Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2016

Woher stammt das Wort Korpsgeist und was hat man sich darunter vorzustellen?

[F] Im Zusammenhang mit dem Abstimmungsverhalten von Abgeordneten im Bundestag hört man neuerdings von Korpsgeist. Damit verbinde ich eine gewisse Vorstellung, können Sie Genaueres sagen?

[A] Wahrlich handelt es sich um ein Wort, das in den letzten Jahren nicht oft in den Medien zu vernehmen war. Mag sein, dass es die Schreibenden wählten, weil das K im Anlaut gut zum Politiker passt, der eben diesen Geist bei den Griechenland-Abweichlern fordert und deren Familienname ebenfalls mit K beginnt: Kauders Korpsgeist.

Das Korps, Corps [ko:ɐ] geht auf französisch corps < lateinisch corpus, ›Körper‹ zurück und ist uns 1. aus dem Militär als größerer Truppenverband bekannt und unter Umständen noch 2. (bildungssprachlich) als »[schlagende] studentische Verbindung« (nach »Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache«, 4. Aufl. Mannheim 2012 [CD-ROM]). Mit der Ergänzung in der französischen Sprache der Diplomatie als Corps diplomatique [kɔrdiplɔma‘tik], aus gleichbed. fr. corps diplomatique: diplomatisches Korps; Abk.: CD oder als Corps de Ballet [kɔrdəba‘lɛ] aus gleichbed. fr. corps de ballet: Ballettgruppe bekannt. (»Duden. Das große Fremdwörterbuch«, 4. Aufl. Mannheim 2007 [CD-ROM]). Dies alles sind Vereinigungen oder Körperschaften, die einiges eint, in der Arbeit und im Geiste.

Dieser Geist soll auch dem Fraktionszwang dienen und die Abweichler (bei Abstimmungen) auf Linie bringen. Dem Wort kann neben dem neutralen Gebrauch etwas Fragwürdiges, Dünkelhaftes anhaften: a) Gemeinschaftsgeist, wie er in einem Korps herrscht oder b) (meist abwertend): [elitäres] Standesbewusstsein [das den unbedingten Zusammenhalt von Mitgliedern höherer gesellschaftlicher Kreise fordert] (»Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache«, a. a. O.). Andere Dokumente im politischen Umfeld fassen Korpsgeist neutral als Gemeinschaftssinn innerhalb eines Standes, als Standesbewusstsein, aber auch abwertend als standesgebundenen Dünkel. Während noch im 18. Jahrhundert das gleichbedeutende französische Esprit de Corps selbst den in Handwerksgesellenverbänden den herrschenden Geist charakterisiert haben soll, engte sich nach 1800 mit dem Aufkommen der Burschenschaften, Frei- und Kadettenkorps der Begriff Korpsgeist wohl auf das Selbstbewusstsein von Offiziersgruppen und Corpsstudenten ein. Bei dieser Gruppenzuordnung ist es gegenwärtig geblieben, ob nun bei einer Fraktion angemessen oder nicht. Bleibt im konkreten Umfeld zu entscheiden, welche Bedeutungsvariante hervortritt, möglicherweise sind auch beide gleichberechtigt.