Ausgabe: Der Sprachdienst, 2/2018

Bedeutung von Ikone

[F] Meine Frage zielt auf den jüngeren Bedeutungsspielraum des Wortes Ikone. Ich kenne diesen Ausdruck für den kirchlichen Bereich, längst aber fallen Vorkommen wie Pop-Ikone oder Ikone der Stadt zunehmend ins Auge. Wie kam es zu dieser Bedeutungserweiterung? Wo und wann könnte die außerkirchliche Bedeutung Einzug gehalten haben?

[A] »Das Große Wörterbuch der deutschen Sprache« (Duden, 2012) gibt ganz klar zwei differenzierte Bedeutungen für Ikone an: Im ersten Fall handelt es sich um den ursprünglichen, kirchlichen Begriff. Als Ikone wird das »Kultbild der orthodoxen Kirche mit der Darstellung heiliger Personen oder ihrer Geschichte« bezeichnet. Man spricht in diesem Kontext beispielsweise von russischen oder byzantinischen Ikonen oder von einer Ikone aus dem 12. Jahrhundert. Das Wort stammt vom russischen ikona für ›(Heiligen-)bild‹ oder vom griechischen eikóna bzw. eikón für ›Bild‹ im Allgemeinen.

In seiner zweiten Bedeutung definiert das »Große Wörterbuch der deutschen Sprache« Ikone als »Person oder Sache als Verkörperung bestimmter Werte, Vorstellungen« oder »eines bestimmten Lebensgefühls«. Diese Verwendung stammt vom englischen Wort icon bzw. auch hier wieder vom griechischen eikóna. Als Beispiele werden hier ›eine Ikone der Mainzer Fastnacht‹ oder ›Ikone des Widerstands‹ angeführt. Das englische icon übersetzt leo.org mit ›Ikone‹, ›Bildzeichen‹, aber auch mit ›Symbol‹. Wir sehen also, dass der englische Ausdruck eine Rolle für die Bedeutungserweiterung spielen könnte.

In unserer seit 1977 geführten Sprachkartei, in welcher wir Sprachbelege aus der Presse und ähnlichen Quellen sammeln, findet sich der Begriff erstmals 1985 in der Form verstaubte Ikone. Im Jahr 1987 wurden Beispiele wie Kunstikone oder angebetete Ikone notiert. Aus diesen Verwendungen können wir schließen, dass es sich bereits um die erweiterte Bedeutung handelt, die aber interessanterweise auch noch einen religiösen Bezug zu den Kultbildern aufzuweisen scheint. 1989 findet sich in der Kartei der Ausdruck Sozialismus-Ikone, was bereits keinen direkten Bezug mehr zur Ursprungsbedeutung hat. Besonders häufig wurde Ikone 1997 verzeichnet, z. B. in Form von Sportwagen-Ikone (Porsche), US-Ikone (Madonna, Stone), Tod der Ikone (Prinzessin Diana), als Bezeichnung für den bolivianischen Revolutionär Guevara oder den (ehemaligen) britischen Premierminister Tony Blair.

Anhand der genannten Belege können wir also einen ungefähren Zeitraum ausmachen, in dem die erweiterte Bedeutung Einzug in das Deutsche gehalten haben könnte. Schaut man sich die Einträge in den älteren Auflagen des »Großen Wörterbuchs der deutschen Sprache« (Duden) aus den Jahren 1977, 1983 und 1999 an, lässt sich diese Annahme weiter verdichten. Während die beiden älteren Exemplare von 1977 und 1983 die jüngere Bedeutung noch nicht angeben, findet sich 1999 der Zusatz Kultfigur mit folgendem Beispiel: »Der Mann ist eine Ikone des liberalen Münchens, von Lebensart und Lebenslust.« Interessant ist auch das Adjektiv ikonisch, für das 1977 bereits zwei Bedeutungen existierten: 1. in der Art der Ikonen und 2. bildhaft, anschaulich. Aus der zweiten Angabe ergibt sich bereits eine Hinführung zur jüngeren Verwendung des Wortes.

Abschließend können wir also Folgendes festhalten: Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Ikone für ein Kultbild der orthodoxen Kirche wurde vermutlich seit Ende der 80er-Jahre nach und nach um die jüngere Verwendung für eine Kultfigur bzw. eine Person erweitert, die bestimmte Werte und Vorstellungen verkörpert. Es ist denkbar, dass diese Entwicklung über das Adjektiv ikonisch und möglicherweise auch über den englischen Begriff icon zustande kam. Was den aktuellen Gebrauch des Wortes angeht, ist zu vermuten, dass die Ursprungsbedeutung in der Zukunft immer weiter verdrängt werden könnte.