Adam, Eva und die Sprache. Beiträge zur Geschlechterforschung

Karin M. Eichhoff-Cyrus (Hg.). Mannheim u. a.: Dudenverlag 2004. 380 Seiten. ISBN 3-411-04211-7 (= Duden. Thema Deutsch, 5). 25 €.

Cover: Adam, Eva und die Sprache

Der von der Dudenredaktion und der Gesellschaft für deutsche Sprache im Rahmen der Reihe »Thema Deutsch« herausgegebene Sammelband setzt sich mit Phänomenen des Sexismus im weitesten Sinne auseinander, wobei sprachliche Diskriminierung bzw. Probleme der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern einen Schwerpunkt bilden. Auch wenn sich das Buch bescheiden gibt und sich damit begnügen möchte, »allen an Sprache Interessierten Einblicke und Denkanstöße [zu] bieten« (8), so dürften doch in erster Linie Fachleute, also Lehrende, Forschende, Studierende sowie Schüler und Schülerinnen seine potenziellen Leser sein. Dass sich der Band hervorragend zum Schmökern und Nachschlagen eignet, sei hier gleich erwähnt.

Ausgehend von der grundsätzlich richtigen Überlegung, dass Sprache nicht nur Realität spiegelt, sondern auch Realität schafft (7), stellt die Mehrzahl der 26 Beiträge das Verhältnis der Geschlechter zur Sprache in den Mittelpunkt. Es gehe, wie Karin M. Eichhoff-Cyrus, die Herausgeberin des Sammelbandes, betont, vor allem darum, Sensibilität für sexistische Phänomene zu erzeugen und Denkanstöße zu geben, wie sprachliche Diskriminierung beseitigt werden kann.

Dass man (frau?) ein derartiges Buch nicht in einem Zug lesen wird, versteht sich von selbst. Alle Beiträge – darunter auch jene von zwei prominenten Politikerinnen, der langjährigen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und der früheren Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, – verdienen das Interesse der Leserinnen und Leser. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass nur vier der Aufsätze von Männern verfasst sind. Offensichtlich ist die Geschlechterforschung fest in den Händen von Frauen. Der Bezug auf Forscherinnen aus dem anglo-amerikanischen Raum ist ebenfalls nicht zu übersehen.

Der Band gliedert sich in vier Themenkomplexe:

  • Frau und Sprachgebrauch: gesprächs- und kommunikationsanalytische Aspekte,
  • Frauen und Sprachsystem: lexikalische und grammatische Aspekte,
  • Gender (soziales Geschlecht) in literarischen und anderen Texten,
  • Vorschläge zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern.

Der Band wird mit einer grundlegenden Arbeit von Friederike Braun eingeleitet, die im Prinzip nachweist, dass Frauen in der Sprachforschung nicht oder kaum vorkommen. Zwar betont auch sie die Unterschiede in der Kommunikation zwischen Frauen und Männern, doch vertritt sie die Meinung, dass es sich in Wirklichkeit jedoch um »viel weniger spektakuläre Unterschiede« (25) handeln könnte. Anja Gottburgsen und Christa M. Heilmann greifen manche der von Braun angeschnittenen Fragen auf, wobei sie vom »gender-Ansatz« ausgehen, d. h., Geschlecht ist nicht etwas, »was wir haben, sondern etwas, das aktiv hergestellt wird« (38). Im Unterschied zum biologischen Geschlecht ist es erlernt, gesellschaftlich und kulturell geprägt und somit auch veränderbar. Zur biologischen Komponente kommt auch eine soziale.

Ulrike Grässel befasst sich mit der aktuellen, wie wir wissen, nicht immer erfreulichen Situation von Frauen in Führungspositionen. Süssmuth sieht allein in der erhöhten Präsenz von Frauen in den Medien einen Hoffnungsschimmer, während Eichhoff-Cyrus von einer Abwertung der Frauen spricht, die sich vor allem in der Werbesprache zeige. Zugleich beobachtet sie aber doch »erfreuliche Aspekte« (112): Statt mit Frauenkörpern werde immerhin auch mit Frauenköpfen geworben.

Auf amüsant-witzige Weise nähert sich Rudolf Hoberg seinem Thema, Sexualität und Sprache, indem er zunächst einmal darauf hinweist, dass die Suchmaschine Google mit über 100 Millionen Treffern auf das Stichwort Sex antwortet. (Mit Stand vom 22. Oktober 2005 sind es 220 000 000. Gleichzeitig sind es bei Yahoo 644 000 000.) Ein wesentlicher Teil der Sexualität finde inzwischen im Internet statt, zitiert Hoberg den Frankfurter Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch (117). Überhaupt stehe uns, wie Hoberg betont, ein ungeheures sexualsprachliches Vokabular zur Verfügung. Warum wir es nicht ausreichend benützen, das kann auch er uns freilich nicht erklären. Aber dass die Sexualität als »etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes, Tabuisiertes, von manchen sogar Verbotenes« empfunden wird (130), lässt sich wohl nicht leugnen.

Die Zusammenhänge zwischen Vornamen und Geschlecht, nicht nur in der deutschen Sprachkultur, behandelt Susanne Oelkers. Die drei Aufsätze des zweiten Teils gehen eher ins Theoretische, wie etwa die Überlegungen von Jochen A. Bär zur Frage, was man unter Genus versteht, warum es in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Genussysteme gibt und was schließlich Genus mit Sexus zu tun hat.

Mit Befragungen zur Einschätzung von Berufen und den Assoziationen, die sich in dem Zusammenhang zwischen grammatischem Genus und natürlichem Geschlecht ergeben, beschäftigt sich Roswitha Fischer und stellt dabei fest, dass das generische Maskulinum der Lehrer im Vergleich zur Beidnennung (der Lehrer/die Lehrerin) nicht geschlechtsneutral interpretiert wird, sondern die Assoziation »männlich« verstärke. Die in mehreren Befragungen festgestellte Vorliebe österreichischer Studentinnen und Studenten für die maskuline Form der Lehrer und die Vermutung, dass es unter jungen Frauen, einen Trend gebe, diese quasi als geschlechtsneutrale Form »zurückzuerobern« (180), erscheint zu spekulativ und müsste durch weitere empirische Untersuchungen nachgewiesen werden. Besteht in Österreich, könnte man nun fragen, eine größere Tendenz, das generische Maskulinum zu verwenden als im übrigen deutschen Sprachraum? Oder handelt es sich hier um Überreste eines veralteten Sprachgebrauchs?

Mit verschiedenen Aspekten von gender in literarischen Texten und einer Analyse von Frauen- und Männerbildern in bekannten DaF-Lehrwerken befassen sich die Aufsätze des dritten Teils. Keqin Huangs Studie vergleicht Brigitte Schwaigers Erfolgsroman Wie kommt das Salz ins Meer? (1977) und den vier Jahre später erschienenen Roman Das Nordlicht der chinesischen Schriftstellerin Kangkang. Was Lehrbücher betrifft (Stufen international, Themen neu), so kann sich der Rezensent dem Gesamturteil anschließen: Sie folgen »gängigen Mustern« (258). Es fragt sich jedoch, inwieweit die beiden untersuchten Lehrwerke in ihrer Darstellung von Frauen und Männern repräsentativ sind.

Der vierte Teil ist der praktische. Auf die Detailvorschläge, die dort gemacht werden, kann im Einzelnen nicht eingegangen werden. Man findet jedenfalls Vorschläge aller Arten für einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch, und hier hofft auch der Rezensent, Tipps zu bekommen, die ihm helfen, Sünden der patriarchalischen Kultur in Hinkunft zu vermeiden. Die »Heilungsvarianten« (288) mag man am Ende ja kennen, allein, was hilft’s? Splitting, Neutralisierung, generische Maskulina, Binnen-I (RomanheldIn, MitdenkerInnen, AuslandsösterreicherInnenabteilung), generische Maskulina mit erklärender Fußnote, dass Frauen mitgemeint sind – alle mehr oder weniger untauglich laut Marlis Hellinger. Besteht Hoffnung beim Duden? Er erfüllt einerseits die Forderungen der Feministischen Linguistik, andererseits kennt man ihn als konservativ, solide und verlässlich. Zwar gibt es im Großen Wörterbuch seit 1999 die Päpstin, doch der Hinweis von Kathrin Kunkel-Razum, dass es noch keine Bundeskanzlerin gegeben habe, ist inzwischen auch überholt. Welche Signale sendet eigentlich der Duden? Obwohl laut Kunkel-Razum die Redakteurinnen und Redakteure der Dudenredaktion versprechen, »Entwicklungen und Diskussionen im Bereich der sprachlichen Darstellung von Frauen und Männern [zu] verfolgen« (315) und entsprechende Konsequenzen zu ziehen, scheint man beim Duden vorsichtig vorzugehen. Das große I wird zum Beispiel »explizit« (315) abgelehnt, wenn auch Kunkel-Razum Andeutungen von einer Modifizierung in absehbarer Zeit macht.

Hellinger formuliert schließlich die so einfache und vernünftige These, dass »ein ausreichender gedanklicher Einbezug von Frauen offenbar nur erreicht werden kann, wenn ein Text mehrfache explizite Hinweise auf weibliche Partizipation (insbesondere durch Beidnennung) enthält« (289). Die Verfassung von Niedersachsen ist ihrer Meinung nach diesbezüglich ein gelungenes Beispiel. Sie verwendet nämlich durchwegs Paarformen, die die Beteiligung von Frauen in allen Ämtern und Funktionen präsent halten.

Die Auseinandersetzung mit einem neuen Themenfeld hat sich gelohnt. Die Lektüre dieses materialienreichen Buches öffnet einen Blick auf Entwicklungstendenzen in der Sprache, mit denen Adam und Eva vertraut sein sollten. Einzelne Aufsätze eignen sich, nicht zuletzt auf Grund der fächerübergreifenden Relevanz der behandelten Themen, hervorragend für schulische und universitäre Veranstaltungen, Seminare und dergleichen. Insgesamt sei der Band – die nicht besprochenen Beiträge eingeschlossen – allen Sprachinteressierten empfohlen. Der Rezensent bestätigt schließlich gerne, dass seine anfängliche Skepsis dem Thema gegenüber weitgehend gewichen ist, und wünscht sich, dieses Buch möge dazu beitragen, das Verhältnis der Geschlechter zur Sprache zu verbessern.

Prof. Dr. Jürgen Koppensteiner