Die Gala und die Zwetschge

»Gala schmeißt Zwetschge raus.« Diese (nicht ganz aktuelle) Schlagzeile war einmal auf einem großen Nachrichtenportal im Internet zu lesen: Alles klar? Wahrscheinlich nicht. Bei Gala denkt man vielleicht an eine Preisverleihung oder eine Boulevardzeitschrift, bei Zwetschge an eine Frucht. Der Versuch, beides in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, lässt die meisten von uns vermutlich ratlos zurück. Das sprachlich nicht sehr hochstehende Niveau kann man zumindest noch an der Verwendung des Verbs rausschmeißen ablesen, was es aber mit der Gala und der Zwetschge auf sich hat, bleibt einzig anhand dieses Titels aber wohl trotzdem im Dunkeln. Hier die Auflösung: Die Meldung stammt aus dem Bereich des Sports, genauer des Fußballs. Mit Gala ist der türkische Fußballverein Galatasaray Istanbul gemeint, und Zwetschge ist der Spitzname des bosnischen Spielers Zvjezdan Misimovic, der in Deutschland geboren wurde und bei mehreren deutschen Bundesligavereinen unter Vertrag stand. Wahrscheinlich war den Fans der Vorname Zvjezdan zu unaussprechlich, so dass es in Deutschland zu dem Spitznamen Zwetschge kam. Uneingeweihte verstehen ohne dieses Hintergrundwissen jedoch nur Bahnhof bei der oben zitierten Schlagzeile. Auch der Fußball hat eben seine Sprache, die man zwar üblicherweise nicht an der Universität studiert, die man aber ohne Hintergrundwissen auch nicht verstehen kann.

Natürlich ist uns allen bekannt, dass es neben dem allgemein verständlichen Deutsch eine Reihe von Fachsprachen gibt – vorgeblich auch Deutsch –, aber den meisten Menschen kaum verständlich. Das kann an einem Übermaß an Fremdwörtern liegen, die im Wissenschaftsbetrieb oder in der Medizin häufig aus dem Lateinischen oder Griechischen stammen, an Abkürzungen, die nur Insidern geläufig sind usw. Hier eine kleine Kostprobe aus der Zahnmedizin:

»Eine Extraktion der persistierenden Milchmolaren 75 und 85 wegen Aphasie von 35 und 45 bleibt langfristig vorbehalten.« Es dürfte ein überschaubarer Personenkreis sein, dem nun klar ist, welche Maßnahme sich der Zahnarzt »langfristig vorbehält«. Derlei Unverständlichkeiten können aber genauso gut in vermeintlich niederen Sphären des Sprachgebrauchs auftreten, die zwar keine »Fachsprachen« im engeren Sinne sind, die aber doch manchmal ein gehöriges Maß an Insiderwissen erfordern. Und dann gibt es natürlich noch einen erheblichen Unterschied zwischen der Sprachverwendung auf einem Zahnärztekongress und der auf einem Nachrichtenportal. Bei Ersterem treffen sich Fachleute, denen die Fachsprache geläufig ist, das Nachrichtenportal dagegen sollte ein hohes Maß an Allgemeinverständlichkeit für einen großen Kreis von Nutzern bieten. Daher wäre es zumindest empfehlenswert, auch in einer Schlagzeile den Lesern keine derartigen Rätsel aufzugeben und etwa im obigen Fall bei ihnen die Vorstellung zu wecken, dass eine Zeitschriftenredaktion Steinfrüchte aus dem Fenster wirft, wenn doch in Wahrheit mitgeteilt werden soll, dass ein Fußballer bei seinem Verein in Ungnade gefallen ist.

Nicola Frank