Grund zur Freude

Bei all den schrecklichen Nachrichten, die uns Tag für Tag erreichen, von Kriegen, Naturkatastrophen, Firmenpleiten und dergleichen, ist es doch schön, wenn es einmal eine gute Nachricht gibt. Eine solche fand sich im Spätsommer letzten Jahres in einer Ausgabe des Spiegels. Sie lautete: »Bayern freute sich Ende des Jahres über eine Quote von etwa 8,6 Prozent übergewichtiger und fettleibiger Kinder.« Klingt gar nicht so gut, meinen Sie? Darüber freut sich also Bayern? Über Übergewicht und Fettleibigkeit, eine Zivilisationserscheinung, die zur Folge hat, dass bereits Grundschulkinder an Altersdiabetes erkranken?
Ich muss nun gestehen, dass ich den Satz, der genau so im Spiegel stand, in etwas unlauterer Weise aus dem Zusammenhang gerissen habe. In Wahrheit muss man weder am Verstand der Spiegel-Redakteure noch an dem der Bayern zweifeln. Denn die Freude bezog sich mitnichten auf die Tatsache, dass soundso viele Kinder übergewichtig oder fettleibig sind, sondern darauf, dass es früher viel mehr waren. Die Quote von 8,6 Prozent sei »die niedrigste seit zehn Jahren«, so geht der Satz nämlich direkt weiter. Im Grunde sind also alle Informationen vorhanden, und zusammengenommen ergeben sie ja auch wirklich einen gesundheitspolitischen Erfolg, über den man sich durchaus freuen darf. Die Reihenfolge, in der das Ganze sprachlich präsentiert wird, ist aber trotz allem unglücklich. Es ist kein grammatischer oder sonstiger sprachlicher Fehler vorhanden. Das Beispiel zeigt aber sehr schön, dass geglückte Kommunikation sich eben nicht darauf beschränkt, gegen keine grammatische oder orthografische Regel zu verstoßen. Die Information mit der niedrigsten Quote seit zehn Jahren kommt einfach zu spät, und so wird der vorangegangene Teil unfreiwillig komisch. Solange nicht gesagt wurde, dass der Erfolg in der niedrigen Quote besteht, liest man eben erst einmal, dass sich Bayern über fettleibige Kinder freut. Man hätte also formulieren können: »Bayern freut sich über die niedrigste Quote übergewichtiger und fettleibiger Kinder seit zehn Jahren. Sie beträgt derzeit 8,6 Prozent.« Damit wäre sehr viel deutlicher, was der Grund zur Freude sein soll, und es wären auch alle Informationen untergebracht. Denn eines sollten gerade Journalisten immer bedenken (für Literaten gilt das sicherlich nicht in diesem Maße): Viele ihrer Leserinnen und Leser nehmen Artikel und Meldungen eben nicht Wort für Wort zur Kenntnis, sondern lesen einen Text an, lesen quer, überspringen etwas oder hören mittendrin auf. Um auch bei solch sprunghaften Lesern möglichst keinen sonderbaren Eindruck zu hinterlassen, hätte es sich angeboten, die oben zitierte Formulierung etwas umzustellen.

Nicola Frank