Ausgabe: Der Sprachdienst 4–5/2006

Familienname Wierhake

[F] Ich möchte versuchen, über die Bedeutung meines Familiennamens die Herkunft meiner Familie einzugrenzen. Seit etwa 1700 sind meine Vorfahren in der Grafschaft Ravensberg nachweisbar, die ältesten Schreibungen des Namens sind Wirhacken, Wirhaken und Wiederhacken, seit 1730 herrscht die Schreibweise Wierhake.

[A] Der Familienname Wierhake gehört mit 25 Telefonanschlüssen und damit etwa 70 Namensträgern zu den relativ häufigen Namen in Deutschland. Die älteren Schreibweisen Wirhacken, Wirhaken und Wiederhacken existieren nicht mehr, es finden sich aber die ähnlich lautenden Namen Wiederhake und Wederhake, die zusammen mit Wierhake als Varianten ein und desselben Namens gelten können.

Namengeographisch ist kein deutliches Zentrum des Namens Wierhake festzustellen, die meisten Namenträger finden sich aber im Raum Südwestfalen/ Sauerland. Der Name Wiederhake weist ein klares Zentrum im Ruhrgebiet und benachbarten Regionen auf, dazu kommen mehrere bei Höxter und Beverungen; Wederhake wiederum ist klar im Raum Beverungen konzentriert. Diese Verbreitung der Namen Wierhake, Wiederhake und Wederhake erlaubt keine Eingrenzung auf ein kleinräumiges Gebiet, am ehesten ist mit einer Entstehung in der Region Westfalen/Sauerland zu rechnen, Ihre familiengeschichtlichen Daten schließlich deuten auf den Raum Herford. Immerhin wird klar, dass es sich um einen Namen handelt, der im niederdeutschen Sprachgebiet entstanden ist.

Sprachlich ist der Name Wierhake eindeutig zu klären. Zugrunde liegt das mnd. Substantiv wedderhake/widerhake ›Widerhaken‹, zusammengesetzt aus wedder (weder, wider, wyder) ›wider, gegen, zurück‹ und hake (haken, haake, hacke, hacken) ›Haken‹. Im Grimm’schen Wörterbuch finden sich für Widerhaken die älteren Schreibungen Widerhake, Wiederhake und Widerhacke. Dass die Namenformen Wiederhacken, Wieder- und Wederhake mit dem Substantiv identisch sind, steht außer Frage, die Varianten mit Wir- und Wier- müssen jedoch erklärt werden. Im Niederdeutschen wurden seit mittelniederdeutscher Zeit schwach artikulierte Laute und Silben sehr häufig unterdrückt, wobei besonders der Konsonant d betroffen ist. Anhand zahlloser Beispiele kann gezeigt werden, dass ein d in der Position zwischen zwei Vokalen im Laufe der Zeit geschwunden ist. Solcherart reduzierte Formen sind in zahlreichen Fällen in Form und Schreibung von Familiennamen übernommen worden, vgl. etwa Frederik > Frerik, Gödeke > Göke, Wedekind > Wehkind, Wedeking > Weking, Wederhan > Wehrhahn usw. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Wierhake (Wirhacken, Wirhaken) aus einer älteren Form *Widerhake(n) kontrahiert wurde, vgl. auch niederl. weerhaak ›Widerhaken‹ < wederhake.

Wie konnte nun ein Substantiv »Widerhaken« zum Familiennamen werden? Zwei Benennungsmotive sind denkbar: Jemand, der beruflich in irgendeiner Weise mit Widerhaken zu tun hatte – sei es, dass er sie herstellte (Kleinschmied), sei es, dass er damit arbeitete (Fischer?) –, konnte als »Widerhaken« bezeichnet werden. In diesem Falle handelte es sich um einen sogenannten »indirekten Berufsnamen« (Untergruppe der Übernamen). Diese Deutung möchte ich jedoch als nicht sehr wahrscheinlich ansehen, es dürfte kaum einen Handwerker gegeben haben, der auf die Herstellung von Widerhaken spezialisiert war, Fischer erhielten in der Regel andere Beinamen (Fischer/Vischer bzw. Aal/Ahl, Bars, Hecht, Dorsch, Hering, Wels, Plötz, Stör usw.).Näher liegend erscheint mir daher die Annahme, dass der Beiname »Widerhaken« in übertragenem Sinne vergeben wurde (damit ebenfalls den Übernamen zuzuordnen). Das Wort konnte bildhaft zur Bezeichnung von Sachen oder Umständen verwendet werden, die mit einer nicht sofort erkennbaren Problematik verbunden waren, vgl. dazu etwa die Redewendungen Die Sache hat einen Haken und Da steckt der Haken sowie die Verbindung mit Haken und Ösen. Auf Personen bezogen konnte »Widerhaken« jemanden benennen, der ständig »problematisierte«, der immer und überall Probleme, Schwierigkeiten, widrige Umstände sah. Denkbar ist »Widerhaken« auch als Beiname für einen Menschen, der sich zäh Forderungen oder Ansinnen widersetzte, der wie »mit Widerhaken versehen« auf seinem Standpunkt beharrte. Dass die zuletzt vorgeschlagene Deutung eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, zeigen beispielsweise die Familiennamen Wiedersatz für den Widersetzlichen, Wiederspahn/Widerspan für den Widerspenstigen (nd. Wederspan, kontrahiert Wehrspann, Wehrspohn) sowie Weerstand (»Widerstand«).

Zusammenfassend lässt sich zum Familiennamen Wierhake sagen: Dem Namen zugrunde liegt das Substantiv Widerhaken, die erste Silbe Wier- ist durch Kontraktion aus Wider- entstanden, der Name ist somit als eindeutig niederdeutsch zu bestimmen; die heutige Namengeographie sowie die familiengeschichtlichen Daten deuten auf eine ursprüngliche Heimat des Namens in Westfalen. Ob und wie die heutigen Familien Wierhake, Wiederhake und Wederhake historisch miteinander zusammenhängen, könnte nur durch genealogische Forschung ermittelt werden.