia.com

Und schon wieder steht die griechische Politik und Wirtschaftslage im Zentrum der Aufmerksamkeit: Die Tatsache, dass in Griechenland anderthalb Jahre vor dem regulären Ende der Legislaturperiode eine neue Regierung gewählt wurde, schürt Spekulationen und Befürchtungen, dass mit dem Sieg des Linksbündnisses, das einen völlig neuen wirtschaftspolitischen Kurs einschlagen will, auch ein »Grexit« einhergehen könnte, ein Ausstieg Griechenlands aus der Eurogemeinschaft.

Grexit? Da klingelt doch was, das hat man doch schon mal gehört! Richtig: Bereits 2012 stand dieses Wort im Raum, als die griechische Staatsverschuldung das Land vor den Bankrott stellte. Auch damals wurde darüber diskutiert, ob Griechenland aus dem Euro aussteigen sollte, um die europäische Wirtschaft durch das insolvente Land nicht weiter zu gefährden.

Unabhängig von der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung eines »Grexits«, stellt sich für uns die Frage, was es sprachwissenschaftlich betrachtet mit diesem Ausdruck auf sich hat. Er steht nicht in den Wörterbüchern, er hat eine eher seltene Endung – nur wenige standardsprachlich gebräuchliche Wörter enden auf -it (Meteorit, Satellit, Sanskrit, Defizit, Appetit, Favorit, anthrazit etc.), ausgenommen jene auf -heit/-keit; mit der Endung -xit will nur das Aluminiumerz Bauxit einfallen –, eine simple Zusammensetzung, ein Kompositum ist es nicht. Nein, hier sind zwei, möglicherweise drei Wörter geradezu miteinander verschmolzen: Aus Griechenland bzw. griechisch oder auch englisch Greece, greek und dem englischen Wort exit (für ›Ausgang‹) wurde Gr-exit oder sogar Gr-e-xit, wenn sich zudem noch Euro oder gar Europa hierin verbirgt. Kontaminationen, Kofferwörter oder Portmanteau-Wörter nennt man solche Verschmelzungen verschiedener Wörter zu einem einzigen neuen Wort. Oft handelt es sich um Ad-hoc-Bildungen, die ihren Weg in den Sprachgebrauch finden (z. B. auch Motel aus Motor und Hotel, Denglisch aus Deutsch und Englisch, Teuro aus teuer und Euro). Kontaminationen treten in verschiedenen weiteren Formen auf: als Wortkreuzung (z. B. Opernstecher aus Opernglas und Feldstecher), mit Wort-, Laut- oder Silbenüberschneidungen (Sparschweinerei, Berlinienbus, Kurlaub), mit Ersetzung von Wortteilen oder Grundwörtern (Bullizisten, Medizyniker, Millionarr) etc. Ein wesentliches Charakteristikum von Kontaminationen ist jedoch die enge Verbindung zwischen den beteiligten Wörtern. (Einige der Beispiele aus: Hadumod Bußmann: »Lexikon der Sprachwissenschaft«, 4. Aufl., Stuttgart 2008.)

Das Wort Grexit fand auch Eingang in andere europäische Sprachen. Die Griechen selbst haben ihre eigene Kontamination gebildet: Ellexodos, verschmolzen aus Hellas (›Griechenland‹) und Exodos (›Ausgang‹). Etwas sperrig mutet dagegen das Wort Eurexit an, das einerseits generalisierend auf einen Austritt aus dem Eurobündnis oder gar der EU verweist, andererseits der Befürchtung Ausdruck verleiht, dass die EU bzw. Europa in Konsequenz der diskutierten Vorgänge auseinanderbrechen könnte. Hierauf lässt sich die Bildung Brexit (Britain und Exit), die erst seit einigen Monaten im Gebrauch ist, direkt beziehen; mit diesem Ausdruck wird mitnichten auf einen möglichen Ausstieg Großbritanniens aus dem Eurobündnis angespielt, denn diesem gehört das Land gar nicht an: Brexit bezeichnet im Gegensatz zu Grexit die Diskussion um den Austritt Großbritanniens aus der EU: Br-e-xit wäre also aus Britain, EU und Exit zusammengesetzt.

So faszinierend und aufschlussreich diese Kontaminationen sprachwissenschaftlich auch sein mögen: Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Neuschöpfungen aus politischer Sicht nicht als allzu produktiv erweisen.

Frauke Rüdebusch