11. November 2022
13. November: Weltnettigkeitstag
Am Sonntag, den 13. November, ist Weltnettigkeitstag. Dieser wurde Ende der 1990er-Jahre in Japan ins Leben gerufen, um die Menschen daran zu erinnern, freundlich zu sein: anderen gegenüber, aber auch mit sich selbst. Wir wollen hier jedoch niemanden darüber belehren, wie nett es ist, danke und bitte zu sagen, ehrliche Komplimente zu machen oder anderen ein Lächeln zu schenken (wir gehen einfach mal davon aus, dass Sie dies ohnehin tun), sondern das Wort nett selbst genauer unter die Lupe nehmen. So schlecht wie sein Ruf (»die kleine Schwester von …«) ist es nämlich gar nicht.
Das Adjektiv nett ist seit dem Spätmittelhochdeutschen, also seit dem 14./15. Jahrhundert, in unserer Sprache belegt. Über Umwege gelangte es ins Deutsche und ist mit dem italienischen netto verwandt, das die Grundbedeutung ›rein, klar, unvermischt‹ trägt. Die gemeinsame Wurzel bildet das lateinische nitidus bzw. nitere ›glänzen, schmücken, blinken‹.
Im 19. Jahrhundert beschrieben die Brüder Grimm in ihrem Deutschen Wörterbuch das Wort mit seinen damals geläufigen Bedeutungsvarianten, darunter ›rein, zierlich, fein und sauber, hübsch, niedlich‹, ›innerlich fein, klar und genau‹. Im Großen und Ganzen treffen diese Bedeutungen auch heute noch zu, allerdings haben sie sich nicht nur spezifiziert, sondern es sind auch weitere hinzugekommen. So geben aktuelle Wörterbuch (z. B. Duden. Deutsches Universalwörterbuch, Berlin 2019 u. a.) folgende Bedeutungen an: ›freundlich, liebenswert, im Wesen angenehm‹ (ein netter Mensch), ›hübsch und ansprechend‹ (ein nettes Kleid), umgangssprachlich außerdem ›groß, beträchtlich‹ (ein nettes Sümmchen).
Heutzutage haftet dem Adjektiv nett allerdings ein etwas zweifelhafter Ruf an. So ist mitunter unklar, ob es wirklich im eigentlichen Wortsinn zu verstehen ist: »Sieht nett aus, dein Kleid«; »Meine Schwiegereltern besuchen uns übers Wochenende, das kann ja nett werden.« So wird nett häufig nicht mehr mit seiner ursprünglichen Bedeutung verwendet wird, sondern steht im Gegensatz dazu und ist als ›unangenehm, wenig erfreulich‹ (»Da hat sich die Regierung ja mal wieder was Nettes ausgedacht!«, »Nett, wie du mir ins Wort fällst«) oder auch im Sinne von ›leicht zu durchschauen und deshalb abzulehnen‹ zu deuten (»Netter Versuch, aber so geht es nicht!«). Beides drückt eine Tendenz zum Negativen aus, die der ursprünglichen positiven Bedeutung diametral entgegensteht. Ähnliche Entwicklungen, in denen neue, wenn auch nicht unbedingt gegensätzliche Bedeutungen wie bei nett, zum Bedeutungsspektrum hinzutreten, haben Adjektive wie geil oder schwul genommen, ebenso spitze, klasse und mega.
Ja, das ist schon ein Happen: ein Adjektiv mit gegensätzlichen Bedeutungen, und man soll dann jeweils wissen, was gemeint ist – das ist schon für Muttersprachlerinnen und Muttersprachler nicht immer leicht. Aber seien sie nett, wenn nicht sofort verstanden wird, was sie meinen; gerade zum Weltnettigkeitstag ist das doch ein guter Vorsatz.
Quellen
Duden. Deutsches Universalwörterbuch, Berlin 2019
Jacob und Wilhelm Grimm. Deutsches Wöröterbuch, Leipzig 1854 ff.
http://www.kleiner-kalender.de/event/nettigkeitstag/0841c.html