Ausgabe: Der Sprachdienst 3/2013

Von Drosseln

Durch die Reihen der Internetnutzer ging ein Aufschrei der Entrüstung, als ein bekannter grellfarbener deutscher Internet- und Telefonanbieter ankündigte, in nicht allzu ferner Zukunft für Neukunden die Internet-Übertragungsgeschwindigkeit zu »drosseln«, sobald eine bestimmte Datenmenge überschritten wird. Was bei den Kunden für Verärgerung sorgt, gibt uns Anlass, uns eingehender mit dem Substantiv Drossel und dem dazugehörigen Verb drosseln zu befassen.
Zunächst einmal ist zwischen der Drossel als Vogelart und der hier gemeinten Drossel zu differenzieren. Die Wörter sind homonym, d. h., sie besitzen zwar die gleiche Ausdruckseite, haben jedoch eine ganz unterschiedliche Bedeutung und eine ebenso unterschiedliche Wortherkunft. So ist das Wort Drossel zur Bezeichnung eines Vogels aus dem mittel- bzw. niederdeutschen Ausdruck drösle, auch droschel, entstanden, das eine lange Wortgeschichte bis zurück ins Indogermanische vorweisen kann.
Die hier gemeinte Drossel ist vielschichtig und hat mit dem Vogel rein gar nichts zu tun. Das Wort ist entstanden aus dem spätmittelhochdeutschen Wort drozzel, mittelhochdeutsch drozze, zu althochdeutsch drozza ›Kehle, Gurgel‹. Heute wird das Wort nur noch selten in diesem Sinne verwendet, man erkennt diese Bedeutung jedoch noch hier und da, etwa bei erdrosseln ›durch Zudrücken der Kehle töten‹, Schnapsdrossel ›Schnapskehle‹ oder auch (König) Drosselbart ›Bart an der Kehle‹. Außer in einigen Dialekten kommt der Ausdruck mit dieser Bedeutung heute noch in der Jägersprache vor und bezeichnet dort die ›Luftröhre des Schalenwildes‹.

Den Bezug zum Bereich der Technik, wo das Wort Drossel heute hauptsächlich verwendet wird, etwa in den Ausdrücken Drosselspule, Drosselventil oder Drosselklappe, erhielt das Substantiv ebenso wie das Verb drosseln (veraltend wie heute erdrosseln verwendet) zur Zeit der Industrialisierung. Nahm man bei den großen Dampfmaschinen und dem Gasmotor Dampf oder Gas weg, um die Triebkraft aufzuheben, redete man fachsprachlich vom Drosseln. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Bedeutung an den schwindenden Atem beim (Er-)Drosseln angelehnt sein könnte. Später wurden das Verb und seine Bedeutung auf das Herabsetzen der Leistung einer Maschine übertragen, so wurde die Leistung eines Autos etwa reduziert, indem man es drosselte. Hieraus wurde bald die Bedeutung, die auch heute weit verbreitet ist, nämlich ›die Zufuhr von etwas verringern‹ bzw. allgemeiner noch ›herabsetzen, einschränken‹. In diesem Sinne wird es nun auch im Zusammenhang mit der angekündigten Einschränkung der Daten-Übertragungsgeschwindigkeit verwendet: Die Nutzung des Internets wird für denjenigen, der nicht bereit ist, mehr zu zahlen als bisher, eingeschränkt. Von einer Flatrate (wörtlich ›niedriger, flacher Tarif‹) als der unbegrenzten monatlichen Nutzung des Internets zu einem (oft insgesamt günstigen) Pauschalpreis kann in diesem Fall wohl nicht mehr die Rede sein. So wurde die Drossel (der Vogel) unlängst zum neuen Wappentier der Telekom erkoren, wenngleich sie – wie wir nun wissen – von dem dahinter stehenden technischen Sachverhalt ebenso wie von dessen Sinngehalt völlig unberührt ist. Und schon sprechen nicht nur Vogelliebhaber von einer bislang unbekannten Art: der Flatrate-Drossel.

(Quellen: Duden, »Das große Wörterbuch der deutschen Sprache«, 4. Aufl. Mannheim 2012; Kluge, »Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache«, 25. Aufl. Berlin 2011; Hermann Paul, »Deutsche Wörterbuch«, 9. Aufl. Tübingen 1992; »Trübners Deutsches Wörterbuch«, Band 2, Berlin 1940.)

Frauke Rüdebusch