logo! – Einfache Sprache nicht nur für Kinder

Interview mit Tim Schreder, Moderator der ZDF-Nachrichtensendung logo!

@ ZDF - Christian Hill

@ ZDF – Christian Hill

Die Kindernachrichtensendung logo! ist für Zuschauer im Alter zwischen acht und zwölf Jahren gemacht. Es gibt sie seit über 25 Jahren und sie wurde 2010 als beste Informationssendung mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Die Sendungen zeichnen sich besonders durch die einfach verständliche Sprache aus. Neben Kindern profitieren davon auch Menschen mit Lernbehinderungen und natürlich auch diejenigen, die noch nicht so gut Deutsch können. Seit Dezember 2015 sind die Sendungen auch mit arabischen und englischen Untertiteln verfügbar. Die Sendung soll so einen wichtigen Beitrag zur Integration der neuangekommenen Menschen leisten. Wir hatten die Gelegenheit, mit Tim Schreder, dem Moderator der ZDF-Sendung, zu sprechen.

Herr Schreder, Sie moderieren seit 5 Jahren die Nachrichtensendung logo! Was ist das Besondere an einer Kindernachrichtensendung?

Eigentlich gar nicht so viel. Eigentlich unterscheidet sich eine Kindernachrichtensendung gar nicht so sehr von einer gewöhnlichen Nachrichtensendung. Meine Aufgabe ist es, Interesse für oft komplizierte und abstrakte Themen zu wecken und diese möglichst verständlich zu präsentieren. Das sollte eigentlich jeder Journalist tun, egal ob Kinder- oder Erwachsenennachrichten. Es macht Kindernachrichten aber sicherlich besonders, dass ich versuche eine besonders einfache und verständliche Sprache zu verwenden. Dass ich viele Dinge erklären muss, die man bei Erwachsenen als gegeben voraussetzen kann. Auf der anderen Seite kann man bei Kindernachrichten aber auch viel freier und kreativer denken als zum Beispiel bei der Tagesschau. Das macht eigentlich am meisten Spaß! Was macht es so wichtig, Nachrichten speziell für Kinder herauszubringen? Kinder sind die Zukunft. Und deshalb müssen Kinder die Welt verstehen. Besonders heute, wo Kinder durch Smartphone, Internet, Social Media und Co. schon sehr früh in Berührung mit einer offenen Welt kommen, ist es wichtig, dass sie gut informiert und vorbereitet sind. Nur wenn Kinder gut informiert sind, können sie kritisch urteilen, sich eine eigene Meinung bilden und Dinge einordnen. Es gibt ja leider schon genügend Erwachsene, die sich kaum für Nachrichten und Weltgeschehen interessieren oder sie nicht verstehen. Deshalb kann man mit Nachrichten gar nicht früh genug anfangen.

Wie unterscheidet sich die Sprache bei logo! von der in anderen Nachrichtensendungen?

Wir versuchen bei logo! eine möglichst einfache Sprache zu verwenden. Das bedeutet, dass wir komplizierte Fachbegriffe so weit wie möglich vermeiden. Wir umschreiben deshalb vieles. Anstatt von einer abstrakten »Finanzkrise« zu sprechen, beschreiben wir dann lieber, dass viele Länder in Europa Geldprobleme haben oder fast pleite sind. Wir versuchen auch möglichst kurze und einfache Sätze zu bauen und keine langen Satzkonstrukte. Mir ist, vor allem in den Moderationen, aber auch besonders wichtig, dass die Sprache nie zu einfach oder gar »babymäßig« wird. Denn viele Kinder sind viel schlauer und weiter, als wir oft denken, und es gibt für Kinder nichts Unangenehmeres, als wenn sie sich unterschätzt und klein gehalten fühlen.

Wie entscheidet die logo!-Redaktion, ob ein (Fach-)Wort bei einem 8-jährigen Kind als bekannt vorausgesetzt werden kann?

Das entscheiden wir meistens alle zusammen. Ein genaues Kriterium gibt es dabei nicht. Es gibt ja auch nicht das 8-jährige Kind. Das eine 8-jährige Kind interessiert sich als Hobby zum Beispiel für Flugzeuge und kann Ihnen jedes Hydraulikbauteil an einem Flugzeug erklären – ein anderes Kind versteht dann nur Bahnhof, kennt sich stattdessen aber vielleicht in einem anderen Themengebiet super aus. Wir versuchen generell möglichst viele Fachwörter kurz zu umschreiben. Am besten in so einer Art kurzem »Also«-Satz. So etwas wie: »Die Vereinten Nationen, das ist ein Zusammenschluss fast aller Länder der Erde, haben beschlossen …«, so in der Art. Es kommt aber auch vor, dass wir ein Wort in der einen Sendung genauer erklären und in einer anderen Sendung einfach setzen. Unser Ansatz ist auch, dass nicht jedes Kind in jeder Sendung immer alles verstehen kann und wird. Das ist auch unmöglich. Im Zweifelsfall können Kinder ja auch bei den Eltern oder bei uns per Mail nachfragen.

Was reizt Sie daran, eine Kindernachrichtensendung zu moderieren? Hat sich Ihre Sprache auch außerhalb der Sendung verändert?

Mich reizt an Kindernachrichten vor allem, dass ich jeden Abend mit dem Gefühl nach Hause gehe, etwas Sinnvolles getan zu haben. Ich bin wirklich der Meinung, dass es eine sehr wichtige Aufgabe ist, Kindern die Welt zu erklären und sie zu kritischem und hintergründigem Denken zu bringen. Da macht mich jeden Tag stolz, was diese Redaktion hier leistet. Außerhalb der Sendung hat sich meine Sprache, glaube ich, kaum verändert. Ich war schon immer jemand, der möglichst einfache Wörter und eine einfache Sprache verwendet hat. Warum soll ich etwas komplizierter erklären, als es sein muss? Um andere zu beeindrucken? Oder weil ich mit Fachwörtern verstecken kann, dass ich etwas eigentlich doch nicht so ganz verstanden habe? Jeder kann das Wort Inflation sagen aber es zu beschreiben und zu erklären, ist viel schwieriger. Ich war nie ein Fan von komplizierter Sprache – das hat mich an der Universität am meisten genervt. Da wurden in Wirtschaftswissenschaften dann immer so Dinge gesagt wie: »Die Grenzkosten der Produktion sinken.« Eigentlich heißt das aber nur: »Je mehr ich von einem Produkt herstelle, desto niedriger sind die Kosten pro Stück.«

Erinnern Sie sich an ein Thema, für das es besonders schwierig war, passende Worte zu finden?

Sprachlich nein. Selbst solche Themen wie die Finanzkrise sind eigentlich nicht kompliziert zu erklären. Ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert und dabei gelernt, dass im Grunde genommen auch jeder wirtschaftliche Zusammenhang ziemlich simpel ist. Oft schrecken da nur Fachbegriffe wie »Finanzkrise«, »Euro-Bonds« oder »Rettungsschirm« ab. Eigentlich konnte man das immer ganz gut mit einem Land, das pleite ist, und einem anderen Land, das hilft, indem es Geld leiht, erklären. Viel schwieriger zu erklären sind Themen, die emotional nicht verständlich sind. Einem Kind zu erklären, dass Terroristen ein Rockkonzert stürmen und wahllos Menschen erschießen, ist eigentlich unmöglich. Das kann man selbst ja kaum verstehen und greifen. Bei solchen Nachrichten dann die richtigen Worte für Kinder zu finden, möglichst ohne Angst zu machen, ohne aber auch zu beschönigen: Das ist schwierig.

Welche Rückmeldung der Zuschauer hat Sie besonders überrascht?

Am Anfang habe ich oft mal E-Mails bekommen, in denen Kinder so etwas gesagt haben wie: »Das habe ich doch schon verstanden!« oder »Warum erklärt ihr das schon wieder so einfach?«. Oder anders gesagt: Ich habe oft die Rückmeldung bekommen, dass ich Dinge zu einfach erklärt und damit Kinder unterfordert habe. Mit der Zeit habe ich dann gelernt, dass Kinder gefordert werden wollen, dass sie auch lieber mal etwas nur zu 70 % verstehen und den Rest herausfinden wollen. Man unterschätzt Kinder oft total. Oft wissen, verstehen und denken sie viel mehr und viel differenzierter als so mancher Erwachsener. Das war für mich am Anfang sehr überraschend.