Der Sprachdienst 4–5/2024

Hotspot

Bild: Torsten Siever/KI-generiert

Sommer ist die Jahreszeit, in der typischerweise Urlaub gemacht wird. Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen macht es einfach viel mehr Spaß am Strand zu liegen, wandern zu gehen, einen Campingtrip zu machen oder fremde Städte zu erkunden. Besonders Letzteres hat in jüngster Zeit für Schlagzeilen gesorgt: So hat die Stadt Barcelona nach Demonstrationen der Bevölkerung gegen den Massentourismus in der Stadt angekündigt, ab 2028 tausende Ferienwohnungen zu verbieten; die italienische Insel Capri hat einen kurzfristigen Einreisestopp für Tourist(inn)en verhängt, nachdem die Wasserversorgung zusammengebrochen war; Venedig nimmt nun Eintrittsgelder von Tourist(inn)en und der Stadtrat der griechischen Insel Santorini hat die Bevölkerung aufgefordert, zu Hause zu bleiben, damit mehr Platz für die Touristenströme von den Kreuzfahrtschiffen bleibt. Die Reaktionen auf diese Verlautbarungen waren dabei ganz unterschiedlich, doch eines haben Barcelona, Capri, Venedig, Santorini und viele weitere Orte auf dieser Welt gemein: Sie alle sind Hotspots, also überaus beliebte Reiseziele, die hohe Touristenzahlen verzeichnen – oder mit ihnen zu kämpfen haben.

Wie man dem Massentourismus Herr werden will und wird, das soll uns an dieser Stelle nicht weiter kümmern. Vielmehr interessiert uns das Wort Hotspot, kommt es uns doch auch aus anderen Kontexten recht bekannt vor. Der Ausdruck Hotspot oder auch Hot Spot stammt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich ›heiße Stelle‹. Er wird in verschiedenen Bereichen verwendet, hat aber stets eine ähnliche Bedeutung; es handelt sich somit um ein Polysem, ein Wort mit mehreren, aber ähnlichen Bedeutungsebenen. Einige davon werden im Folgenden genannt, erschöpft ist die Liste damit jedoch nicht; das Wort scheint recht universell einsetzbar.

Am nächsten kommt dem wörtlichen Sinn wohl die Verwendung im Bereich der Geologie: Dort wird eine Schmelzregion knapp unterhalb der Erdkruste als Hotspot bezeichnet; dieser Bereich wird durch Magma erhitzt und stellt oft den Ausgangspunkt für vulkanische Aktivitäten dar. Es handelt sich also im wahrsten Sinne um eine ›heiße Stelle‹, einen Ort der Erhitzung. In der Biologie nennt man einerseits ein schützenswertes Gebiet mit großer Biodiversität einen Hotspot, andererseits eine einzelne Stelle oder einen ganzen Bereich innerhalb eines Gens, an dem besonders häufig Mutationen auftreten.

Sowohl der geologische als auch der biologische Verwendungskontext sind eher fachlicher Natur und das Wort dürfte sich im Laufe der Jahre kaum von dort verbreitet haben. Dennoch klingt hier schon an, dass es sich bei einem Hotspot (1) um etwas handelt, an dem eine auffällige Aktivität stattfindet, und dass das Wort (2) auch in übertragener Bedeutung verwendet wird, nämlich im Sinne einer Stelle, an der etwas in größerer Häufigkeit auftritt, an der etwas zusammenläuft. Beide Bedeutungsebenen lassen sich – einzeln oder gar zusammen – in zahlreichen weiteren Kontexten finden.

So versteht man etwa in der EDV einen in der Regel farbig hervorgehobenen Hyperlink in einem elektronischen Dokument als Hotspot: Wie in der Geologie ist dies eine Stelle, an der etwas passiert bzw. etwas aktiviert werden kann. Ebenso ist ein Hotspot ein Ort, an dem eine drahtlose Internetverbindung per WLAN öffentlich und zum Teil kostenfrei verfügbar ist. Auch hier gibt es einerseits eine auffällige (Funk-)Aktivität, gleichzeitig laufen hier nicht nur Funkwellen zusammen, sondern auch Menschen, die diese nutzen wollen, um ins Internet zu gelangen. In beiden Kontexten ist der Hotspot ein Zugriffspunkt.

In der Corona-Zeit hat das Wort Hotspot eine neue Bedeutung erlangt: Damit wurden jene Orte bezeichnet, an denen besonders viele Infektionen mit dem Virus stattgefunden haben; auch in diesem Verwendungsumfeld lassen sich beide Hauptbedeutungen ausmachen: Einerseits hat sich an diesen Corona-Hotspots eine auf fällig große Aktivität des Virus gezeigt; andererseits bedeutete dies auch, dass dort viele Menschen zusammengekommen sind, die das Virus entweder übertragen oder sich damit angesteckt haben. Hier handelt es sich bei einem Hotspot um einen in bestimmter Weise besonders betroffenen Bereich.

Dies trifft nun auch zu auf den Hotspot in jener Verwendung, in der er schon in der Einleitung umschrieben wurde: Ein Hotspot ist ein Touristenmagnet, ein Ort, der von besonderem Interesse ist, eine große Anziehungskraft ausübt und unverhältnismäßig viele Menschen anlockt, diesen zu besichtigen oder dort Urlaub zu machen. Kurz: Hotspots sind beliebte Touri-Ziele, die nicht selten vom Massentourismus betroffen sind, es sind also Orte erhöhter menschlicher Aktivität. So schön dies sein kann, so problematisch stellt es sich auch dar; dies zeigen nicht nur die eingangs erwähnten Probleme einiger Urlaubparadiese und entsprechende Demonstrationen gegen allzu viele Gäste (»Tourists go home!«), sondern auch Orte, die eine hohe Kriminalitätsrate aufweisen, sowie die sogenannten Erstaufnahmezentren, in denen in der EU Flüchtlinge und Asylsuchende identifiziert, registriert und umverteilt werden – beides ebenfalls als Hotspot bezeichnet.

Besonders die Kontexte Corona, Tourismus, Kriminalität und Einwanderung dürften zum starken Anstieg der Worthäufigkeit in jüngerer Zeit beigetragen haben. So wurde das Wort seit der Jahrtausendwende zunächst zögerlich häufiger, seit ca. zehn Jahren ist ein exponentieller Anstieg zu verzeichnen, der mit Beginn der Corona-Pandemie seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Inwiefern die Auswirkungen des Massentourismus, die individuellen Verbots- und Einschränkungskampagnen gegen denselben und die Schlagzeilen, für die all dies sorgt, die Kurve wieder steigen lassen, bleibt abzuwarten. Doch ob die Bedeutung des Wortes Hotspot nun neutral, positiv oder negativ ausgelegt wird: Mit seinem Binnenreim hat es selbst doch schon etwas Malerisches.

Frauke Rüdebusch