Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2022

»Ich komme um 12!« Uhrzeit ohne »Uhr«

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[F] Wie kommt es eigentlich, dass man Uhrzeitangaben mal mit und mal ohne das Wort Uhr macht? Also: »Ich komme um 12« oder »Ich komme um 12 Uhr«, aber nur: »Ich komme um 13 Uhr«.

[A] Das Substantiv Uhr bezeichnet nicht nur ein Gerät, das die Uhrzeit angibt, sondern es trägt ebenso die Bedeutung ›Uhrzeit‹. Nach alter Bedeutung bezeichnet es ›eine bestimmte Stunde bei Uhrzeitangabe‹; es geht zurück auf das lateinische Wort hōra ›Zeit, Jahres-, Tageszeit, Stunde‹. Wenn man sagt: »Es ist drei Uhr«, dann wird diese alte Bedeutung aufgegriffen.

Bei der Angabe der Uhrzeit gebraucht man unflektierte Zahlwörter entweder in Verbindung mit Uhr (Es ist zehn Uhr) oder alleinstehend (Es ist zehn). Dabei bleibt das Wort Uhr laut Grammatisch-Kritischem Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (1793–1801) »nach dem Muster so vieler anderer, welche eine Zeit, ein Maß oder Gewicht bedeuten« unverändert: Es ist drei Uhr; nicht: Es ist drei Uhren. Es kann sich demnach auch um einen elliptischen Gebrauch handeln: Es ist schon sechs [an der/auf der] Uhr. Elliptisch sind auch Sätze wie: Wir treffen uns um drei. Denn in der Tat kann man das Wort Uhr nach dem Zahlwort auch weglassen. Das funktioniert aber scheinbar nicht immer, so ist es unüblich zu sagen: Wir treffen uns um fünfzehn.

Tatsächlich wird das Wort Uhr meistens weggelassen: Es ist [ein] Viertel neun; Es ist zwanzig [Minuten] vor acht; Sie kommt um halb acht. Veraltete Formen auf -e, die heute noch umgangssprachlich verwendet werden, stehen sogar immer ohne Uhr: um fünfe aufstehen.

Betrachtet man das Beispiel Wir treffen uns um fünfzehn [Uhr] fällt auf, dass man das Wort Uhr in erster Linie dann weglässt, wenn Uhrzeitangaben mit den Zahlwörtern ein(s) bis zwölf gemacht werden; bei Verwendung der Zahlwörter dreizehn bis vierundzwanzig (bzw. null) fügt man das Wort allerdings meistens an. Dazu muss man wissen: Entsprechend der modernen Einteilung des Tages in zwei Hälften mit zweimal zwölf Stunden von Mitternacht bis Mitternacht, im Grimm’schen Wörterbuch jeweils als sogenannte »halbe Uhr« ausgewiesen, beziehen sich die Zahlwörter dreizehn bis vierundzwanzig (bzw. null) explizit auf die zweite Hälfte des Tages. Sprachgeschichtlich wurde diese »Weiterzählung« erst sehr viel später, nämlich nach dem Ersten Weltkrieg, eingeführt, und die »neuen« Zahlen werden vor allem amtlich gebraucht, weniger alltagssprachlich. So kommt es wohl, dass Uhrzeitangaben mit diesen Zahlwörtern das Wort Uhr enthalten. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch hier ein elliptischer Gebrauch in der Alltagssprache etabliert – ein schönes Beispiel für den langen Weg, den die Sprachentwicklung nehmen kann.

Übrigens: Die Redewendung »Jetzt schlägt’s aber dreizehn!« im Sinne von ›Jetzt ist die Geduld zu Ende; jetzt ist’s genug!‹ gab es schon vor der Einführung der neuen Uhrzeit-Zahlwörter; man hört sie seit dem späten 19. Jahrhundert. Einerseits wird hier mit der 13 als Unglückszahl auf den Teufel angespielt, andererseits darauf, dass die Uhr nicht öfter als 12-mal schlägt und somit nicht mehr als 12 Uhr anzeigt – daran hat sich nichts geändert, auch wenn es heute genau genommen auch »13 Uhr schlagen« kann.

Quellen

Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Band 1, herausgegeben von Lutz Röhrich, Freiburg/Basel/Wien 1991.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Neubearbeitung, Berlin 1983, digitale Fassung: wörterbuchnetz.de. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache: https://www.dwds.de/wb/Uhr (Stand: 07.10.2022).

Duden. Sprachliche Zweifelsfälle. Das Wörterbuch für richtiges Deutsch, Berlin 2021.

Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Ausgabe letzter Hand, Leipzig 1793–1801, digitale Fassung: woerterbuchnetz.de.

Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache, Bd. 2, herausgegeben von Heinz Küpper, Stuttgart 1983.