Das weg ist das Ziel?
Im Deutschen gibt es ein Verb, das wettmachen heißt und für das der Duden eine recht umständliche Bedeutungsbeschreibung gibt: »einer nachteiligen Sache, Erscheinung durch etw., was sich günstig, positiv auswirkt, entgegenwirken, sie ausgleichen«.
Neben dieser ziemlich komplexen Bedeutung fällt der Bestandteil wett als ungewöhnlich auf. Zwar gibt es andere, ähnlich aussehende Zusammensetzungen mit wett, wie etwa wettrüsten oder wettlaufen, bei diesen hat der Bestandteil wett die klar fassbare Bedeutung ›etwas um die Wette tun‹, sei es rüsten, laufen, schwimmen, turnen etc. Das ist bei wettmachen nicht der Fall, und es stellt sich die Frage, was es mit dem wett in dieser Zusammensetzung eigentlich auf sich hat.
Ausführlich gibt darüber das Wörterbuch der Brüder Grimm Aufschluss, das ein frei vorkommendes Adjektiv wett mit der Bedeutung ›quitt, ausgeglichen‹ anführt, allerdings dort schon mit der Anmerkung, es sei aktuell nur noch in Zusammensetzungen geläufig, wie eben wettmachen.
Das bedeutet allerdings, dass das Element wett auch in der Zusammensetzung wettmachen heutigen Sprachbenutzern nicht sehr einleuchtet, weil es zu einem ansonsten unbekannten Bestandteil geworden ist. Unbekannte Elemente findet man in der Sprache durchaus an manchen Stellen: Wer weiß schon, was das Him in Himbeere bedeutet? Trotzdem empfindet kaum jemand Himbeere als ein ungewöhnliches Wort.
Es muss im Sprachgebrauch also nicht stören, aber es kann stören. Bei wettmachen scheint es (anders als bei der Himbeere) so zu sein, dass das ominöse wett so manchem zu spanisch vorkommt. So ist in einer Filmkritik auf der Seite des Fernsehsenders ProSieben zu lesen: »Die Performance von Ben Stiller als durchgeknallter Künstler macht das [die Fehlbesetzung einer weiblichen Rolle] wieder weg.« Was ist da passiert? Ganz einfach: Der Autor hat das unvertraute wett durch ein viel vertrauteres Element ersetzt, das ganz ähnlich klingt, dem Sinn nach zumindest ungefähr passt und das im Deutschen sowohl frei als auch in zahlreichen Wortverbindungen vorkommt.
Daher ist es auch nicht überraschend, dass der Autor sich mit seiner »Maßnahme« schon in zahlreicher Gesellschaft befindet. Selbst Sprecher/-innen, denen wettmachen noch etwas zu sagen scheint, erkundigen sich in Internetforen danach, ob es nun wettmachen oder wegmachen heißen muss. Andere setzen das weg in Anführungszeichen und signalisieren damit zumindest eine gewisse Unsicherheit.
Vielleicht ist hier also in nicht allzu ferner Zukunft das weg das Ziel eines kleinen Sprachwandels. Momentan spielt sich dieser Wandel zwar vor allem im Internet ab, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich diese heute als falsch anzusehende Verwendung von wegmachen weiter verbreitet.
Übrigens sind durchaus nicht alle aus heutiger Sicht falschen Verwendungen so leicht erklärlich und nachvollziehbar wie das sich ausbreitende wegmachen. Zu einer Folge der Talkshow Anne Will gibt es im Internet den Kommentar: »Wie in vielen anderen Bereichen wird auch hierbei das Pferd von hinten aufgesäumt.« Es darf stark bezweifelt werden, dass diese »Variante« von »das Pferd von hinten aufzäumen« eine ebenso große Verbreitung erfährt wie wegmachen im aktuellen Gebrauch.
Nicola Frank