In der Kürze liegt (nicht immer) die Würze
Vieles, was wir in der Zeitung lesen, hat nicht etwa jemand verfasst, der bei dieser Zeitung angestellt oder als freier Mitarbeiter beschäftigt ist, sondern jemand, der für eine Nachrichtenagentur schreibt. Daran ist zunächst einmal wenig auszusetzen, denn das erspart den Zeitungen, jedes berichtenswerte Ereignis selber journalistisch aufbereiten zu müssen. Insbesondere bei Kurzmeldungen ist es hilfreich, auf vorhandenes Material zurückgreifen zu können. Allerdings ist es gang und gäbe, dass das Agenturmaterial nicht einfach wiedergegeben, sondern weiter bearbeitet wird. Das kann in zwei Richtungen geschehen: Entweder eine Zeitung (um jetzt nur bei diesem Medium zu bleiben) möchte die Meldung anreichern, hat zum Beispiel noch acht Zeilen mehr Platz, als die Ausgangsmeldung umfasst, und was dergleichen praktische Zwänge mehr sind. Oder aber für die Meldung in ihrer ursprünglichen Form ist zu wenig Platz, dann kann man sie nach Gutdünken eines verantwortlichen Redakteurs auch kürzen. Dabei ist jedoch eine gewisse Sorgfalt geboten, denn bei beiden Verfahren können Anschlussfehler unterschiedlicher Art entstehen.
Ein Ereignis, das in den Medien große Aufmerksamkeit erfuhr, war die Schwangerschaft der Herzogin Catherine von Cambridge, vermutlich nach wie vor besser bekannt als Kate, der Gattin von Prinz William. Und nun konnte man zu diesem Thema in der ja nicht als Boulevardmedium bekannten FAZ auch etwas lesen, wenngleich nur eine ganz kurze Meldung, die in dieser Form mutmaßlich einer Kürzung zum Opfer gefallen ist. Der Kern der 12-zeiligen Meldung lautete: »Die dreißig Jahre alte Kate sei am Nachmittag wegen Schwangerschaftsübelkeit ins Krankenhaus gebracht worden. Königin Elizabeth II. und die königliche Familie seien hoch erfreut.« Nun sind ja in der Tat Ehen in Adelskreisen oft eine heikle Angelegenheit, wenn der blaublütige Nachwuchs darauf besteht, einen Fitnesstrainer, Zirkusdirektor oder eine Kindergärtnerin zu heiraten. Das wird von der Familie durchaus nicht immer gerne gesehen. Manchen solcher Verbindungen ist Glück beschieden, anderen nicht, aber es kommt nun doch wohl üblicherweise nicht vor, dass ein Königshaus offiziell verlautbart: Wir sind glücklich darüber, dass unsere Schwiegertochter an einer ungewöhnlich heftigen Form von Schwangerschaftsübelkeit leidet, oder: Wir sind hoch erfreut darüber, dass sie ins Krankenhaus gebracht wurde. Das ist ganz im Allgemeinen schon mehr als unwahrscheinlich, in diesem speziellen Fall umso mehr, als Catherine sowohl im Volk als auch in der Königsfamilie äußerst beliebt ist. Und selbstverständlich sollte hier zum Ausdruck gebracht werden, dass die Königsfamilie über die Schwangerschaft – also das Herannahen eines Thronfolgers oder einer Thronfolgerin – erfreut ist. Das ist die eine Information. Die zweite Information, der der Ausdruck der Freude nicht gelten sollte, ist die, dass die Schwangere unter zu dieser Zeit unter unangenehmen Begleiterscheinungen ihres Zustands litt. Beide Sachverhalte sollte man aber auch sprachlich sorgfältig voneinander trennen, denn ansonsten entsteht ein wahrlich ungünstiger Eindruck, was das britische Königshaus angeht.
Nicola Frank