Mai 2025
GfdS-Vortrag: KI-gestützte Übertragung von Texten in Leichte Sprache

»Was dürfen wir von Textgeneratoren erwarten – und was nicht? Möglichkeiten und Grenzen der Vertextungsarbeit mit KI am Beispiel von Texten in Leichter Sprache (DIN SPEC 33429)« war der Titel eines Vortrags, den Prof. Dr. Alexander Lasch, TU Dresden, im Mai 2025 für die GfdS gehalten hat. Neben Forschungsschwerpunkten wie Konstruktionsgrammatik und Sprachgeschichte ist Herr Prof. Dr. Lasch auch in der angewandten Linguistik aktiv und beschäftigt sich u. a. mit barrierefreier Kommunikation – ein Thema, das nicht nur mit Blick auf gesetzliche Vorschriften im Bereich verständlicher Sprache immer dringlicher erscheint, sondern verstärkt auch die Frage nach der Ausschöpfung von Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) aufwirft – Stichwort Übertragung von Texten in Leichte oder Einfache Sprache.
Diesbezüglich kritisierte Lasch gleich zu Beginn seines Vortrags den mittlerweile inflationär gebrauchten Ausdruck der Übersetzung in Leichte oder Einfache Sprache; vielmehr handele es sich um eine Transferleistung, bei der Inhalte neu aufbereitet und organisiert werden, um sie verständlicher zu machen.
KI im Bildungsbereich
Unter dem Motto »Verlassen Sie ausgetretene Pfade!« ging Lasch zunächst einleitend auf den Einfluss von KI in der Bildung bzw. Didaktik ein, um die Bedeutung von KI bzw. die rasanten Entwicklungen durch KI in diesem Bereich zu veranschaulichen. Die Quintessenz: Wir dürfen stark davon ausgehen, dass KI Bildungs- und Prüfungsformate zukünftig radikal verändern wird.
In diesem Zusammenhang zitierte Lasch die bereits mehrfach in der Hochschulbildung aufgegriffenen »Rules for Tools« von Prof. Dr. Christian Spannagel der Pädagogischen Hochschule Heidelberg; hierbei handelt es sich um Regeln für den Umgang mit Medien und digitalen Werkzeugen – insbesondere auch mit KI-Tools wie ChatGPT – in Lehrveranstaltungen und im Bildungsbereich.[1] Auch die TU Dresden orientiert sich daran: Lasch zeigte, dass hier die Nutzung von textgenerierenden KI-Systemen wie ChatGPT unter bestimmten Bedingungen des Datenschutzes und des wissenschaftlichen Arbeitens bereits jetzt ausdrücklich erlaubt ist.
Aber auch hinsichtlich der schulischen Bildung verwies Lasch auf die s. E. noch zu wenig beachtete »Handlungsempfehlung für die Bildungsverwaltung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in schulischen Bildungsprozessen« der Kultusministerkonferenz (KMK), die eine ähnliche Richtung vorgibt.[2]
Herausforderungen im Umgang mit KI
In der Schule wie an der Hochschule oder Uni ist der versierte Umgang mit KI als zu fördernde Schlüsselkompetenz mit Blick auf Berufs- und Arbeitszusammenhänge zentral; zudem stehen insbesondere Prüfungen im Interesse, denn die Möglichkeit der Nutzung von KI macht eine gesonderte Überprüfung oder gar die Abschaffung bestimmter Formate notwendig, wenn die Leistung von Lernenden nicht mehr klar nachgewiesen werden kann.
Überleitend zum eigentlichen Thema formulierte Lasch vier Schlüsselfragen im Sinne von Herausforderungen im Umgang mit KI-Textgeneratoren, vor denen wir momentan stehen:
- Performanz: Wie gehe ich mit Generatoren (wie ChatGPT und Google Gemini) um? Was muss ich beachten, wenn ich Generatoren nutze?
- Kompetenz: Wie kann ich gute Prompts entwickeln? Wie kann ich die Ergebnisse von Generatoren transparent dokumentieren und reflektieren?
- Ideengenerator: Wie können mir Generatoren dabei helfen, Ideen oder Fragen zu entwickeln?
- Arbeitshilfe: Haben Generatoren Autorschaftsstatus oder sind es technische Arbeitshilfen?
Ferner gab er einen Überblick über s. E. mehr oder weniger erprobte KI-Textgeneratoren – auch solche, die die Übertragung von Texten in Leichte Sprache unterstützen können; hierzu gehörten ChatGPT und NotebookLM, wobei Lasch die Leistung von NotebookLM für diese Zwecke als wesentlich fortschrittlicher beurteilt.
Problem der geringen Literalität
Die Relevanz der Nutzbarmachung von KI-Tools im Rahmen der Leichte-Sprache-Vertextungsarbeit machte Lasch zunächst noch unter Betrachtung der Ergebnisse der LEO-Studie 2018 deutlich, eine von der Universität Hamburg durchgeführte Studie zur Erfassung der Lese- und Schreibkompetenzen der Deutsch sprechenden erwachsenen Bevölkerung.
In der Studie erfolgte die Einordnung der Lese- und Schreibkompetenz nach sogenannten Alpha-Levels, wobei gut ein Zehntel der erwachsenen Bevölkerung (12,1 % = 6,2 Mio. Erwachsene) in die Alpha-Levels 1 bis 3 einzuordnen war und somit eine geringe Literalität aufwies; diese, so Lasch, äußere sich – wenn überhaupt – im ausschließlichen Erkennen von Buchstaben (Alpha 1), von Wörtern (Alpha 2) oder von Sätzen (Alpha 3).[3]
Anschließend zeigte Lasch die Leichte-Sprache-Übertragung des GfdS-Website-Textes »Die Gesellschaft für deutsche Sprache stellt sich vor«[4], speziell der Textstelle zur Vornamenberatung, mithilfe von NotebookLM, das nach seinen Erfahrungen das derzeit beste Tool für Vorhaben dieser Art darstellt.
Starker Instruktionstext und starker Prompt
NotebookLM ist ein Notiz- und Recherchetool aus der Gemini-Familie von Google, das es ermöglicht, Textdokumente, Websites und sogar Videos zu organisieren, zu analysieren und zu verstehen. Ebendiese Funktion lässt sich für die Leichte-Sprache-Vertextungsarbeit nutzbar machen. So kann in NotebookLM bei der Aufgabenbeschreibung zur Erzeugung des gewünschten Textes (Prompt) auf Textdokumente etc. verwiesen werden. Die Idee ist, einen »Instruktionstext« anzulegen, der alle bisherigen Erkenntnisse, Empfehlungen und Erfahrungen zur Übertragung von Texten in Leichte Sprache umfasst und laufend aktualisiert werden kann.
Lasch arbeitet mit einem Instruktionstext, der auf a) Empirie und b) unterschiedlichen Empfehlungswerken basiert. Zu a) verwies Lasch auf zwei einschlägige Quellen, die wichtige Studienergebnisse im Bereich der Leichten Sprache darlegen: so die Publikation »Leichte Sprache – Kein Regelwerk. Sprachwissenschaftliche Ergebnisse und Praxisempfehlungen aus dem LeiSA-Projkt« (Bock 2018) und die Herausgeberschrift »Leichte Sprache, einfache Sprache, verständliche Sprache« (Bock/Pappert 2023).[5] Zu b) nannte Lasch das interne Empfehlungswerk der Firma VERSO, eine Agentur für barrierefreie Kommunikation, die er als Beirat unterstützt, sowie die erst in diesem Jahr veröffentlichte DIN SPEC 33429 »Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache«[6].
Insofern wäre die Erstellung des Instruktionstextes eher zeitintensiv. Wenn dieser erst einmal steht, könnte ein Prompt etwa so aussehen:
Bitte fasse die Quelle »XY« zusammen. Benutze die Quelle »XY« als Instruktion. Halte dich strickt an die Instruktion.
Im eigentlichen Prompt ist also die Rede von »Zusammenfassung« – nicht aber von »Übertragung in Leichte Sprache«, in dieser Hinsicht kommt der Instruktionstext ins Spiel. Das Google-Tool wird dann bei längeren Ausgangstexten verschiedene Themen identifizieren und die Auswahl eines Themas verlangen, das zusammengefasst werden soll.
Hohe Qualität des Ergebnistextes
Den Text von unserer Website hat NotebookLM sodann – automatisch mit einem definierten Umfang – wie folgt zusammengefasst bzw. in Leichte Sprache übertragen:
Die Gesell·schaft für deutsche Sprache hilft Menschen bei Fragen zu Vor·namen. Das ist eine wichtige Aufgabe der Gesell·schaft. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen und beraten. Sie helfen zum Beispiel Eltern, die einen Namen für ihr Kind suchen. Eltern suchen vielleicht einen Namen mit einer bestimmten Bedeutung oder aus einem besonderen Land. Manchmal wissen Eltern nicht, ob ein Name vom Standes·amt erlaubt wird.
Die Gesell·schaft macht dann ein Gut·achten für das Standes·amt. Dieses Gut·achten sagt, ob der Name einge·tragen werden darf. Die Gesell·schaft kann auch heraus·finden, wie oft ein Name schon ver·wendet wird. Oder sie hilft dabei, Namen mit bestimmten Eigen·schaften zu finden. Man kann auch per·sonal·isierte Vornamen·urkunden bei der Gesell·schaft bestellen. Diese Urkunden sind schön gemacht und sind gute Geschenke. Auf ihnen steht zum Beispiel, woher der Name kommt und was er bedeutet. Diese Urkunden sind anders als die kurzen Gut·achten für die Standes·ämter. Einmal im Jahr ver·öffent·licht die Gesell·schaft die Liste mit den beliebtesten Vor·namen in Deutsch·land.
Ohne im Rahmen des Vortrags eine detailliertere Analyse vorgenommen zu haben, konstatierte Lasch, dass der Ergebnistext bereits eine hohe Qualität aufweise. Allerdings sei eine Nachbearbeitung durch den Menschen, Stand heute, immer noch notwendig. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der kompetente Einsatz von KI-Textgeneratoren zur Übertragung von Texten in Leichte Sprache bereits jetzt eine Produktivitätssteigerung bedeuten kann.
Angesichts der rasanten Entwicklungen seit der Veröffentlichung vonChatGPT auch im Bereich verständlicher Sprache geht Lasch davon aus, dass KI-Textgeneratoren zukünftig immer bessere Leichte-Sprache-Übertragungen generieren werden. Ob der Mensch hier überflüssig wird, bleibt abzuwarten.
[1] Handreichung online verfügbar, z. B. unter https://www.uni-giessen.de/de/fbz/zentren/hd/projekte/hessenhub/ki/ki_tabs/rulesfortools_prof-spannagel.pdf.
[2] Online verfügbar unter https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2024/2024_10_10-Handlungsempfehlung-KI.pdf.
[3] Umfangreiche Informationen zu Studiendesign und Ergebnissen online verfügbar unter https://leo.blogs.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/2022/09/LEO2018-Presseheft.pdf.
[4] Siehe https://gfds.de/die-gesellschaft-fuer-deutsche-sprache-stellt-sich-vor/.
[5] Die genannten Quellen finden Sie auch in unserer Auswahl-Bibliographie unter https://gfds.de/bibliographie-leichte-und-einfache-sprache/.
Anmerkung der Redaktion: Die ursprünglich von Lai(inn)en formulierten Regeln für Leichte Sprache wurden mittlerweile teilweise in Frage gestellt – das betrifft etwa die Negation oder den Gebrauch des Genitivs. Zugrunde liegen Ergebnisse aus Studien mit Zielgruppen der Leichte Sprache.
[6] Es handelt sich nicht um eine Norm. Entwurf kostenlos bestellbar unter https://www.dinmedia.de/de/technische-regel-entwurf/din-spec-33429/364785446.