Ausgabe: Der Sprachdienst 5-6/2019

E-Wörter

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Mit der E-Mail – so ist zu vermuten – fing alles an.1 Ende der 1980er Jahre begann ihre weltweite Verbreitung, seit 1996 ist das Wort im Duden verzeichnet. Auch die Rechtschreibung hat sich des Wortes angenommen – großes E (da der erste Bestandteil eines substantivischen Kompositums stets groß geschrieben wird), Bindestrich (weil einzelne Buchstaben durch einen Bindestrich mit dem Hauptwort verbunden werden), großes Mail (weil Substantive auch in Komposita mit Bindestrich großgeschrieben werden) –, nur einen festen Artikel hat es heute noch immer nicht: Für die meisten ist es die, für einige (speziell regional) das E-Mail.

Inzwischen ist die E-Mail nicht mehr allein: Viele weitere E-Wörter haben sich hinzugesellt, und gerade in jüngerer Zeit fallen Sie verstärkt ins Auge. Grund genug, den Wörtern auf E(lektro)-nicht nur ein Zeit-Wort, sondern ein ganzes Zeit-Wortfeld zu widmen.

Mit der Ausweitung elektronischer Möglichkeiten in den vergangenen Jahrzehnten kam die Notwendigkeit auf, diese Möglichkeiten zu benennen. Da Sprache nach Ökonomie strebt, wurde aus dem Attribut elektronisch bald ein simples E-, aus einem elektronischen Brief wurde also E-Mail (daneben gibt es auch die Bezeichnungen E-Post und E-Brief, die heute zum Teil für Dienstleister bzw. Dienstleistungen gebraucht werden). Ob das E dabei deutsch ([e:], z. B. E-Lastenrad) oder englisch ([i:], z. B. E-Bike) ausgesprochen wird, hängt maßgeblich davon ab, ob ein deutsches oder ein englisches Hauptwort folgt. Beides kommt inzwischen vor, wie anhand der zahlreich folgenden Beispiele deutlich wird.

Ein wesentlicher Bereich, in dem E-Wörter auftreten, ist der von Internet und Handy und den Möglichkeiten, die sich dadurch für Handel und Industrie bieten. Der E-Commerce, also der Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen über das Internet, basiert auf dem E-Business, der Geschäftsabwicklung über das Internet. Um schnell und einfach bezahlen zu können, nutzen viele das E-Banking, oft auch Online-Banking genannt. Weniger virtuell ist hingegen E-Cash: Hierbei handelt es sich zwar um einen bargeldlosen Zahlungsverkehr, doch um diesen Service nutzen zu können, benötigt man ein Hilfsmittel wie die EC-Karte (kurz für Eurochequekarte), auf der die Daten des Kontoinhabers gespeichert sind. Elektronische Karten werden auch von anderen Unternehmen ausgegeben, etwa Versicherungen, doch das System ist dasselbe: Hierauf werden die relevanten persönlichen Daten des Karteninhabers gespeichert und bei Bedarf elektronisch ausgelesen. In Österreich werden sie als E-Cards bezeichnet – aber Achtung: in anderen Teilen des Sprachgebiets versteht man eine E-Card eher als eine elektronische Grußkarte, die über das Internet verschickt wird. Eine weitere Möglichkeit, sich elektronischer Hilfsmittel zu bedienen, bietet der E-Book-Reader, mit dem man E-Books, also Bücher im elektronischen Format, lesen kann. Diese Art des Buchverlegens nennt sich E-Publishing.

Mittlerweile finden sich unzählige E-Wörter vor allem im Bereich der Mobilität, genauer der E-Mobilität. Haben Sie schon mal einen der neuen E-Scooter ausprobiert, die seit einigen Monaten auf deutschen Straßen zugelassen sind? Oder nennen Sie diesen neuesten Schrei der Fortbewegung eher E-Roller oder sogar Stehroller, analog zu Tretroller? Selbst die Bezeichnung E-Tretroller wird verwendet, obwohl sich nicht erschließt, weshalb: Bei einem elektronischen Roller entfällt ja gerade das manuelle Treten. Auf den Schienen fahren schon seit längerer Zeit E-Loks, doch im Gegensatz zu E-Bussen und E-Autos, die auf unseren Straßen unterwegs sind, benötigen sie elektrische Leitungen, um sich fortzubewegen, und erhalten ihren Strom nicht aus Akkus. In ähnlicher Weise funktionieren E-LKWs, für die derzeit E-Highways auf deutschen Autobahnen getestet werden: Hierzu werden, ähnlich wie im Zugverkehr, einzelne Trassen mit Elektroleitungen überspannt, an denen die E-Lastwagen andocken können, um sich so mit Strom und ganz ohne Treibstoff fortzubewegen.

Für den Betrieb von E-Bikes sind hingegen keine Stromleitungen nötig: Die Fahrräder beziehen ihren Strom aus Akkus und sorgen so für eine Unterstützung beim Treten. Doch auch wenn sie oft E-Bikes genannt werden, sind zumeist eigentlich sogenannte Pedelecs gemeint, die nicht vollständig ohne Treten auskommen – »echte« E-Bikes fahren hingegen völlig selbstständig, ohne dass die Radfahrer selbst in die Pedale treten müssen. Neben E-Bikes sieht man immer häufiger auch die überaus praktischen E-Lastenräder, die nach dem gleichen Prinzip wie Pedelecs funktionieren. E-Einräder werden wohl eher selten gesichtet, doch auch sie soll es geben. Selbst Skateboards fallen der Elektr(on)isierung von Fortbewegungsmitteln anheim: Während das Skateboarden inzwischen als Sport anzusehen ist, stellt sich bei einem E-Skateboard oder E-Boarder die Frage, ob diese nicht eher der Fortbewegung als dem Sport dienen. Doch nein: Es gibt sogar E-Skateboard-Meisterschaften, in denen die E-Skateboarder ihre Künste auf dem Board vorführen. Für das Fahren im Straßenverkehr sind E-Skateboards in Deutschland ohnehin nicht zugelassen. Doch wer glaubt, hierauf beziehe sich der sogenannte E-Sport, liegt falsch: Von E-Sport oder E-Gaming wird nur in Bezug auf Computerspiele gesprochen, die sich inzwischen zu einem Volkssport entwickelt zu haben scheinen; selbst E-Sport-Meisterschaften werden schon ausgetragen.

Es gibt noch so viele weitere E-Wörter, dass sie hier nicht alle behandelt werden können. Als sehr bekannte Wörter seien hier noch das E-Learning (das Lernen am PC ohne echten Lehrer), die E-Zigarette (eine elektronische Zigarette, die weniger gesundheitsschädlich sein soll als echte Zigaretten) und das E-Piano (ein Piano, dessen Lautstärke eingestellt und das sogar über Kopfhörer gehört werden kann) erwähnt.

Und dann gibt es noch diese (ältere) Gruppe von E-Wörtern, die rein gar nichts mit Elektronik zu tun haben, darunter E-Jugend (die fünfälteste Altersgruppe der Jugendlichen im Sport), E-Dur (Tonart, die auf dem Grundton e in der Musik basiert), E-Nummer (für die Auflistung von Zusatzstoffen in Nahrungsmitteln) und E-Musik (ernste Musik). Das gute alte E(lektrizitäts)-Werk hingegen mag ganz wörtlich als Grundstein all der neuen E(lektro)-Wörter und E-Dinge zu sehen sein.


1 Wer ältere Beispiel für E-Wörter hat, in denen das E für ›elektronisch‹ steht, kann sie uns gern per Mail an sprachberatung@gfds.de mitteilen.

Frauke Rüdebusch