Wer ist wem seines Todes?

Viele sprachinteressierte Menschen kennen Bastian Sick und seine Bücher. Der Titel »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod« ist inzwischen fast schon ein geflügeltes Wort. Aber: Stimmt das auch wirklich? Das kann man sich ja bei vielen Sprichwörtern oder fast sprichwörtlich gewordenen Wendungen einmal fragen: Erspart die Axt im Haus tatsächlich den Zimmermann, und muss sich, was ein Häkchen werden will, beizeiten krümmen? Immerhin kann es ja sein, dass ein Nichtzimmermann sich mit der Axt eher irgendwelche Gliedmaßen abhackt, statt sein Haus instandzusetzen, und das gekrümmte Häkchen ist vielleicht auch gar nicht so tauglich für die Herausforderungen des Lebens …

Aber wie steht es nun mit dem Genitiv? Dass er auf dem Rückzug ist, ja, in manchen Dialekten ohnehin gar nicht vorhanden, würde wohl kein Sprachwissenschaftler bestreiten. Aber der Genitiv ist für viele sprachbewusste Menschen – unter ihnen Bastian Sick – eine Bastion der Sprachkultur, die es um jeden Preis zu verteidigen gilt. Wie in vielen Bereichen des täglichen Lebens kann dabei der gut gemeinte Eifer zu einem Übereifer werden, so dass am Ende fast »der Genitiv des Dativs dessen Tod wird« oder beide miteinander um ein Unentschieden ringen. Nur zwei Beispiele dazu: Ein Briefkasten ist laut Aushang (und nicht etwa Aushanges) der Post »wegen dem Taunusstraßenfestes gesperrt«. Seit geraumer Zeit sind nach Duden bei der Präposition wegen sowohl der Dativ als auch der Genitiv möglich. Allerdings nicht beide gleichzeitig. Wenn man also mit »wegen dem« anfängt, müsste man mit Taunusstraßenfest (ohne die Genitivendung -es) fortfahren, oder es müsste heißen »wegen des Taunusstraßenfestes«. Das Durcheinander der beiden konkurrierenden Fälle findet man auch umgekehrt, im zweiten Beispiel aus einer großen überregionalen Tageszeitung. Sie berichtet über Menschen, die »wegen ihrer Kindern« längere Zeit keinem Beruf nachgegangen sind. Nimmt man beide Beispiele zusammen, ergibt sich tatsächlich eine Art Unentschieden: Einmal geht der Dativ ( dem) zuerst über die Ziellinie, gefolgt vom Genitiv (Tanusstraßenfestes). Einmal macht der Genitiv (ihrer) gegenüber dem Dativ (Kindern) das Rennen. Beide Male gibt es jedoch ein gehöriges Durcheinander, vermutlich gerade weil sich jemand bemüht hat, eine Regel einzuhalten, dabei aber eben nicht sehr konsequent war. Und Hand aufs Herz: Kennen wir das nicht alle, auch außerhalb der Sprache? Also betrachten wir solche Ausrutscher doch am besten großmütig, weil es uns selbst garantiert auch einmal passiert.

Nicola Frank