Ein Mann – ein Wörterbuch
Das im Titel etwas abgewandelte Sprichwort lautet ursprünglich natürlich »Ein Mann – ein Wort« und soll zum Ausdruck bringen, dass ein einmal gegebenes Wort gilt. Es stammt aus einer heute nicht sehr bekannten Ballade von Friedrich Schiller und hat sich von dieser Quelle aus verselbständigt. Unter anderem recht bekannt geworden ist die Erweiterung zu »Ein Mann – ein Wort. Eine Frau – ein Wörterbuch«, die von Lutz Röhrich in seinem Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten als frauenfeindlich eingestuft wird. Ganz nüchtern inhaltlich betrachtet soll diese Variante jedoch erst einmal nicht mehr aussagen als dies: Männer sprechen wenig, Frauen sprechen viel. Das wiederum entspricht durchaus der Alltagserfahrung vieler Männer und Frauen, und auch wissenschaftliche Studien konnten belegen, dass Frauen pro Tag im Schnitt mehr Wörter und Sätze sprechen als Männer.
Abseits solcher Geschlechterklischees – seien sie wahr oder nicht, seien sie frauenfeindlich oder nicht – kann man die Redewendung mit Fug und Recht aber auch abwandeln zu »Ein Mann – ein Wörterbuch«. Der Mann, auf den das wie auf keinen anderen zutrifft, ist Konrad Duden, dem die Beiträge dieses Heftes gewidmet sind. Er ist wahrlich nicht der einzige Mann, dessen Name sich eng mit einem Wörterbuch verbindet, denn das Wörterbuchschreiben scheint – anders als das alltägliche Sprechen – insgesamt und vor allem historisch betrachtet eine recht männliche Domäne zu sein. Beispielhaft seien hier nur die Wörterbücher von Johann Christoph Adelung (1732–1806) und Joachim Heinrich Campe (1746–1818) genannt. Beide Herren dürften aber heute nur noch in Fachkreisen bekannt sein. Ein sehr berühmtes, sehr umfangreiches Wörterbuch des Deutschen stammt von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm. Diese beiden gäben aber im Volksmund eher Anlass zu einer Wendung wie »Zwei Männer – eine Märchensammlung«, da die Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder heute ungleich verbreiteter ist als ihr Wörterbuch. Bleibt also Konrad Duden, der Mann, der so sehr Wörterbuch wurde, dass sich heutige Schüler unter Duden überhaupt nur noch ein gelbes Buch und gar keinen Menschen mehr vorstellen. Woran das liegt? Sicher nicht nur daran, dass Konrad Duden unter den genannten der historisch jüngste Wörterbuchschreiber war, sondern vor allem an seinem ausgeprägten Sinn für das Praktische. Sein Werk sollten Schüler, sollten Buchdrucker und Setzer benutzen, fast im Sinne dessen, was man heute »Ratgeberliteratur« nennt. Und so kann man von ihm wirklich behaupten, hier liege ein Fall von »Ein Mann – ein Wörterbuch« vor, ganz ohne männerfeindlichen Hintergedanken.
Nicola Frank