Ausgabe: Der Sprachdienst 2/2018

GroKo

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Kein neues Wort, das ist klar. Eigentlich nicht einmal nur ein Wort, sondern bestehend aus zweien. Auch klar. Dennoch: GroKo erlebt aus allseits bekannten Gründen derzeit einen Neuaufschwung. Da es aus rein sprachlicher Perspektive – und um keine andere soll es hier gehen – viel Potenzial und auch Kritikpunkte birgt, wollen wir es genauer unter die Lupe nehmen.

GroKo ist eine Wortbildung, die für die »Große Koalition« aus CDU/CSU und SPD steht. Obwohl es zuvor bereits zwei Große Koalitionen auf Bundesebene gegeben hatte und sie somit keineswegs neu war, wurde sie erstmals 2013 als GroKo bezeichnet – ausgehend von den sozialen Netzwerken, wo die Bildung sich aufgrund ihrer Kürze schnell verbreitete. Nach der Bundestagswahl drang sie dann in nahezu alle Medien vor. Im gleichen Jahr wurde GroKo von uns zum Wort des Jahres gekürt – bei unseren österreichischen Nachbarn wurde GroKo hingegen schon Jahre zuvor für die dortige Große Koalition aus ÖVP und SPÖ verwendet.

Obwohl klar ist, was mit GroKo gemeint ist, und obwohl der Ausdruck kurz und prägnant ist, taten sich damals schon und tun sich noch heute einige Menschen schwer mit dieser Bildung: Es handele sich ja nicht um ein »richtiges« Wort, sondern sei nur zusammengesetzt aus den Anfangssilben der beiden Wörter, für die es steht – weder Gro noch Ko seien jedoch Wörter der deutschen Sprache. Außerdem enthalte GroKo eine Binnenmajuskel (also einen Großbuchstaben innerhalb des Wortes) und verstoße damit gegen die Regeln der deutschen Rechtschreibung. Das ist alles korrekt. Dennoch handelt es sich bei GroKo um ein »richtiges« Wort, nämlich ein sogenanntes Kurzwort. Ein Kurzwort ist nach Duden-Definition ein »Wort, das aus Bestandteilen eines oder mehrerer Wörter gebildet ist (z. B. Kripo aus Kriminalpolizei)«. Im Unterschied zu Abkürzungen wie ZDF oder PKW können Kurzwörter wie Wörter ausgesprochen werden – so auch GroKo. Ebenso werden weitere Kriterien erfüllt, die u. a. gemeinhin zur Definition eines Wortes dienen: Die Bildung a) wird durch Leerzeichen von anderen Wörtern abgegrenzt, b) ist flektierbar (die GroKo, die GroKos), c) trägt eine Bedeutung, d) kann als verschiebbares Element in einen Satz eingebaut werden (Die GroKoSubj wurde beschlossen, Die Parteimitglieder unterstützen die GrokoObj). Auch darüber hinaus verhält sich GroKo wie ein ganz normales Substantiv: Es besitzt einen vorangestellten Artikel und bildet einen Bestandteil zahlreicher neuer Zusammensetzungen, weist also eine hohe Produktivität auf: GroKo-Verhandlungen, GroKo-Klarheit, GroKo-Minister, GroKo-Kabinett. Zur Beliebtheit von GroKo dürfte auch die Klangähnlichkeit mit Kroko – Kurzwort für Krokodil – beigetragen haben, eignet es sich dadurch doch besonders gut für Sprachspiele: »GroKo-Deal«, »Es wird ein GroKo«, »GroKodile«.

Etwas kritischer zu sehen ist allerdings die Schreibung: Der Definition nach werden Kurzwörter im Wortinneren ausschließlich klein geschrieben, GroKo aber übernimmt die Großbuchstaben der beiden Einzelwörter. Zwar kommt vereinzelt auch die Schreibung Groko vor, durchgesetzt hat sich jedoch die Schreibweise mit Binnenmajuskel. Das Wort verstößt damit gegen die Regeln der amtlichen Rechtschreibung, wenngleich uns Binnengroßschreibung – regelwidrig! – in bestimmten Kontexten mitunter begegnet, so etwa bei der geschlechtergerechten Formulierung (BürgerInnen, SchülerInnen), aus gestalterischen Gründen bei Eigennamen (BahnCard, InterCity) und auch bei Wörtern, die sonst zusammen oder mit Bindestrich geschrieben werden, ganz besonders in der Werbung (z. B. SofortKredit statt Sofortkredit, Sofort-Kredit). Während dies den Rechtschreibregeln klar entgegensteht, ist die Großschreibung im Wortinnern bei bestimmten und vor allem fachsprachlichen Abkürzungen und Kurzwörtern tatsächlich akzeptiert, so etwa bei Gesetzen wie ArbSchG für Arbeitsschutzgesetz, EStER für Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinie, IGeL für individuelle Gesundheitsleistungen. Dies wiederum spricht dafür, auch die Schreibweise mit Binnenmajuskel bei GroKo zu akzeptieren. Zwar handelt es sich nicht um einen fachsprachlichen, sondern um einen allgemeinsprachlichen Ausdruck, dennoch könnte er nicht alternativ mit Bindestrich geschrieben werden wie Komposita, die aus zwei einzelnen Wörtern zusammengesetzt sind (Bahn + Card = Bahn-Card, Sofort + Kredit = Sofort-Kredit – aber nicht: Gro + Ko = Gro-Ko). Hier greifen eben die Regeln der Kurzwortbildung – die zwar besagen, dass Kurzwörter im Wortinneren kleingeschrieben werden, die aber ebenso gewisse Ausnahmen zulassen.

So erweist sich GroKo also als sprachliche Ausnahmeerscheinung. Politisch jedoch kann davon wohl nach den aktuellen Ereignissen in Bezug auf die Regierungsbildung nicht mehr die Rede sein.

Frauke Rüdebusch