Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2016

Gruselclown

CC-Lizenz

Es ist Herbst. Die Tage werden kürzer, Dunkelheit und Kälte schleichen aus allen Ecken heran – und nicht nur sie. Seit einigen Wochen sollte man sich auch bei Tageslicht in Acht nehmen, denn: Hinter jeder Hausecke, jedem Auto könnte ein Gruselclown lauern und seine Opfer im besten Fall erschrecken, in schlimmeren Fällen bedrohen oder überfallen.

Der zweifelhafte »Trend« der sogenannten Gruselclowns – als Clowns verkleidete Personen, die Passanten erschrecken und sie mit Waffen bedrohen oder sogar ausrauben – hat sich zunächst in Nordamerika verbreitet und ist jüngst auch in Europa angekommen. Diese Menschen bedienen sich einer Maske, die im Grunde mit etwas Gutem assoziiert ist, um Böses im Schilde zu führen; deutlich wird dieser Widerspruch auch im Kompositum Gruselclown, denn der Semantik nach passen die Wörter gruseln und Clown nicht zusammen. Oder doch?

Das Wort Clown, heute als ›Spaßmacher‹, nicht selten auch als ›Witzfigur‹ definiert, wurde im 18. Jahrhundert aus dem Englischen entlehnt. Zugrunde liegt französisch colon bzw. lateinisch colonus mit der Bedeutung ›Bauer, Tölpel‹. So bezeichnete das Wort Clown im alten englischen Theater die Charakterrolle des Bauerntölpels; doch schon in Shakespeares Werken wird der Clown (= Narr) häufig nicht mehr der Rolle des bloßen Tölpels gerecht, sondern er wird zu einer unterhaltsamen Figur, die allerhand Weisheit preisgibt. Heute sieht der Prototyp eines Clowns für uns meist folgendermaßen aus: bunte Gewänder, rote Nase, weiß geschminktes Gesicht mit großem roten, lachenden Mund und stark betonten großen Augen, bunte Wuschelhaare, zu große Schuhe, Ansteckblume, Luftballons in der Hand – und Schalk im Nacken. Dieses fröhliche Bild nutzt eine große Fastfoodkette als Werbefigur und sogar in der Kinderkrebshilfe und in Krankenhäusern werden Clowns zur Aufheiterung eingesetzt.

Und nun sollen diese doch eigentlich freundlichen Wesen die Menschen in Angst und Schrecken versetzen? Genau genommen ist diese Tatsache nicht neu: Besonders die Filmindustrie hat mit diversen alptraumhaften und bösen Clownfiguren schon vor Jahrzehnten dafür gesorgt, dass Clowns nicht mehr nur als harmlose Spaßmacher verstanden werden, sondern auch Angst erzeugen können, die in krankhafter Ausprägung als Coulrophobie (vermutlich zu griechisch kōlon ›Glied, Extremität‹ und phobia ›Angst, Furcht‹) bezeichnet wird. Diese Angst mag auf der anderen Seite auch damit zusammenhängen, dass die freundliche Maske keine echten Emotionen erkennen lässt, undurchschaubar ist, der dahinter verborgene Mensch sein wahres Selbst versteckt und somit unberechenbar ist.

Grund zum Gruseln also. Dieses Verb mit der Bedeutung ›Grausen, Furcht empfinden, ängstlich schaudern, unheimlich zumute sein‹ gab es mitgriuseln schon im Mittelhochdeutschen. Es handelt sich um eine Intensivbildung zu griusen, grusen, grausen. Grausen wiederum geht zurück auf das althochdeutsche (ir)grū(wi)sōn, das in einem Zusammenhang mit grauen im Sinne von ›Grauen, Furcht empfinden‹ steht. Verben auf -(e)ln wie gruseln, frösteln, kriseln, radeln, werkeln haben oft eine verniedlichende Bedeutung, so wirkt auch (sich) gruseln weniger drastisch als (sich) grausen, grauen.

Ein Gruselclown scheint also aus sprachlicher Perspektive noch relativ harmlos zu sein. Eine Steigerung stellt der in den Medien ebenso oft erwähnte Horrorclown dar. Horror ist nicht etwa ein englisches, sondern ursprünglich ein lateinisches Lehnwort (zu lateinische horrere ›schauern, sich entsetzen‹) mit der Bedeutung ›schreckerfüllter Zustand, in den jemand durch etwas gerät‹. Besonders in der Umgangssprache wird es emotional verstärkend eingesetzt, und auch in der hier beleuchteten Verwendung dürfte ein größeres Erschauern stattfinden, wenn von Horrorclowns statt von Gruselclowns die Rede ist – Letztere machen in dieser Gegenüberstellung einen fast schon niedlichen Eindruck.

Bleibt noch der Killerclown: Dessen Verbreitung hält sich zum Glück noch stark in Grenzen, denn ein Killer ist ein skrupelloser Mörder. Das Wort Killer wurde aus dem Englischen entlehnt, das Verb to kill, eingedeutscht killen, bedeutet ›umbringen, töten, ermorden‹. Kaum vorstellbar, dass sich die Bedeutungspyramide Clown > Gruselclown > Horrorclown > Killerclown noch weiter steigern lässt.

Viel hat sich also geändert, seit Cole Porter 1948 folgenden Ratschlag in einem Lied verarbeitet hat: »Be a clown, be a clown, all the world loves a clown.« Dem wäre heute nicht mehr uneingeschränkt zuzustimmen.

Frauke Rüdebusch