Gießkanne und Rasenmäher
Nanu! Haben wir die letzte Seite des Sprachdiensts auf einmal für eine Gartenkolumne reserviert? Das haben wir natürlich nicht. Es geht mit den beiden Wörtern Gießkanne und Rasenmäher um sprachliche Bilder.
»Wir standen vor der Frage, ob wir im Gießkannenprinzip bei allen Verbänden kürzen oder nur bei einem.«
So wird der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes zitiert anlässlich der Entscheidung, die finanzielle Förderung für die Sportart Curling einzustellen. Ob man das nun bedauerlich findet, wenn man keinen rechten Sinn für diesen Sport hat, bei dem Menschen mit Schrubbern auf einer Eisfläche Steine in Position zu bringen versuchen, sei dahingestellt.
Auffallend ist das sprachliche Bild der Gießkanne. Bei Bildern und Metaphern findet in der Regel eine Bedeutungsübertragung statt, so dass zum Beispiel Gießkanne nicht als ein Utensil zur Gartenpflege verstanden werden soll, sondern als etwas anderes. Eine geglückte Übertragung zeichnet sich jedoch immer dadurch aus, dass sie inhaltlich einleuchtet. Und genau da wird das Zitat nun wirklich schief. Denn wer hätte schon jemals mit einer Gießkanne irgendetwas gekürzt? Eine Gießkanne dient dazu, Wasser auf ein Beet oder in einen Blumentopf zu geben. Mit Hilfe der Gießkanne fügt man also – ganz abstrakt formuliert – irgendwo etwas hinzu. Das Bild wird auch gerne in der Politik verwendet. Viele Politiker sprechen sich gegen Förderung »mit der Gießkanne/nach dem Gießkannenprinzip« eines bestimmten politisch-gesellschaftlichen Bereichs aus und plädieren dafür, dass man einzelne Projekte gezielt unterstützen solle, andere dafür aber nicht.
Häufiger als Förderung und Unterstützung ist allerdings in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen, dass finanzielle Mittel gekürzt werden, und dafür gibt es eine andere Metapher aus dem Gartenbereich, nämlich den Rasenmäher. Mit einem Rasenmäher – also einem realen – kürzt man tatsächlich etwas, in der Regel Gras. Knapp und bildhaft ausgedrückt: Mit dem Rasenmäher wird gekürzt, mit der Gießkanne hinzugefügt. Spätestens wenn man einmal – ohne sprachliche Übertragung – einen Rasen mäht oder ein Beet gießt, werden beide, der Rasenmäher wie die Gießkanne, auch in sprachlicher Hinsicht so einleuchtend, dass man sie nicht mehr verwechselt und somit auch nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip kürzt.
Nicola Frank