11. Mai 2023

Der zweite Sonntag im Mai: Muttertag

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Jedes Jahr begehen wir in Deutschland am zweiten Sonntag des Monats Mai den Muttertag. Bei dem Ausdruck handelt es sich um eine Lehnübersetzung von amerikanisch Mother’s Day; er hat seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten, in verschiedenen Frauenbewegungen.[1] Wir interessieren uns an dieser Stelle zunächst für die Bedeutung von Muttertag – hierzu laut dem Großen Wörterbuch der deutschen Sprache des Duden-Verlags (Mannheim 2012) nur so viel: An diesem »offizielle[n] Ehrentag der Mütter« werden diese traditionsgemäß »von ihren Kindern beschenkt o. Ä.«. Der Ausdruck findet seine Entsprechung im Vatertag, eine volkstümliche Bildung zu Muttertag. Der Ausdruck Vatertag wird hierzulande allerdings eher scherzhaft gebraucht und bezeichnet einen »Tag (gewöhnlich der Himmelfahrtstag), der von vielen Männern, besonders Familienvätern, dazu genutzt wird, ohne Frauen und Kinder [mit reichlich Alkohol] zu feiern, Ausflüge zu machen o. Ä.«. In unserem Nachbarland Österreich hingegen wird der Tag in der Tat analog zum im Interesse stehenden Muttertag gefeiert: als »offizieller Ehrentag der Väter ([hier] am zweiten Sonntag im Juni), an dem sie von ihren Kindern beschenkt o. Ä. werden«.

In grammatikalischer Hinsicht ist Muttertag eine Zusammensetzung, im Besonderen ein Determinativkompositum, aus den Wörtern Mutter und Tag, wobei das Erstglied Mutter das Zweitglied Tag näher bestimmt. Und mit Blick auf das Bestimmungswort, aber als einfaches Wort betrachtet, wenden wir uns auch schon wieder der sprachlichen Kategorie Bedeutungsspektrum zu: Mutter steht in enger Verbindung zu Mama; die Lexeme unterscheiden sich jedoch eben in Hinblick auf ihre Bedeutung. Nach dem Duden-Herkunftswörterbuch (Mannheim 2007) ist Mutter, zu mittel- und althochdeutsch muoter, niederländisch moeder, englisch mother, schwedisch moder, eine altgermanische Verwandtschaftsbezeichnung, die auf das indogermanische Wort mātér zurückzuführen ist. Demgegenüber ist Mama ein Wort aus der kindlichen Lallperiode. Diese Entlehnung aus dem 17. Jahrhundert aus französisch maman ist eine in der Familie gebrauchte Bezeichnung und verwandt mit dem lateinischen Wort mamma ›Mutterbrust; Amme; [Groß]mutter‹ und dem griechischen mámma ›Mutter[brust]‹. Während also Mutter eine Verwandtschaftsbezeichnung darstellt, hört man Mama eher im vertrauten Bereich der Familie.

Nun kann man in den Medien immer häufiger beobachten, dass das Wort Mama verwendet wird, wo Mutter angemessener erscheint. So schrieb z. B. eine Redakteurin in einer regionalen Tageszeitung, dass sie aus der »Mama-Zeit« zurück sei. Eine Moderatorin sprach am Muttertag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen alle »Mamas« an. Und im Internet stößt man auf Websites wie echtemamas.de, mamas.eu und mamassimplefood.com, auf denen »Mamas« und nicht »Mütter« im Zentrum des Interesses stehen.

Wie aber kann man diese Sprachverwendung angesichts der oben skizzierten Bedeutungsunterschiede interpretieren? Unseres Erachtens handelt es sich hier um einen Versuch, Nähe, enge Verbundenheit herzustellen, was aber in offiziellen Kontexten kindlich und damit befremdlich wirken kann. So haben wir den Eindruck, dass dies dem Bemühen geschuldet ist, besonders persönlich zu wirken. Ob sich diese Verwendung von Mama durchsetzt und die familiäre Bezeichnung in anderen Kontexten üblich wird, wird die Sprachgemeinschaft entscheiden (durch Übernahme oder Ablehnung dieser Sprechweise). Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, ob sich die Bezeichnung Mamatag (Mama-Tag) etabliert.

Aktuell, im Rahmen der Genderdebatte, steht aber vielmehr die Frage im Raum, ob nicht der Ausdruck Mutter und damit der Muttertag als solcher abgeschafft bzw. ersetzt werden und an die Stelle des traditionellen Ehrentags der »Elterntag« rücken sollte, wo das klassische Familienmodell zu bröckeln beginnt. Unlängst hatte es sich eine Kindertagesstätte auf die Fahne geschrieben, auf das Basteln von Muttertags-Geschenken aus Gründen der Diversität zu verzichten.[2]

Vielleicht noch wichtiger als die Gleichberechtigungsfrage ist die Erörterung der Tatsache, dass immer noch vor allem Frauen die Last der gesellschaftlich wenig anerkannten Haushalts-, Versorgungs- und Betreuungsarbeit tragen (»Care-Arbeit«). Selbst wenn sich beide Partner/-innen diese unbezahlte Arbeit aufteilen, sind es meist die Mütter, die die mentale Belastung (»Mental Load«) tragen, indem sie an »alles« denken. Insofern steht der Muttertag (wie der Valentinstag) in der Kritik, dass die Arbeit von Müttern »mit einem Blümchen belohnt« wird – ähnlich dem Klatschen für die Pflege.

Wie dem auch sei, solange der Tag ein offizieller ist, sagen wir allen Müttern, die sich über diesen Gruß freuen: »Alles Gute zum Muttertag!« Übrigens: Letztes Jahr sind schätzungsweise 725.000 Frauen (zum ersten Mal oder erneut) Mutter geworden[3]am häufigsten erhalten Kinder laut unserer kürzlich veröffentlichten Liste der beliebtesten Vornamen dabei die Namen Emilia und Noah.


[1] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Muttertag (letzter Zugriff: 10.05.2023)

[2] Vgl. https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/basteln-fuer-den-muttertag-verboten-katholische-kita-entschuldigt-sich-18880527.html (letzter Zugriff: 10.05.2023)

[3] Die Schätzung beruht auf der Sichtung und Auswertung von Daten des Statistischen Bundesamtes (vgl. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/_inhalt.html [letzter Zugriff: 10.05.2023] sowie https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/geburten-mehrlinge.html [letzter Zugriff: 10.05.2023]).