3. März 2025
Kleines Lexikon Krieg und Sprache: Israel–Palästina

Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist mit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 in ein weiteres Stadium der Auseinandersetzung eingetreten. An ihm zeigt sich, dass der Sprachraum Krieg weiter die weltweiten und öffentlichen Diskussionen mitbestimmt. Eine besondere Qualität erhält der Nahostkonflikt durch die Tatsache, dass nicht nur Kriegs- und Konfliktwörter auftauchen (Irregulärer Kämpfer), sondern auch Begriffe aus der Umgangssprache (Abi-Party) bzw. des alltäglichen politischen Diskurses (Fördergeld-Affäre) an diesen Sprachraum heranrücken. Die GfdS will in diesem Zusammenhang erneut einen konstruktiven Beitrag zur Dokumentation und Information in diesem Bereich leisten.
Auf dieser Seite werden wir wöchentlich weitere Wörter veröffentlichen. NEU am 15.04.2025: die Buchstaben N, O, P und Q.
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Daten und Zahlen
1. April 2024, der:
1. Israel verübt einen Luftangriff auf das iranische Konsulat der syrischen Hauptstadt Damaskus. Unter den 16 getöteten Personen befand sich auch der hochranginge Offizier der iranischen Streitkräfte (sog. Islamische Revolutionsgarde) Mohammad Reza Zahedi.
2. Hintergrund des Angriffs ist die Verstärkung israelischer Attacken auf iranische > Proxys seit dem Angriff der > Hamas auf Israel am > 7. Oktober 2023. Dies gilt insbesondere auch für die in Syrien und im Libanon ansässige > Hisbollah.
7. Oktober 2023, der:
1. Tag des terroristischen Angriffs der > Hamas auf Israel. Bei diesem vom > Gazastreifen aus verübten Überfall wurden die Sperranlagen zwischen Israel und Gaza überwunden, anschließend wurden zahlreiche Massaker in > Kibbuzim und israelischen Städten verübt. Nach israelischen Angaben kamen insgesamt 1.139 Menschen ums Leben (Zivilistinnen und Zivilisten: 695, israelische Sicherheitskräfte: 373, ausländische Personen: 71), 5.400 wurden verletzt. Ferner wurden während des Angriffs 240 Menschen von der Hamas als > Geiseln nach Gaza verschleppt.
2. Am 17.07.2024 veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch[1] eine Analyse der für den Terrorangriff des 7. Oktober 2023 verantwortlichen Gruppen. Diese wurden sowohl anhand von Bekennerschreiben, Stirnbändern, Befragungen von Augenzeugen sowie Angehörigen von Opfern als auch anhand von zahlreichen Fotos und Videos identifiziert.

13. auf den 14. April 2024, der:
1. In dieser Nacht fand erstmals in der Geschichte ein direktes Bombardement auf Israel durch den Iran statt. Dabei wurden rund 30 Marschflugkörper, 120 ballistische Raketen sowie etwa 170 > Kamikaze-Drohnen abgefeuert. In den Medien ist bzgl. der Anzahl von den > »300« die Rede. Die Luftverteidigung gelang a) durch den > Iron Dome sowie b) durch eine internationale Allianz weiterer Staaten.
2. Der Angriff gilt als Reaktion des Irans auf das Bombardement Israels auf ein iranisches Konsulat in Syrien am > 1. April 2024.
3. Im Ergebnis konnten durch 1a) und b) rund 99 Prozent der Drohnen und Raketen abgefangen werden.
14. Mai 1948, der:
1. An diesem Tag um Mitternacht endete das britische > Mandat über Palästina.
2. Ebenfalls an diesem Tag proklamierte der spätere erste Premierminister Israels David Ben-Gurion (gebürtig: David Josef Grün, 16.10.1886–01.12.1973) den heutigen Staat Israel. Da das Datum auf einen Freitag fiel und damit auf den Beginn des Sabbats, verkündete Ben-Gurion die Staatsgründung bereits um 16 Uhr. Der Sabbat ist laut den zehn Geboten ein Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet werden darf, und beginnt jeweils mit dem Sonnenuntergang.
300 (Ziffer des Zahlwortes dreihundert):
1. Fiktionalisierte US-amerikanische Verfilmung (2006) des Kampfes der Spartaner gegen König Xerxes. Hierbei stellen sich 300 Spartiaten unter Führung von König Leonidas in der Landenge der Thermopylen heroisch der übermächtigen Streitmacht von Persiens Großkönig entgegen. Die an die Form des Comic angelehnte Inszenierung von Mut und Gewalt wurde international widersprüchlich aufgenommen.
2. Medial geformte numerische Größe, die in gerundeter Form die Anzahl der Drohnen und Raketen beziffert, welche vom > 13. auf den 14. April 2024 vom Iran auf Israel abgeschossen wurden.[2]
[1] https://www.hrw.org/report/2024/07/17/i-cant-erase-all-blood-my-mind/palestinian-armed-groups-october-7-assault-israel.
[2] Vgl. etwa: Münch, Peter (2024): »Todesgrüße aus Teheran«. In: Süddeutsche Zeitung 87 v. 15.04., S. 3. Koelb, Susanne, Christoph Reuter, Thore Schröder und Bernhard Zand (2024). »Die Logik der Eskalation«. In: Der Spiegel 17 v. 20.04., S. 8-13.
A
Abi-Party, die:
1. Im Anschluss an alle erfolgreich abgelegten Abiturprüfungen erfolgende Feier, die das Erlangen der bestandenen Allgemeinen Hochschulreife dokumentiert. Diese wird oftmals mit den Lehrkräften wie auch Familienmitgliedern – unter Begehung diverser Abi-Streiche – abgehalten.
2. Das Gymnasium Tiergarten in Berlin sagte die für den 05.07.2024 geplanten Abiturfeierlichkeiten ab. Grund hierfür: Etwa 50 Schülerinnen und Schüler hatten sich per WhatsApp zusammengeschlossen, um am Tag der Feier eine massive propalästinensische Protestaktion auszuführen, bei der auch Ausschreitungen »nicht ausgeschlossen« werden könnten.[1]

abrahamitische Religionen, die:
1. Bezeichnung für die drei monotheistischen Religionen, die sich in ihrer Genealogie auf Abraham (Judentum, Christentum) bzw. Ibrahim (Islam) als Stammvater berufen.
2. Vertreter aller drei abrahamitischen Religionen sind unter historischer Perspektive eine beteiligte Partei in dem > Multikonflikt Mandatsunterteilung Palästinas) der Auseinandersetzung zwischen Israel und Palästina, die sich in dem widersprüchlichen Verhalten Großbritanniens nach dem Ersten Weltkrieg ausdrückt (> Balfour-Deklaration, > Hussein-McMahon-Korrespondenz, Sykes-Picot-Abkommen).
3. Über die Frage nach der einen und wahren monotheistischen Religion ist in der Zeit- und Kulturgeschichte kontrovers gerungen worden. Eine mögliche Interpretation aus literarisch-philosophischer Perspektive bietet die Ringparabel des Dichters Gotthold Ephraim Lessing.

Adidas:
Sportartikelhersteller aus Deutschland mit internationaler Präsenz, der das Sneaker-Modell »SL 72« auf den Markt brachte, das von seinem Design an die > Olympischen Sommerspiele von 1972 in München erinnern soll. Diese waren überschattet von einem Attentat der palästinensischen Terrororganisation »Schwarzer September« auf die israelische Mannschaft, von der elf Teilnehmer getötet wurden. Der Schuh wird zudem u. a. von dem Model Bella Hadid beworben. Die israelische Botschaft verweist in einem Post auf X auf Israel-kritische Aktivitäten Hadids und fragt nach einer diesbezüglichen Kommentierung durch den Sportartikelhersteller.

Advisory Opinion:
Das Gutachten eines Gerichts, wie etwa des > Internationalen Gerichtshofes (IGH), welches juristische Rechtsfragen klären und kommentieren soll, um in der Folge Empfehlungen auszusprechen. Diese sind jedoch für keine Partei bindend. Im Falle der A. des IGH genießen diese allerdings eine hohe internationale Wertschätzung.
Affront, der:
1. Eine (willentlich und wissentlich) durch Worte oder Taten herbeigeführte öffentliche Beleidigung/Kränkung einer Person, einer Gruppe, eines Landes o. Ä.
2. Der israelische Minister für öffentliche Sicherheit des Regierungskabinetts VI von Benjamin Netanjahu, Itamar Ben-Gvir, hat am 18.07.2024 mit einem Gebet auf dem Tempelberg in Jerusalem für einen A. gesorgt. Dieser resultiert aus zwei Argumenten. Zunächst ist Ben-Gvir a) Vorsitzender der rechtsextremen und nationalistischen Partei Otzma Yehudit. In seiner Regierungsfunktion drohte Ben-Gvir mehrfach mit seinem Austritt, sofern Ministerpräsident Netanjahu einem Abkommen mit der > Hamas zum Zweck der Geiselbefreiung zustimmen würde, die wiederum den Krieg beenden könnte. Ferner ist b) der Tempelberg sowohl für Muslime (al-Aqsā-Moschee, Felsendom) als auch für Juden (zwei ehem. Jerusalemer Tempel) ein heiliger Ort. Dabei gilt die Vereinbarung, dass Juden den Ort besuchen, nicht jedoch dort beten dürfen. Dies verstärkt die Brisanz des A. von Ben-Gvir, da dieser in einem auf X veröffentlichten Video für die Rückkehr der Geiseln bete, »ohne einen leichtsinnigen Deal, ohne Kapitulation«.[2]
3. Einen mutmaßlich versehentlichen A. beging die Firma > Adidas mit der Marketingkampagne eines Sneakers, der an die > Olympischen Sommerspiele 1972 erinnern sollte.
Aid Worker Security Database (kurz: AWSD):
1. Internationale und forschungsbasierte Sammlungs- und Publikationsplattform (https://www.aidworkersecurity.org/) mit Informationen über gravierende Sicherheitsvorfälle in Krisen- und Kriegsgebieten, die durch vorsätzliche Gewalt gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen gekennzeichnet sind. Laut New York Times gilt die AWSD als globale Referenz für a) die Dokumentation quantitativer Nachweise zur Bewertung der Sicherheitslage in spezifischen Gebieten. Sie bietet b) die Grundlage der Beurteilung von Trends bei spezifischen Sicherheitsbedrohungen. Ihre Daten sind regelmäßig das argumentative Fundament in politischen Debatten und offiziellen Erklärungen (z. B. Vereinte Nationen).
2. So dokumentiert die A. seit dem > 7. Oktober 2023 für den Israel-Palästina-Konflikt: »338 Helfer seien Opfer der IDF-Angriffe geworden […]. 259 Helfer starben während der Arbeit – oft in Gebieten, die dem UN-Nothilfebüro OCHA zufolge nicht als Hochrisikogebiet gelten«.[3]
Amicus-Curiae-Brief, der:
1. (lat. Freund des Gerichts) Bezeichnung eines Schreibens, dass im Rahmen einer anhängigen juristischen Frage dem entscheidenden Gericht unverbindlich relevante Informationen oder Sachverhaltsinterpretationen zu dessen Entscheidungsfindung zur Verfügung stellt. A. (z. B. zu gerichtlich bestellten Gutachtern) sind nicht auf die zu verhandelnde Sache beschränkt und müssen nicht unparteiisch sein.
2. Am 26.07.2024 wurde nach übereinstimmenden Medienberichten bekannt, dass Deutschland ein Amicus-Curiae-Schreiben versandt hat. Dieses erging an den > Internationalen Strafgerichtshof (3.) (IStGH) vor dem Hintergrund des gegen Benjamin Netanjahu beantragten Haftbefehls. Die Richterinnen und Richter in Den Haag haben darüber zu entscheiden, ob dieser Haftbefehl tatsächlich erlassen wird. Auch wenn der konkrete Inhalt des Briefes geheim ist, sickerte durch, dass nach Meinung der Bundesregierung der Internationale Strafgerichtshof juristisch gar nicht zuständig für Benjamin Netanjahu sei. Berlin argumentiert, »dass schon die innerstaatliche israelische Justiz so gut arbeite, dass für den Internationalen Strafgerichtshof gar keine Arbeit mehr übrig bleibe.«[4] Insgesamt haben 20 Staaten Amicus-Curiae-Briefe an den IStGH in dieser Causa versendet; die letzte Frist für eine Einsendung endete am 06.08.2024.
Armageddon, das:
1. Biblischer Ort (Offenbarung des Johannes, 1,1) im Neuen Testament, an dem die alles entscheidende Schlacht zwischen Gut und Böse entschieden wird.
2. Umschreibung für die Gefahr, dass sich die Auseinandersetzung zwischen Israel und Palästina zu einem unkontrollierbaren, ggf. auch atomaren Krieg mit dem Iran und seinen > Proxys ausweitet. Dabei wird befürchtet, dass im Gefolge einer solchen Auseinandersetzung eine unvermeidbare Sogwirkung (Russland und China als Partner Irans vs. die USA als Partner Israels) für eine Weltkrise (Gefährdung globaler Ölversorgung, Störung des Welthandels) entsteht, die schlimmstenfalls einen apokalyptischen Weltkrieg heraufbeschwört.

[1] https://www.spiegel.de/panorama/bildung/berlin-gymnasium-sagt-abitur-feier-ab-wegen-pro-palaestina-protests-a-036a9d25-ae0f-4c86-8962-1dd0c4527c50.
[2] https://www.spiegel.de/ausland/israel-polizeiminister-itamar-ben-gvir-empoert-erneut-mit-tempelberg-besuch-a-8c65828b-7f76-48a4-ab4c-b60ed6204b50.
[3] Heubl, Ben, Léonard Kahn und Dunja Ramadan (2024). »Helfer im Fadenkreuz«. In: Süddeutsche Zeitung 160 v. 13./14.07., S. 9.
[4] Steinke, Ronen (2024). »Ein gutes Wort für einen guten Freund«. In: Süddeutsche Zeitung 171 v. 26.07., S. 2.
B
Balfour-Deklaration, die:
Namensgeber der am 02.11.1917 abgegebenen Erklärung ist Arthur James Balfour (25.07.1848–19.03.1930), der von 1902 bis 1905 britischer Außenminister war. Darin sichert Großbritannien dem jüdischen Volk zu, der Gründung einer »nationale[n] Heimstätte« für sie aufgeschlossen gegenüberzustehen. Unklar blieb darin jedoch, wo diese geografisch verortet sein soll.
Bauernopfer, das:
1. Bestandteil einer metaphorischen, aus dem Schachspiel genährten Redensart, bei der i. d. R. eine strategisch minderwertigere Spielfigur zugunsten einer höherrangigen geopfert wird.
2. Am 16.06.2024 versetzte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihre Staatssekretärin Sabine Döring (hier: das Bauernopfer [Ministerin vs. Staatssekretärin]), weil diese in der sog. > Fördergeld-Affäre mutmaßlich die Prüfung des Entzugs öffentlicher Forschungsgelder initiiert haben soll.

Berlinale, die:
Die 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin (kurz: Berlinale) fanden vom 15.02.–25.02.2024 statt. Hier kam es zu Beginn und am Ende der Veranstaltung zu diversen Vorkommnissen, die im Zusammenhang mit dem aktuellen Israel-Palästina-Konflikt stehen. So trugen verschiedene Gäste zu Beginn der Veranstaltung auf dem Roten Teppich > Kufiyas. Verschiedene Preisträger schlossen sich während der Preisverleihung in unterschiedlichen Formen einseitig der Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung an. Kritisiert wurde in der Folge, dass »eine der wichtigsten Kulturveranstaltungen in Deutschland für ideologische Hetze gegen Israel und Juden missbraucht«[5] werde. Die Kritik betraf dabei auch die mutmaßlich unkritische Berichterstattung der ARD sowie die Frage, »warum niemand den Rednern auf der Bühne widersprochen hat, als Begriffe wie ›Apartheid‹ und ›Genozid‹ fielen«[6] – insbesondere auch nicht die Hausherrin der Veranstaltung, Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Diese formulierte ihre Missbilligung der Einseitigkeit der Stellungnahmen erst nachträglich, obwohl sie selbst Teilnehmerin der Filmfestspiele war.

»Brennt Gaza, brennt Berlin«:
Ein in Berlin verwendeter Slogan der Gewaltandrohung in Form einer Wenn-dann-Logik. Dieser stand u. a. an der Schulwand des Gymnasiums Tiergarten in Berlin; jener Schule, welche ihre geplante > Abi-Party absagte, da Schülerinnen und Schüler eine propalästinensische Protestaktion ankündigten. Ebenso wurde der Slogan bereits im Mai 2024 »an der Fassade des Rathauses Tiergarten entdeckt; einen Monat später schrieben ihn bisher unbekannte Täter an eine Außenwand der Parteizentrale der SPD in Kreuzberg«.[7]
Büchsenspanner, der:
1. Alter Beruf; der B. reichte einem Jäger/Schützen eine schussbereite Waffe (Jagdgewehr), um dessen Schussfrequenz zu erhöhen. Der B. ging aus dem Beruf des Armbrustspanners hervor.
2. Häufig im politischen Kontext übertragene Bedeutung eines willfährigen (ggf. ideologisch verhärteten) Helfers/Handlangers.
3. Das Regierungskabinett des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gilt als das am meisten religiös geprägte und politisch rechtsstehende in der Geschichte Israels. Rechtsextreme und ultraorthodoxe Regierungsmitglieder versuchen wiederholt, oppositionelle Meinungen zu diskreditieren: »Netanjahu und seine Büchsenspanner werden Gantz mit dem Vorwurf jagen, Verrat begangen und mitten im Krieg das Land gespalten zu haben.«[8]
[5] Blazekovic, Aurelle von, Laura Hertreiter, Marlene Knobloch und Susan Vahabzadeh (2024). »Habt ihr gut geschlafen?« In: Süddeutsche Zeitung 48 v. 27.02., S. 9.
[6] Häntzschel, Jörg (2024). »Na, bravo«. In: Süddeutsche Zeitung 49 v. 28.02., S. 9.
[7] Heidtmann, Jan (2024). »Brennt Gaza, brennt die Schule«. In: Süddeutsche Zeitung 163 v. 17.07., S. 6.
[8] Münch, Peter (2024): »Ein Mann und sein Wort«. In: Süddeutsche Zeitung 131 v. 10.06., S. 4.
D
Diaspora, die:
(Griech. diasporá ›Zerstreuung‹). Existenz einer (religiösen, ethnischen o. ä.) Minderheit in einem nicht der historischen Herkunft entsprechenden Land. Für die Zerstreuung der Jüdinnen und Juden in aller Welt gilt diese Vorstellung in besonderem Maße, da sie als Gegenentwurf zur D. das Gelobte Land Israel als Bezugspunkt ihrer historisch-geografischen Identität verstehen.
Dilemma, das:
1. Beschreibt die Situation einer Lösungssuche, bei der zwei Möglichkeiten eines Lösungsansatzes entweder als gleichermaßen gut, meist jedoch schlecht und damit als unbefriedigend bzw. unzulänglich empfunden werden (auch: Zwickmühle, sprichwörtlich: Die Wahl zwischen Pest und Cholera). Drei mögliche Lösungswege gelten als Trilemma, mehr als drei als Polylemma.
2. Politische Lage des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu: Innenpolitisch muss dieser a) die ultrakonservativen Kräfte seiner Regierung bedienen, ohne die er sich nicht an der Macht halten könnte. Außenpolitisch ist er b) auf die militärische Unterstützung der US-Regierung angewiesen. Hierbei wiederum formulierte der ehemalige demokratische US-Präsident Joe Biden z. T. diametrale Forderungen (so etwa die Verweigerung von Waffenlieferungen vor dem Hintergrund der humanitären Lage der palästinensischen Bevölkerung in Gaza), die dessen (zur Wiederwahl dringend benötigten) Wählerklientel (z. B. junge Akademikerinnen und Akademiker) an Biden stellten.
3. Der am 20.04.2024 vom > Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beantragte internationale Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bedeutet für Deutschland einen Interessenskonflikt. Einerseits zählt der besondere Schutz der Interessen Israels (und damit die Unterstützung der amtierenden Regierung) zur Staatsräson deutscher Außenpolitik. Andererseits unterstützt Deutschland auch uneingeschränkt die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs und müsste diesen im Fall eines Besuchs Netanjahus in Deutschland auch vollstrecken.
4. Politische Lage des ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden. Die Vereinigten Staaten sind ein traditioneller Unterstützer Israels und lassen dem Land vielfältige Hilfe in Form von Geheimdienstinformationen oder Waffen zukommen. Gleichzeitig hatte Biden die Präsidentschaftswahlen im November 2024 zu berücksichtigen. Hier sind es speziell die für ihn relevanten (und mit diametralen Interessen versehenen) Wählergruppen der jüdischen und muslimischen Menschen in Amerika, die er durch sein außenpolitisches Handeln für seine Wiederwahl zu gewinnen suchte.
Dreieck, das:
1. Geometrisches Figur (auch: Polygon) mit einfachsten, in der Ebene geschlossenen Linienzügen.
2. In verschiedensten Bereichen (Mathematik, Geografie, Verkehr, Politik, Religion u. v. a. m.) verwendetes Symbol mit unterschiedlichsten Bedeutungsinhalten.
3. a) Ein mit der Spitze nach unten gerichtetes rotes Dreieck wird als Symbol von der Terrororganisation Hamas verwendet, um Feinde und Mordopfer – insbesondere Jüdinnen und Juden – als Angriffsziele zu markieren. Dadurch wurde dieses spezifische D. zum Gegenstand der Diskussion, dass dessen Verwendung gemäß § 86 a StGB strafbar sein müsse. Dieses Anliegen gestaltet sich b) vor dem Hintergrund der Rechtsgüterabwägung (§ 86 a StGB vs. Art. 5 GG zur > Meinungsfreiheit (2.)). Darüber hinaus ist c) zu bedenken, dass ein solches D. im Nationalsozialismus das Zeichen für politisch inhaftierte KZ-Häftlinge war. Die Überlebenden und Zeitzeugen verwenden dieses Symbol seit dem Ende des Krieges als Zeichen ihres Widerstands gegen politische Unterdrückung und Willkür sowie auch gegen Antisemitismus »und alles, wofür die Hamas stehe«.[11]
Drop-Zone, die:
1. Engl. für ›Abwurfzone/Abwurfbereich‹. Bezeichnet eng definierte Landmarken im Gazastreifen, um dort durch Flugzeuge wie einer > Lockheed C-130 Hercules zielgenau > Hilfsgüter für die notleidende palästinensische Bevölkerung abwerfen zu können.
2. Als D. fungieren möglichst wenige Gebiete bzw. unbesiedelte Gebiete wie Küstenabschnitte. Damit soll das Risiko minimiert werden, dass die gut eine Tonne schweren Hilfsgüterlieferungen im Falle eines Fallschirmversagens ungebremst auf dem Boden einschlagen und Menschen erschlagen: »Anfang März wurden durch einen Abwurf fünf Menschen getötet. […] Gerade erst sagten die USA einen Flug aus Sicherheitsgründen ab. Beim Überflug stellten die Piloten fest, dass ihre Abwurfzone – anders als auf den vorher studierten Satellitenbildern – keine Freifläche mehr war, sondern eine neu errichtete Zeltstadt für Flüchtlinge.«[12]
Dual-Use-Güter, die:
Engl. für Güter mit doppeltem Verwendungszweck:
1. Geräte, Waren und Technologien (einschl. Software), die sowohl für den zivilen als auch den militärischen Gebrauch einsetzbar sind.
2. Was zu den D. gehört, wird a) von internationalen Kontrollgremien in Aufstellungen zusammengefasst (z. B. Werkstoffe, Chemikalien, Telekommunikationsgeräte, Rechner, Elektronik) oder b) von einer Kriegspartei (z. T. willkürlich) festgelegt (wie etwa Sauerstoffflaschen, Krücken, Kinderspielzeug).
3. D. dürfen im Nahost-Konflikt nicht in den Gazastreifen eingeführt werden. Diese Richtlinie erfordert umfangreiche und zeitintensive Kontrollen an den Grenzübergängen. Findet sich beispielsweise auch nur ein Gegenstand auf der Ladung eines Lastwagens, wird i. d. R. die gesamte Lieferung abgewiesen.
[11] Steinke, Ronen (2024). »Dreieck mit Geschichte«. In: Süddeutsche Zeitung 160 v. 13./14.07., S. 1.
[12] Schweikle, Sina-Maria (2024). »Unterwegs zur Drop-Zone-28«. In: Süddeutsche Zeitung 72 v. 26.03., S. 3.
E
Erzfeind, der:
1. Durch das Anfügen der Vorsilbe (fachspr. Präfix) Erz- (altgr. ›Führung‹, ›an der Spitze stehend‹) an das Wort Feind erhält dieses eine bedeutungstechnische Steigerung/Verstärkung (fachspr. Augmentativbildung, wie auch bei Un- oder Maxi-). Diese Überhöhung i. S. v. ›der Erste/Höchste von‹ zeigt sich in Begriffen wie Erzengel, Erzbischof oder Erzherzog.
2. Die Beziehung zwischen Israel und dem Iran wird als Erzfeindschaft bezeichnet. Diese begann mit der Rückkehr von Ayatollah Khomeini (1902–03.06.1989) aus seinem französischen Exil nach Teheran am 01.02.1979 und der damit verbundenen Errichtung einer Islamischen Republik im Iran.
Eurovision Song Contest (ESC), der:
1. Seit 1956 jährlich stattfindender Musikwettbewerb, der einmal jährlich von der Europäischen Rundfunkunion (European Broadcasting Union, EBU) veranstaltet wird.
2. 2024 fand der 68. ESC vom 7. bis 11. Mai im schwedischen Malmö unter dem Motto »United by Music« (›Vereint durch Musik‹) statt.
3. Durch den Krieg zwischen Israel und Palästina wurden im Vorfeld des ESC 2024 Stimmen laut, welche die Teilnahme Israels unterbinden wollten. Am 9. Mai kam es in Malmö zu einer Demonstration mehrerer tausend Menschen, welche die Teilnahme Israels zu verhindern suchten. Darunter befand sich auch die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg.
4. Während der ESC-Veranstaltung kam es zu direkten und indirekten Verurteilungen Israels durch Besucher/-innen, Künstler/-innen und Sendeanstalten.
5. Die Auftritte der israelischen Sängerin Eden Golan wurden neben besonders lautem Jubel auch von Buhrufen begleitet. Sie belegte im Finale mit 375 Gesamtpunkten den fünften Platz mit dem Lied »Hurricane« (›Hurrikan‹).
6. Der deutsche Sänger des ESC, Isaac, erklärte: »Mir wird vorgeworfen, wenn ich den ESC nicht boykottiere, sei ich Mittäter am Genozid in Gaza […]. Jetzt reißt euch mal zusammen, Leute […]. Wir sind einfach nur ein paar Dudes, die sich hier treffen und Musik machen. Der Titel der Veranstaltung ist ›United by Music‹.«[13]

[13] Rühle, Alex (2024). »Ein bisschen Frieden«. In: Süddeutsche Zeitung 108 v. 11./12.05., S. 3.
F
Falke, der; Falken, die:
1. Nahezu weltweit vorkommender Raubvogel.
2. In der Wortverbindung »Falken und Tauben« sind mit Falken die Vertreterinnen und Vertreter einer unnachgiebigen bis konfrontativen Handlungsalternative (sog. Hardliner) gemeint.
3. Während der Kubakrise im Oktober 1962 sprachen sich die Falken (Militärs im Verteidigungsministerium) für direkte Luftangriffe aus (mit dem hohen Risiko eines atomaren Weltkriegs), wohingegen die Tauben (Vertreter des Außenministeriums) für eine Seeblockade votierten.
4. In Israel gelten jene (im rechten Spektrum angesiedelten) Parteien als Falken, die das Prinzip »Frieden für Frieden« vertreten. Diese Formulierung verdeckt jedoch, dass diese Fraktion das Bestreben vorantreibt, viele bis nahezu alle besetzten Gebiete (> Gazastreifen, Westjordanland [vgl. auch Siedlungsbau]) langfristig vollständig zu annektieren.

Fatah, die:
Eine politische Partei, die formal für die palästinensischen Autonomiegebiete Gazastreifen und Westjordanland verantwortlich ist. Ihr Ziel ist die Errichtung eines demokratischen Staates Palästina. Politisch wird sie als säkulare, sozialdemokratische Kraft eingeordnet, die eine Zweistaatenlösung anstrebt.
Feigenblatt, das:
1. Blatt des Feigenbaums, der zu den ältesten domestizierten Pflanzen zählt.
2. Biblisches Symbol für die Erkenntnis von Nacktheit und Scham: Nach dem Sündenfall Adams und Evas bedeckten diese ihre Geschlechtsteile mit einem Feigenblatt (Gen 3,7).
3. Ein in der Kunst (oft auch nachträglich) genutztes Gestaltelement, um die Blöße von Figuren zu überdecken. So etwa in der Darstellung des »Jüngsten Gerichts« von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle (bei deren letzten Restaurierung weitestmöglich zurückgenommen).
4. Metaphorischer Ausdruck für eine Person oder einen Sachverhalt, die bzw. der eine (oft moralisch fragwürdige) Entscheidung verdecken soll (vgl. auch > Bauernopfer). Überwiegend handelt es sich dabei um abwertende (pejorative) Vorgänge oder Entscheidungen.
5. Bezeichnung für den israelischen Oppositionspolitiker Benny Gantz, der dem > Kriegskabinett angehört. Dessen Berufung in dieses Gremium dient dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als lediglich vordergründige Möglichkeit einer breiteren Legitimation seiner Kriegsführung: »Was ein Rückzug von Gantz allerdings bringen würde, ist Klarheit – für die Israelis und für die Welt. Denn ohne Gantz als Feigenblatt ist deutlich zu erkennen, dass Netanjahu auf israelischer Seite allein verantwortlich ist für diesen Krieg, der seinen Sinn und sein Ziel verloren hat.«[14]
Fingernägel, die:
1. Farblose Keratinplatten am Ende der Oberseite aller zehn Finger (und Fußzehen). Sie unterstützen die Fingerfunktionen des Greifens und Haltens, indem sie durch Kratzen oder Kneifen/Abkneifen das mechanische Handlungsspektrum der Hand erweitern.
2. Mittel zur Verteidigung: Nachdem der ehemalige US-Präsident Joe Biden Anfang Mai 2024 Israel mit dem Stopp von Waffenlieferungen gedroht hat, falls Benjamin Netanjahu die Stadt Rafah in Gaza angreifen würde, ließ der israelische Ministerpräsident verlauten: »Wenn wir allein bestehen müssen, dann werden wir allein bestehen. Ich habe es bereits gesagt, dass wir notfalls mit unseren Fingernägeln kämpfen werden.«[15]

Flächenbrand, der:
1. Großflächiges Feuer (Steigerungsform eines lokalen Brandes), welches das Potenzial einer unkontrollierbaren Zerstörungskraft beinhaltet.
2. Metaphorische Bezeichnung eines Konflikts, der sich z. B. von einer Krise innerhalb eines Landes (oder einzelner Länder) zu einer internationalen Auseinandersetzung entwickelt.
3. Beschreibung der Gefahr, dass sich der Krieg zwischen Israel und Palästina durch eine offene und direkte Beteiligung des Irans und seiner > Proxys zu einem F. ausdehnen könnte, der in einem > Armageddon endet: »Seit dem Hamas-Terrorüberfall am 7. Oktober liegt sein [ehemaliger US-Präsident Joe Biden, d. Verf.] Hauptaugenmerk darauf, die Ausweitung des Gaza-Kriegs zum regionalen Flächenbrand zu verhindern.«[16]

Fördergeld-Affäre, die:
Ausgangspunkt der F. war die Räumung von propalästinensische Protestcamps an der HU Berlin. In der Folge dieses Einschreitens haben hunderte Lehrende einen offenen Brief verfasst, in dem sie die Protest- und Meinungsfreiheit der Studierenden verteidigten. Dieses Schreiben wiederum veranlasste das Wissenschaftsministerium unter Leitung von Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), einen Prüfauftrag einzuleiten. Dieser sollte klären, ob die Unterzeichner strafrechtlich oder förderungsrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können. Mutmaßlich sollte auch geklärt werden, ob die Fortführung laufender oder die Bewilligung zukünftiger Wissenschaftsanträge auf Forschungsförderungsmittel davon abhängig gemacht werden kann, ob sich die Forscherinnen und Forscher an dem offenen Brief beteiligten (ohne damit gleichzeitig inhaltlich mit den Forderungen der Protestierenden explizit übereinzustimmen). Damit wird jedoch unmittelbar der Aspekt der Wissenschaftsfreiheit berührt, auf den in einem weiteren Schreiben nahezu dreitausend Hochschullehrer/-innen hinwiesen – mit der gleichzeitig gestellten Forderung, die verantwortliche Ministerin Bettina Stark-Watzinger müsse zurücktreten. Die Rücktrittsforderung wies die Ministerin zurück und entließ (nach Meinung verschiedener Medien wie auch der Opposition als > Bauernopfer) ihre Staatssekretärin Sabine Döring.

Friedenskonferenz, die:
Meint hier die Pariser Friedenskonferenz vom 18.01.1919 bis 21.01.1920, welche zwischen den Siegern des Ersten Weltkriegs stattfand, um verschiedene territoriale, militärische oder reparatorische Bestimmungen (in den sog. Pariser Vorortverträgen; so auch mit Deutschland im Versailler Friedensvertrag) zu gestalten. Im Vertrag von Sèvres wurden die heute für Israel und Palästina relevanten Nachfolgereglungen für das Osmanische Reich geregelt. Palästina fiel damit unter die britische (Mandats-)Verwaltung.
Friedensplan, der:
1. Bezeichnet das Vorhaben, eine kriegerische Auseinandersetzung verfeindeter Parteien durch a) eine strukturierte Abfolge von Lösungsschritten sowie durch b) für die involvierten Staaten annehmbare Bedingungen (idealerweise) langfristig zu befrieden. Diese Bedingungen können
2. von a) den kriegsführenden Parteien ausgearbeitet werden. Möglich ist auch, dies durch b) unbeteiligte (neutrale) Vermittlerpersönlichkeiten oder -staaten zu bewerkstelligen.
3. Am 31.05.2024 stellte der ehemalige US-Präsident Joe Biden einen dreistufigen Friedensplan für den Israel-Palästina-Konflikt vor. Die erste Stufe ist demnach a) eine sechswöchige Waffenpause, die den vollständigen Abzug aller israelischen Verteidigungsstreitkräfte (> Israel Defense Forces, IDF) aus dem Gazastreifen beinhaltet. Ferner gibt die Hamas alle älteren, weiblichen und verletzten Gefangenen frei, während Israel inhaftierte Palästinenserinnen und Palästinenser aus der Geiselhaft entlässt. Die zweite Stufe beinhaltet b) die dauerhafte Einstellung aller Kämpfe sowie die Freilassung der verbliebenen israelischen > Geiseln, inklusive aller israelischer Soldaten. In der abschließenden dritten Stufe würde c) der Wiederaufbau des > Gazastreifens durch die USA, Europa sowie ausgewählte internationale Organisationen erfolgen. Vorgesehen ist hierfür ein Zeitfenster von drei bis fünf Jahren.
»From the River to the Sea«:
Die Vollform des Satzes lautet »From the River to the Sea, Palestine will be free« (›Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein‹).
1. Der Wahlspruch beinhaltet den Anspruch an ein freies Land Palästina, welches vom Fluss Jordan (»River«) bis zum Mittelmeer (»Sea«) reicht.
2. Ursprünglich wurde er von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in den 1960er Jahren verwendet und beinhaltet die Forderung der Schaffung eines einzigen Staates Palästina ohne israelische Beteiligung.
3. Der Slogan wird von unterschiedlichsten palästinensischen Organisationen verwendet, so auch von der Terrororganisation > Hamas.
4. Inhaltlich wird die Bedeutung des Spruches unterschiedlich ausgelegt. So enthält er z. B. a) die Vorstellung eines Staates Palästina ohne israelische Besatzung, aber auch b) eines einheitlichen Staates Palästina unter Beteiligung der palästinensischen und jüdischen Bevölkerung. Immer wieder wird er jedoch auch c) im Sinne einer konkreten und dezidierten Forderung nach der Vernichtung Israels formuliert.
5. Die schriftliche wie mündliche Verwendung des Ausspruches in Deutschland ist juristisch umstritten (> § 86 a Strafgesetzbuch). a) Die Generalstaatsanwaltschaft München entschied im November 2022, bei seiner öffentlichen Benutzung Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen terroristischer Vereinigungen aufzunehmen. b) Im März 2024 entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof dagegen, dass die Worte bei Demonstrationen erlaubt sein müssen.
Fruchtbarer Halbmond, der:
Region in Teilen des Nahen Ostens, welche als kulturhistorisches Ursprungsgebiet des Übergangs von der Jagd zu Ackerbau und Tierhaltung gilt (ca. 12.500–9.000 v. Chr.). Innerhalb seines Gebietes entwickelten sich früheste städtische Siedlungen (Eridu, Uruk), die ihrerseits die Kultur- und Sozialtechniken von Vorratshaltung, Arbeitsteilung und (zyklischer) Planung benötigten. Zudem wird innerhalb seines Ausdehnungsbereichs der biblische Garten Eden verortet.

Fußball-Europameisterschaft 2024, die:
1. Sportereignis, welches vom 14.06. bis 14.07.2024 in Deutschland (als Gastgeberland) ausgetragen wurde.
2. Der Verfassungsschutzbericht weist in seiner nationalen Einschätzung der Gefährdungslage darauf hin, dass bei Anschlägen durch islamistische Terroristen und deren Sympathisanten »auch mit komplexeren Anschlagsvorhaben zu rechnen«[17] sei. Der Bericht dokumentiert den islamistisch motivierten Fall, bei dem zwei schwedische Fußballfans am 16.10.2023 in Brüssel erschossen und ein weiterer Fan schwer verletzt wurden.
3. Die exponierte Stellung Deutschlands hinsichtlich seiner Staatsräson gegenüber Israel machte die Bundesrepublik zu einem mutmaßlich ausgesuchten Ziel antisemitischer und islamistischer Angriffe während des Sportereignisses.

[14] Münch, Peter (2024). »Ein Mann und sein Wort«. In: Süddeutsche Zeitung 131 v. 10.06., S. 4.
[15] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/biden-drohung-waffenlieferungen-reaktionen-netanjahu-trump-pistorius-100.html.
[16] Münch, Peter (2024). »Wut gegen Vernunft«.
[17] Bundesministerium des Inneren und für Heimat (2024). Verfassungsschutzbericht 2023, Berlin, S. 207.
G
Gast, der:
1. Person, die für einen vorübergehenden (meist willkommenen) Verbleib (z. B. Besuch, Urlaub) in einem fremden Haushalt, Hotel o. Ä. wohnt.
2. Im Arabischen lautet die transliterierte Bedeutung für G. Deif. Diese Bezeichnung trägt Mohammed Deif (eigentlich: Mohammed Diab Ibrahim al-Masri). Er ist Brigadechef der > Qassam-Brigaden, gilt als einer der Hauptverantwortlichen des Angriffs auf Israel am > 7. Oktober 2023 und wird vom > Internationalen Strafgerichtshof (2.) per > Haftbefehl gesucht. Seine Bezeichnung als Gast wird darauf zurückgeführt, dass er sich zum Eigenschutz nie lange an einem Ort aufhält. Die israelische Regierung bietet 100.000 Dollar für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen. Am 13.07.2024 griff Israel ein Gebiet im Gazastreifen an, in dem sie Deif vermuteten, um diesen zu töten. »Khalil al-Hayya, einer der Führer der Hamas, sagte im Interview mit dem arabischen Sender Al Jazeera, Deif sei nicht getötet worden und mache sich über die Israelis lustig. Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte am Samstag, es sei unklar, ob Deif getötet worden sei. […] Den Preis für den Angriff zahlen vor allem Zivilisten in der zur humanitären Zone erklärten Umgebung der Bonbardierung.«[18] Bei dem Angriff wurden nach palästinensischen Angaben rund 90 Menschen getötet, mehr als 300 verletzt.

Gazastreifen, der:
Zusammen mit dem Westjordanland eines der zwei Verwaltungsbezirke des Staates Palästina. Mit ca. 360 km2 und rund 2,1 Mio. Einwohnern der kleinere der beiden Palästina-Bestandteile (zum Vergleich: Westjordanland: ca. 5.800 km2 und ca. 3,2 Mio. Einwohner. München: 310 km2 und 1,5 Mio. Einwohner).
Geisel, die; Geiseln, die:
1. Person, die widerrechtlich (§ 239 StGB: »Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt«) gegen den eigenen Willen festgesetzt wird. Die Freiheitsberaubung geht meist einher mit Forderungen des Entführers/der Entführer – etwa Lösegeld oder politische Forderungen.
2. Der Frage, ob und wie eine Regierung bei politisch motivierten Geiselnahmen auf etwaige Forderungen der Geiselnehmer reagiert, hat in Deutschland Eingang in die Staatsräson gefunden.
3. Am Tag des Angriffs der > Hamas auf Israel am > 7. Oktober 2023 wurden zahlreiche Menschen als G. in den Gazastreifen verschleppt. Dabei schwanken die Angaben über die Anzahl.[19] In allgemeinen Debatten wird von 240 Geiseln gesprochen.
4. Am 24.11.2024 trat eine durch Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas Feuerpause in Kraft, in deren Folge 105 Geiseln freikamen. Israel gab im Gegenzug 240 palästinensische Gefängnisinsassen frei. »Seither kämpfen die Angehörigen der verbliebenen Geiseln, unterstützt von einer riesigen Protestbewegung, vergeblich für ein neues Abkommen.«[20] Zu diesem Zeitpunkt werden noch ca. 130 Geiseln gefangen gehalten. Von diesen erklärte Israel 34 bereits als tot, wohingegen die Hamas die Zahl auf 70 Personen beziffert.
5. Am 08.06.2024 konnten weitere vier israelische Geiseln durch Vorbereitung der Spezialeinheit > Mista’arvim befreit werden. Bei der Befreiungsaktion wurden zwischen 100 (Angaben Israels) und 270 Palästinenserinnen und Palästinenser (Angaben der Hamas) getötet.
Geolocation:
Zur Identifizierung und Rekonstruktion von Kriegshandlungen, insbesondere von > Kriegsverbrechen, sollen Informationen aus Kriegsgebieten (z. B. exte aus Chats, Bilder, Videosgesammelt, analysiert und archiviert werden, damit sie evtl. in Strafverfahren als juristische Beweismittel Einsatz finden können. Dieses Verfahren wird bspw. von der Nichtregierungsorganisation (NGO) > Mnemonic angewendet, um zu prüfen, ob die > IDF gezielte Strategien nutzt, um bspw. die Arbeit der Presse im Kriegsgebiet zu behindern oder gar zu unterbinden.

Global Positioning System (kurz: GPS):
1. Weltweites System zur Positionsbestimmung zum Zweck der Navigation (z. B. bei der Zielort- und Routenbestimmung bei Bewegungen) bzw. Standortidentifikation (etwa in der Fotografie).
2. Das vom US-Verteidigungsministerium entwickelte Navigationssystem war ursprünglich zur Navigation und Standortbestimmung im militärischen Bereich vorgesehen. Diese ist in den gängigen Waffensystemen von Heer, Marine und Luftwaffe zu finden.
3. Die Störung des GPS-Signals ist Bestandteil der israelischen Kriegsführung. Zu Beginn des Krieges wurden GPS-Störungen schwerpunktmäßig im Norden und Süden des Landes vorgenommen, um z. B. Drohnenangriffe der > Hisbollah und der > Hamas zu verhindern. Im Laufe des Krieges wurden die Störungen immer mehr auch auf landesinnere Regionen ausgeweitet. Dadurch konnten Navigationssysteme in Autos oder von Kurierdiensten nicht mehr arbeiten.

[18] Dörries, Bernd (2024). »Ausgang ungewiss«. In: Süddeutsche Zeitung 161 v. 15.07., S. 6.
[19] Zum Vergleich: 239 Menschen bei: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg_in_Israel_und_Gaza_seit_2023); 253 Menschen bei: Münch, Peter (2024). »Militärischer Druck tötet die Geiseln«. In: Süddeutsche Zeitung 86 v. 13./14.04., S. 9.
[20] Münch, Peter (2024). »Militärischer Druck tötet die Geiseln«. In: Süddeutsche Zeitung 86 v. 13./14.04., S. 9.
H
Haftbefehl (internationaler), der:
1. Hierbei handelt es sich um einen sog. Vollstreckungshaftbefehl, welcher einen Antrag auf Auslieferung der via Haftbefehl ausgeschriebenen Person an den > Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag beinhaltet. Wird ein Haftbefehl erlassen, sind zu dessen Vollstreckung anschließend alle Länder verpflichtet, die Vertragspartner des internationalen Rechtshilfeabkommens (Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen [IRG]) sind. Dies trifft auch auf Deutschland zu.
2. Am 20. Mai 2024 beantragte der Internationale Strafgerichtshof einen internationalen Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dessen Verteidigungsminister Joav Gallant sowie den Hamas-Anführer in Gaza, Jahia Sinwar.
3. a) Jahia Sinwar werden »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« zur Last gelegt, die durch den Angriff der Hamas am > 7. Oktober 2023 in israelischen Dörfern und Kibbuzim erfolgten. Demgegenüber geht es b) bei Netanjahu und Gallant um die Art und Weise der Kriegsführung gegen die > Hamas. Sie sei darauf ausgerichtet, die Hamas und alle Palästinenser undifferenziert »kollektiv zu bestrafen«, und dabei Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie > Kriegsverbrechen zu begehen.
4. International rief die gleichzeitige Ausstellung des internationalen Haftbefehls gegen Netanjahu und Sinwar gemischte Reaktionen hervor. Insbesondere wurde durch die USA Kritik geäußert, da dadurch der Eindruck erweckt werde, dass der Agressor Hamas und die Konfliktpartei Israel moralisch auf einer Stufe stünden. Für Deutschland bedeutet der internationale Haftbefehl ein > Dilemma (3.).

Hamas, die:
1. Eine palästinensisch-islamistische Organisation, welche im Gazastreifen angesiedelt ist und das Ziel verfolgt, den Staat und das Volk Israel zu vernichten. Durch wiederholte Terrorakte und Raketenangriffe ist sie verantwortlich für verschiedene kriegerische Auseinandersetzungen mit Israel.
2. Die Hamas wird international von zahlreichen Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft. Deutschland bewertet die Hamas ebenfalls als Terrorvereinigung; das Bundesamt für Verfassungsschutz ordnet sie dem terroristisch-islamistischen Extremismus zu.
3. Am > 7. Oktober 2023 verübte die Hamas ein terroristisches Massaker in Israel, wodurch der anhaltende Konflikte eskalierte.
Hasbara:
1. Etymologisch (hebräisch): Erklärung, pejorativ: Propaganda.
2. Öffentliche diplomatische Kommunikationsstrategie der Regierung Israels, das eigene politische Handeln dergestalt zu erklären, dass dieses eine positive mediale Berichterstattung erzeugt, welche ihrerseits ein positives öffentliches und internationales Meinungsbild zum israelischen Regierungshandeln erzeugt.
3. Strategische Anwendung durch Benjamin Netanjahu, der z. B. die Möglichkeit nutzt, sich in fließendem Englisch direkt an die amerikanische Bevölkerung (und damit den international wichtigsten Verbündeten) zu wenden, um für die eigene Politik zu werben.

Hilfsgüter, die:
1. H. stellen eine Form der humanitären Hilfe dar, bei der Dinge des elementaren Bedarfs (Nahrung, Wasser), der Gesundheitsversorgung (Medikamente, medizinische Instrumente), basale technische Gerätschaften (Generatoren) u. a. m. in Katastrophen- bzw. Krisengebieten (oft von außerhalb der Krise stehenden Ländern bzw. Organisationen) der notleidenden Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden.
2. Der Transport von H. in die Gebiete hinein (z. B. via Landtransport, oder > Luft- bzw. Seebrücke) ist oftmals schwierig (z. B. bei Naturkatastrophen) oder wird von interessengeleiteten Akteuren behindert/unterbunden.
3. H. in politischen Krisengebieten wie dem > Gazastreifen unterliegen zudem der Erschwernis, dass diese aus strategischen Gründen in > Dual-Use-Güter (3.) unterteilt werden.
Hisbollah, die:
(Arab. ›Partei Gottes‹)
1. Eine islamistisch-paramilitärische Organisation im Libanon, die dort politisch und sozial wie ein Staat im Staat agiert. Sie verfügt über eine der größten nichtstaatlichen Armeen weltweit, die im Besitz von Panzern, Flugabwehrwaffen sowie mutmaßlich weit über 100.000 Raketen ist. Sie ist verantwortlich für zahlreiche Anschläge gegen die israelische Armee insbes. im Norden Israels. Als > Proxy wird sie zentral durch den Iran finanziert, jedoch gehören auch Russland und China zu ihren finanziellen und materiellen Unterstützern (z. B. durch Waffenlieferungen, Geld, Geheimdienstinformationen).
2. Die Hisbollah wird z. B. von den USA, Kanada, Großbritannien, Israel, Deutschland und anderen Ländern als Terrororganisation eingestuft.
»Hühner für KFC«:
Teil einer Aussage von Benjamin Netanjahu bei einer Rede im US-Kongress am 24.07.2024. Darin echauffierte er sich über Anti-Israel-Proteste, die zeitgleich vor dem Kapitol in Washington stattfanden. An die Demonstrantinnen und Demonstranten gerichtet sagte er:
»For all we know, Iran is funding the anti-Israel protests that are going on right now outside this building – not that many, but they’re there – and throughout the city. Well, I have a message for these protesters: When the Tyrants of Tehran, who hang gays from cranes and murder women for not covering their hair, are praising, promoting and funding you, you have officially become Iran’s useful idiots. It’s amazing, absolutely amazing. Some of these protesters hold up signs proclaiming ›Gays for Gaza.‹ They might as well hold up signs saying ›Chickens for KFC.‹ These protesters chant > ›From the river to the sea.‹ But many don’t have a clue what river and what sea they’re talking about. They not only get an F in geography, they get an F in history.«[21]
(›Soweit wir wissen, finanziert der Iran die Anti-Israel-Proteste, die gerade vor diesem Gebäude – es sind nicht viele, aber sie sind da – und in der ganzen Stadt stattfinden. Nun, ich habe eine Botschaft für diese Demonstranten: Wenn die Tyrannen von Teheran, die Schwule an Kränen aufhängen und Frauen ermorden, weil sie ihr Haar nicht bedecken, euch loben, fördern und finanzieren, seid ihr offiziell zu nützlichen Idioten des Iran geworden. Es ist erstaunlich, absolut erstaunlich. Einige dieser Demonstranten halten Schilder hoch, auf denen ›Schwule für Gaza‹ steht. Sie könnten genauso gut Schilder mit der Aufschrift ›Hühner für KFC‹ hochhalten. Diese Demonstranten skandieren ›Vom Fluss bis zum Meer‹. Aber viele haben keine Ahnung, von welchem Fluss und welchem Meer sie reden. Sie bekommen nicht nur eine Sechs in Geografie, sondern auch eine Sechs in Geschichte.‹)

Hussein-McMahon-Korrespondenz, die:
1. Bezeichnet eine geheime Briefkorrespondenz zwischen Hussein ibn Ali (1853 oder 1856–1931) und Henry McMahon (28.11.1862–29.12.1949), welcher von 1915 bis 1916 Hochkommissar in Ägypten war. In dem Briefwechsel ging es a) um die politische Zukunft des Nahen Ostens sowie b) um eine vermeintliche britische Zusicherung der arabischen Unabhängigkeit gegenüber dem Osmanischen Reich, sofern Hussein ibn Ali einen Aufstand seiner Stämme (unter Führung von Lawrence von Arabien) gegen das Osmanische Reich unterstützte.
2. Die Aussagen der Hussein-McMahon-Korrespondenz stehen im Gegensatz sowohl zum Sykes-Picot-Abkommen als auch zur > Balfour-Deklaration. Damit stellen sie aus arabischer Perspektive einen Verrat an den in der Korrespondenz mutmaßlich geäußerten Versprechungen dar.
I
Identität, die:
1. Die Gesamtheit aller Eigenschaften und Merkmale, welche das Wesen eines Individuums oder einer Gruppe beschreibt.
2. Die Unterschiede in der Identität von Israelis und Palästinensern sind nach Meinung des israelischen Historikers und Journalisten Tom Segev der Grund, warum der Konflikt zwischen ihnen unlösbar ist: »Meiner Meinung nach ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern auch deshalb nicht zu lösen, weil er so stark beeinflusst ist von irrationalen Elementen. Es geht nicht um Land oder nicht Land, nicht um Recht oder Unrecht. Der Kern des Konflikts liegt in den zwei Identitäten. Jeder Kompromiss würde bedeuten, dass beide Seiten einen Teil ihrer Identität aufgeben müsste. Das ist unmöglich, weil die jeweilige Identität an Mythen, Fantasien, auch an Traumata gebunden ist. All das hat nichts mit Rationalität zu tun.«[22]
IDF: engl. Israel Defense Forces (Israelische Verteidigungsstreitkräfte):
Abkürzende und in den Medien verwendete Bezeichnung für die israelische Armee. Hier gilt eine Wehrpflicht sowohl für Frauen (Dauer: 24 Monate) als auch für Männer (32 Monate).

IGH vs. IStGH:
Am > Internationalen Gerichtshof (IGH) können Staaten andere Staaten wegen etwaiger Verstöße gegen das Völkerrecht verklagen. Der IGH ist ein Gericht der Vereinten Nationen. Betroffen sind hierbei die Regeln und Verfahrensweisen, welche die Beziehungen von Staaten untereinander regeln. Nicht aber werden dort einzelne Personen angeklagt. Genau diese Funktion übernimmt dagegen der > Internationale Strafgerichtshof (IStGH). Er verklagt einzelne Personen und gerade nicht Staaten. Dies betrifft z. B. Staatsoberhäupter und Generäle ebenso wie Revolutionäre, Guerillakämpfer oder Soldaten sowie alle anderen Einzelpersonen. Für einen Haftbefehl wird geprüft, ob »vernünftige Gründe« der Annahme zugrunde liegen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder > Kriegsverbrechen begangen wurden.
Internationaler Gerichtshof, der:
1. Der Internationale Gerichtshof (IGH) wurde 1945 gegründet und ist im niederländischen Den Haag angesiedelt. Gemäß der Charta der Vereinten Nationen (Art. 92 UN-Charta) ist er das »Hauptrechtsprechungsorgan« der Vereinten Nationen. Zu seinen Aufgaben gehört a) für die Vereinten Nationen Gutachten zu Völkerrechtsfragen zu verfassen, außerdem b) Entscheidungen bei zwischenstaatlichen Konflikten einem verbindlichen Urteil zuzuführen.
2. Am 11.01.2024 begann am IGH ein Prozess, bei dem Südafrika Israel verklagt. Der Vorwurf Südafrikas lautet, dass der Kampf der israelischen Armee gegen die Palästinenser im > Gazastreifen den Straftatbestand des Völkermordes erfülle. Dass mit Südafrika ausgerechnet ein Land in Den Haag eine Klage gegen Israel anstrengt, welches in den Konflikt überhaupt nicht involviert ist, wird a) historisch begründet: Das in Südafrika überwundene Apartheidssystem wurde lange von Israel unterstützt, was dazu geführt hat, dass viele Südafrikanerinnen und Südafrikaner eine Sympathie für Palästina haben, das – ihrer Meinung nach – ebenfalls unter einem Apartheidsregime gelitten hat. Ferner wird b) vorgetragen, dass Südafrikas Anklage lediglich Bestandteil einer > Lawfare-Strategie sei.
3. Am 24.05.2024 hat der IGH eine Anordnung erlassen, nach der Israel seine Offensive in Rafah im Süden des > Gazastreifens umgehend beenden müsse. Damit verbunden war die Aufforderung an die > Hamas, die verbliebenen > Geiseln umgehend freizulassen. Auch wenn die Entscheidungen des IGH als rechtlich bindend gelten, hat dieser keine Mittel, sie verbindlich durchzusetzen.
4. Am 19.07.2024 erließ der IGH ein Rechtsgutachten zum Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem.
Internationaler Strafgerichtshof, der:
1. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist ein auf internationaler Ebene agierendes Strafgericht mit Sitz in Den Haag (Niederlande). Seine Zuständigkeit sind a) Völkermord, b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit, c) Verbrechen der Aggression (früher: Vorbereitung eines Angriffskrieges) sowie d) Kriegsverbrechen, welche die vier Kernverbrechen des Völkerstrafrechts darstellen.
2. Am 17.03.2023 erließ der IStGH einen Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Der Vorwurf umfasst völkerrechtswidrige Deportationen von Kindern aus der Ukraine nach Russland.
3. Am 20.05.2024 stellte der Chefankläger (= oberster Staatsanwalt) des IStGH, Karim Ahmad Khan, Anträge auf > Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dessen Verteidigungsminister Joav Gallant sowie die hochrangigen Hamas-Anführer in Gaza, Jahia Sinwar, Mohammed Deif und Ismail Haniyeh. Allen Personen werden > Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
4. Sofern ein Haftbefehl durch den IStGH erlassen wurde, sind alle Unterzeichnerstaaten verpflichtet, die benannte(n) Person(en) festzunehmen und auszuliefern, sobald diese deren Hoheitsgebiet betreten haben. Eine Erzwingung dieser Maßnahme durch den IStGH in den Unterzeichnerländern ist nicht möglich.
Iron Dome, der:
(Dt. auch: Eiserne Kuppel)
Ein bodengestütztes und mobiles Abwehrsystem für Raketen und Artilleriegeschosse in Israel. Sich nähernde feindliche Raketen werden dabei i. d. R. jeweils durch zwei Abfangraketen anvisiert. Da ein einzelner Abschuss einer Rakete zwischen 35.000 und 50.000 US-Dollar kostet, belaufen sich die Kosten für jeden einzelnen Abfangversuch auf bis zu ca. 100.000 Dollar. Als fortschrittliche Eigenschaft gilt dabei, dass die Einheiten des Iron Dome berechnen können, ob eine feindliche Rakete auf bewohntes Gebiet oder in unbewohntem Wüstenterritorium niedergehen wird. Im letzteren Fall wird auf den Abschuss verzichtet.
Irregulärer Kämpfer, der:
israelische Siedler, die:
Darunter werden zuvorderst jüdische Bewohnerinnen und Bewohner verstanden, die im Westjordanland (ca. 430.000 jüdische Siedler/-innen vs. 2,5 Mio. Palästinenser/-innen) sowie in Ost-Jerusalem (230.000 vs. 360.000) leben. Nach dem Sechstagekrieg 1967 eroberte Israel diese Gebiete (daneben auch die Golanhöhen und die Sinai-Halbinsel) und begann kurz darauf den Siedlungsbau.
J
Jordan, der:
1. Fluss an der Ostgrenze Israels. Garantiert zusammen mit dem See Genezareth die zentrale Trinkwasserversorgung der Bevölkerung.
2. Gemeinter Bestandteil des Wahlspruches > »From the River to the Sea«.
3. Im religiösen Kontext ist der Jordan der Fluss, den a) das Volk Israel im Alten Testament nach der Wanderung durch die Wüste unmittelbar vor der Landnahme überschritt. Ferner ist er b) jener Strom, in dem sich Jesus von Nazareth durch Johannes den Täufer taufen ließ.
4. Der deutsche Sinnspruch »Über den Jordan gehen« beinhaltet die religiöse Vorstellung, dass die Überquerung des Jordan durch das jüdische Volk mit dem Einzug in das Heilige bzw. Gelobte Land einhergeht. Dieses wiederum ist nach christlicher Vorstellung mit dem Himmelreich Gottes gleichzusetzen. Infolgedessen betritt man dieses, sobald man den Jordan überquert, was als Analogie zum Sterben gedeutet wird. Im heutigen Sprachgebrauch wird der Spruch nicht mehr nur für Menschen, sondern auch für Sachen verwendet (»Mein Smartphone ist über den Jordan gegangen«).
[21] https://www.timesofisrael.com/were-protecting-you-full-text-of-netanyahus-address-to-congress/.
[22] Schuster, Jacques (2024). »Die schlimmste Lage in der Geschichte Israels«. In: Welt am Sonntag 21 v. 26.05., S. 2.
K
Kabinett, das:
1. Ursprünglich (von frz. cabinet) ein Arbeits-, Neben- oder Hinterzimmer, in welchem eine Herrscherin/ein Herrscher seine engsten politischen Mitarbeitenden empfing und Direktiven erteilte.
2. Im heutigen politischen Verständnis die Kurzform von Regierungskabinett, das die Gesamtheit aller Hauptverantwortlichen (i. d. R. Regierungschef/-in sowie alle Minister/-innen [ggf. auch besonders relevante Staatssekretärinnen/Staatssekretäre]) umfasst. Daneben sind in Israel als weitere Organe das Sicherheitskabinett sowie das > Kriegskabinett relevant.
3. Neben den offiziellen Regierungsgremien gibt es ebenso inoffizielle (> Küchenkabinett) wie auch vorläufig-strategische personelle Konstellationen (Schattenkabinett).
Kamikaze-Drohne, die:
Eine sich selbst zerstörende, mit Sprengstoff beladene Drohne, die beim Angriff auf Israel durch den Iran vom > 13. auf den 14. April 2024 zum Einsatz kam. Dabei handelt es sich um ein ferngelenktes Waffensystem des Typs Shahed 136. Die K.-D. wird im Iran produziert und für den Ukraine-Krieg auch nach Russland exportiert. Die Drohne hat eine Reichweite von wenigstens 2.000 km und trägt etwa 50 kg Sprengstoff.

Kibbuz, der:
(Hebr. für ›Gemeinschaft‹, ›Versammlung‹, Plural: Kibbuzim, Kibbuze)
Meint eine ländliche jüdische Gemeinschaftssiedlung. Die Bewohnerzahl schwankt zwischen 100 und 2.000 Menschen. Von der Idee her sollte in einem K. das Eigentum gemeinschaftlich aufgeteilt sein; es folgt damit der Idee einer genossenschaftlichen Gleichberechtigung seiner Mitglieder. Es gibt sowohl säkulare (mit gelockerten und losgelösten religiösen = rein weltlichen Bindungen) als auch religiöse Kibbuzim.
Kombattant, der:
1. a) Ein im Völkerrecht verankerter Begriff, der jede Person bezeichnet, die offiziell berechtigt ist, an kriegerischen Auseinandersetzungen teilzunehmen (sog. Kombattantenprivileg) und gegnerische K. zu bekämpfen, auch zu töten. Dafür können K. strafrechtlich nicht belangt werden (Kombattantenimmunität). b) Für den Fall, dass ein K. in die Gewalt des Kriegsgegners gerät, genießt er als Kriegsgefangener den Schutz des Genfer Abkommens.
2. a) Als K. gilt zunächst jeder Angehörige der regulären Streitkräfte eines Landes. Für Deutschland sind dies die Mitglieder der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes. b) Dagegen verfügen Mitglieder einer Landespolizei über keinen Kombattantenstatus. Im Falle eine Kriegshandlung würden sie ein > Kriegsverbrechen begehen. c) Neben den regulären K. können im Konfliktfall auch Mitglieder militärischer Verbünde, paramilitärische Einheiten oder sog. irreguläre Truppen als reguläre K. eingegliedert werden. Dies muss dem Gegner angezeigt werden.
3. Israel betrachtet Kämpfer der > Hamas nicht als K., sondern vielmehr als »irreguläre Kämpfer«. Damit eignet sich die israelische Regierung die Argumentationsmöglichkeit an, sie nicht gemäß den Rechten von Kriegsgefangenen (vgl. 1b)) behandeln zu müssen. Aus diesem Grund ignoriert die Regierung Netanjahu auch Berichte über Misshandlungen und die Folter von Hamas-Kämpfern[23] im > Gazastreifen oder in israelischen Militärlagern.

Konflikt im Konflikt, der:
1. Die Anhänger von Tsav 9 blockieren seit dem 18.01.2024 LKWs mit humanitären > Hilfsgütern für den > Gazastreifen an dessen Grenzübergängen. Dabei belagern und beschädigen sie die Fahrzeuge, plündern diese und greifen deren Fahrer an.
2. Zentrales Argument der Tsav 9-Gruppierung ist, dass die Hilfslieferungen ganz überwiegend der > Hamas in die Hände fallen. Die Terrororganisation würde die Güter dann teuer an die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen verkaufen: »Ronen Bar, der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, hat im Januar 2024 gesagt, nach seinen Erkenntnissen landen etwa 68 Prozent der Hilfslieferungen direkt bei der Hamas […]. Nach Schätzung israelischer Journalisten habe die Terrororganisation schon 500 Millionen Dollar an Hilfslieferungen verdient.«[24] Die USA sowie das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen, UNRWA, kritisieren, dass die Behauptung des Hilfsgütermissbrauchs durch die Hamas jeglicher Beweise entbehre.
Kontext, der:
1. Alle relevanten Faktoren innerhalb einer konkreten Kommunikationssituation, die das tatsächlich Gemeinte und somit den »wirklichen« Aussagegehalt von Äußerungen zum Ausdruck bringen.
2. Die Berücksichtigung des K. ist insbesondere vor dem Hintergrund der Verwendung »von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen« (> § 86 a StGB) von Bedeutung. Im Israel-Palästina-Konflikt betrifft dies konkret den Slogan > »From the river to the sea« sowie das rote > Dreieck der Terrororganisation > Hamas. Die juristische Bewertung, ob die konkrete Verwendung dieser Zeichen eine Strafe oder ein Verbot nach sich zieht, ist immer an den konkreten K. gebunden: »Totale Verbote von Symbolen gibt es in Deutschland gar nicht. […] Ein totales Verbot gibt es nicht einmal für das Hakenkreuz, sondern dieses Symbol darf natürlich in Schulbüchern oder in Zeitungen abgebildet werden, solange es der historischen Aufklärung dient und nicht der Hass-Propaganda.«[25]

Kriegsberichterstattung, die:
1. Die unabhängige und kritische Beschreibung und Publikation der Sachlage in Kriegen. Dies betrifft neben den Schauplätzen der kriegerischen Auseinandersetzungen auch die zugrundeliegenden politischen, diplomatischen und humanitären Verhältnisse und Entscheidungen.
2. Im Israel-Palästina-Konflikt sollen seit dem > 7. Oktober 2023 mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten[26] getötet worden sein. Die Lage für die Berichterstatter/-innen wird von UN-Expertinnen und -Experten sowie Medien als beunruhigend beschrieben: »›Selten haben Journalisten für die bloße Ausübung ihrer Arbeit einen so hohen Preis bezahlt wie die Journalisten in Gaza jetzt.‹ Man habe ›beunruhigende Berichte‹ erhalten, wonach Journalisten angegriffen wurden, obwohl sie eindeutig an Jacken und Helmen mit der Aufschrift ›Presse‹ zu erkennen oder in gut gekennzeichneten Pressefahrzeugen unterwegs waren.«[27] Die mutmaßliche Behinderung oder gar die gezielte Verhinderung der Kriegsberichterstattung wird durch > Geolocation und die Auswertung der so gewonnenen Daten (etwa durch > Mnemonic) aufzuklären versucht.

Kriegskabinett, das:
Ausschuss, welcher am 11.10.2023 (fünf Tage nach dem > 7. Oktober 2023) in Israel gebildet wurde. Es handelt sich um ein partei- und regierungsübergreifendes Gremium, welches auch Politiker/-innen der Opposition beinhaltet. Dieses auch als Notstandsregierung bzw. Regierung der nationalen Einheit bezeichnete Kollegium soll gewährleisten, dass in der Krisenzeit Entscheidungen ausgewogener getrofffen werden und so in der Bevölkerung in der Krisenzeit des Krieges eine breitere Akzeptanz finden. In seiner Entscheidungsbefugnis untersteht das K. jedoch dem Sicherheitskabinett.
Kriegsverbrechen, das/die:
1. Vor dem Hintergrund des Völkerrechts werden K. als schwere Verstöße in internationalen und nicht internationalen Konflikten gegen die Regeln der Kriegsführung gewertet. Dazu zählen vorsätzliche Tötung, Folter, Geiselnahme, Plünderung, Vergewaltigung u. v. a. m. Diese Einzeltatbestände werden vom > Internationalen Strafgerichtshof als K. eingeordnet. Daneben gibt es auch Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Verbrechen der Aggression (früher: Vorbereitung eines Angriffskrieges).
2. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen kommt bzgl. der Untersuchung von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht in Israel und Palästina mit Blick auf Ereignisse nach dem > 7. Oktober 2023 zu folgenden Schlüssen: a) Der militärische Flügel der > Hamas ist für folgende Kriegsverbrechen für schuldig befunden worden: Dies sind vorsätzliche Angriffe auf Zivilpersonen, Mord und vorsätzliche Tötung, Folter, unmenschliche und grausame Behandlung, Zerstörung und Beschlagnahmung von Eigentum des Gegners, Verletzung der individuellen Würde sowie Geiselnahme. b) Daneben wird auch Israel für K. verantwortlich gemacht. Diese sind Mord und vorsätzliche Tötung, vorsätzliche Angriffe auf Zivilpersonen, gewaltsame Vertreibung, sexuelle Gewalt, Folter und unmenschliche und grausame Behandlung, Aushungern, willkürliche Inhaftierung sowie Verletzung der persönlichen Würde.[28]
Kriegsziel, das:
1. Mit dem K. kann, aber muss nicht zwingend der Sieg über einen Kriegsgegner gemeint sein. Oftmals handelt es sich dabei um Forderungen/Bedingungen, die mit einem Sieg verknüpft werden. Dies können territoriale Forderungen (Gebietsabtretungen), oder die Entmilitarisierung des Gegners sein.
2. Benjamin Netanjahu formulierte als Kriegsziel wiederholt einen totalen Sieg[29] über Palästina. Für ihn beinhaltet das K. die vollständige und dauerhafte Entmachtung und Zerstörung der Herrschaft der Terrororganisation > Hamas im > Gazastreifen.
3. a) Der Forderung der »Zerstörung der militärischen und Regierungsfähigkeiten der Hamas«[30] als realistisches K. widerspricht der israelische Militärsprecher Daniel Hagari: »›Die Hamas ist eine Idee […]. Sie ist in den Herzen der Menschen verwurzelt. Wer glaubt, wir können die Hamas ausschalten, irrt sich.‹ […] Wer solche Aussagen mache, so Hagari, streue der israelischen Öffentlichkeit ›Sand in die Augen‹.«[31]
Küchenkabinett, das:
1. Inoffizielles Beratungsgremium eines Regierungschefs zwecks Vorbereitung und Abstimmung künftigen Regierungshandelns. Dies besteht oft aus (wenigen) Mitgliedern, von ranghohen Mitarbeiter(inne)n, externen Berater(inne)n und/oder engen Vertrauten eines Präsidenten/Premierministers/Ministerpräsidenten/Bundeskanzlers.
2. In Israel wird das K. auch als Kochnische (HaMitbahon/HaMitbachon) bezeichnet. Dort tauchte der Begriff erstmals im Zusammenhang mit der israelischen Ministerpräsidentin (1969–1974) Golda Meir (03.05.1898–08.12.1978) auf. Sie hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, die Teilnehmer ihres K. am Abend vor den Sitzungen des Regierungskabinetts in ihrem Privathaus zu einem Kuchen einzuladen. Diese Zusammentreffen wurden in der Folge »Goldas Küche« genannt.
3. Auch Benjamin Netanjahu nutzt die Möglichkeit eines K.: »Wahrscheinlicher ist, dass er das gesamte > Kriegskabinett auflöst, das nach dem Überfall der > Hamas vom > 7. Oktober als Triumvirat aus ihm, Generalleutnant Benjamin Gantz und Verteidigungsminister Joav Gallant gebildet worden war. Die Entscheidungen dürften dann, wie schon in früheren Kriegen, in einer Art Küchenkabinett getroffen werden, in dem Netanjahu seine Vertrauensleute zu versammeln pflegt.«[32]

Kufiya, die:
1. Ein viereckiges Kopftuch, welches Trägerinnen und Träger vor Sonne, Wind und Sand schützt.
2. Der ehemalige Anführer der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO (Palestine Liberation Organization) Jassir Arafat (24.08.1929–11.11.2004) machte die K. seit Ende der 1960er Jahren in ihrer charakteristischen Schwarz-weiß-Ausprägung zu seinem Markenzeichen. Dadurch wurde sie zum Symbol für die sich im Nahostkonflikt befindlichen Palästinenser/-innen.
3. Infolge der Nutzung dieses Kopf-, aber auch Halstuchs als politisches Symbol erlangte es im deutschsprachigen Raum auch als »Palästinensertuch« oder »Jassir-Arafat-Kopftuch« prominente Bedeutung.
4. Während der 68er-Bewegung war das Tuch Ausdruck der politisch linken und alternativen Szene in Deutschland. Neben der politischen Bedeutung wurde es zwischenzeitlich immer wieder auch als reines Modeaccessoire ohne politische Aussage getragen. Mit dem Angriff der > Hamas auf Israel am > 7. Oktober 2023 gilt die K. weltweit erneut als propalästinensische Sympathie- und antiisraelische Antipathiebekundung.

[23] Vgl. Schröder, Thore (2024). »Mit Fäusten, Stiefeln, Knüppeln«. In: Der Spiegel 24 v. 08.06., S. 70-74.
[24] Böhmer, Daniel-Dylan (2024). »An Israels innerer Front«. In: Welt am Sonntag 24 v. 16.06., S. 9.
[25] Steinke, Ronen (2024). »Dreieck mit Geschichte«. In: Süddeutsche Zeitung 160 v. 13./14.07., S. 1.
[26] Informationsstand: Juli 2024.
[27] Ramadan, Dunja und Leonard Scharfenberg (2024). »Wem galt der Luftangriff?« In: Süddeutsche Zeitung 165 v. 19.07., S. 7.
[28] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/06/israeli-authorities-palestinian-armed-groups-are-responsible-war-crimes.
[29] Vgl. etwa Münch, Peter (2024). »Militärischer Druck tötet die Geiseln«. In: Süddeutsche Zeitung 86 v. 13./14.04., S. 9, oder Matthias (2024). »Die Kluft zwischen Premier und Armee«. In: Süddeutsche Zeitung 141 v. 21.06., S. 7.
[30] Kolb, Matthias (2024). »Die Kluft zwischen Premier und Armee«. In: Süddeutsche Zeitung 141 v. 21.06., S. 7.
[31] Kolb, Matthias (2024). »Die Kluft zwischen Premier und Armee«. In: Süddeutsche Zeitung 141 v. 21.06., S. 7.
[32] Münch, Peter (2024): »Eine innere Zerreißprobe«. In: Süddeutsche Zeitung 132 v. 11.06., S. 6.
L
Lavender:
Mutmaßliches israelisches KI-gestütztes Abwehrsystem, welches mutmaßliche bzw. potenzielle menschliche Hamas-Kämpfer identifiziert und bombardiert. Dies veröffentlichte die britische Tageszeitung The Guardian[33] unter Berufung auf sechs Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes. Zwischenzeitlich habe das System 37.000 Palästinenser in niedrigen militärischen Rängen bestimmt, bei welchen die KI Verbindungen z. B. zur > Hamas errechnet habe. Unklar ist, wie das System trainiert wurde. Die Quellen sagten aus, dass die Fehlerquote der KI und die damit verbundenen Kollateralschäden (insbes. Zivilistinnen und Zivilisten) hingenommen würden. Die israelische Armee dementierte die Darstellungen teilweise.

Lawfare, der:
(Übertragen: juristische Kriegsführung)
1. Vorgehen in der internationalen Politik, einen Gegner unter Ausnutzung internationaler Rechtsbestimmungen (z. B. jener des > Internationalen Gerichtshofes) auf internationaler Bühne zu delegitimieren bzw. zu dämonisieren.
2. Südafrikas Klage am Internationalen Gerichtshof gegen Israel, Völkermord im > Gazastreifen zu betreiben, wird vielfach als L. eingeordnet. Mit diesem Vorgehen unterstützt Südafrika deutlich die Interessen der > Hamas. Die Hamas begrüßte die Klage Südafrikas und erklärte, sie werde sich an die Anordnung einer Waffenruhe durch das Gericht halten, sofern Israel dies ebenso gewährleiste.
Levante, die:
(Entlehnung aus dem Ital.: ›Osten, Morgenland‹)
1. Bezeichnung für Länder am östlichen Mittelmeer. Je nach Interpretation werden die dazugehörigen Länder enger (Israel, Jordanien, Libanon, südliche türkische Provinz Hatay) bzw. weiter (zusätzlich: Ägypten, griechische Inseln der Ägäis, Türkei, Zypern) ausgelegt. Kulturhistorisch bedeutsam ist die L. mit lebhafter Besiedelung durch die Verbindung zwischen Afrika und Eurasien sowie als regionaler Bestandteil des ehem. > Fruchtbaren Halbmondes.
2. Geografisch westlichster Bezugspunkt für die Beschreibung einer Region, die im Fall einer Ausweitung des Israel-Palästina-Konflikts mit dem Iran einen > Flächenbrand bzw. ein > Armageddon hervorrufen würde: »Es wäre ein Krieg, der die ganze Region zwischen der L. und dem Hindukusch in Brand setzen könnte.«[34]

Like-Button, der:
1. a) Zentraler Interaktionsbestandteil in Sozialen Netzwerken. Mit dem Anklicken des »Gefällt mir«-Buttons (engl. Like-Button, like button) bekunden Nutzer/-innen, dass ihnen ein spezifischer Inhalt (z. B. Text, Bild, Video) gefällt. b) In der Aufmerksamkeitsökonomie des Internets haben L. eine prominente ökonomische Bedeutung, da jedes Anklicken eine Vergrößerung des Publikums bedeutet (Zielgruppe = Werbeeinnahmen). Darauf basiert das Geschäftsmodell von Influencer(inne)n. c) In sozialer Hinsicht bedeutet Liken, dass Soziale Netzwerke ein exaktes Profil über Vorlieben und Präferenzen ihrer Nutzer/-innen erstellen können.
2. Am 28.05.2024 veröffentlichte die Jüdische Allgemeine einen Artikel, der darauf hinwies, dass die Präsidentin der Technischen Universität (TU) Berlin, Geraldine Rauch, auf dem Sozialen Netzwerk X einen Tweet mit »Gefällt mir« markiert hat. Dieser zeigte Demonstrant(inn)en, die unter einem Bild des israelischen Ministerpräsidenten ein Hakenkreuz gemalt hatten. Einen weiteren Like gab Rauch einem Nutzerkommentar zu einem Interview: »Wie argumentieren wir den Völkermord im Gaza [sic!], dem u. a. schon über 13.000 Kinder zum Opfer gefallen sind?«[35] In darauffolgenden offiziellen Stellungnahmen Rauchs entschuldigte sie sich für die Likes und löschte diese. Um eine juristische Aufklärung des Vorfalls bemüht, leitete Rauch ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst ein. Am 05.06.2024 hat der Akademische Senat in geheimer Abstimmung ein Stimmungsbild zu der Frage angeregt, ob Rauch aus ihrem Amt zurücktreten solle. Das Ergebnis lautete: 13 Ja-Stimmen, 12 Nein-Stimmen, keine Enthaltung. Am 06.06.2024 reagierte Rauch auf das Meinungsbild u. a. mit der Stellungnahme: »Ich trete nicht zurück.«

Lockheed C-130 Hercules, die:
Militärisches Transportflugzeug, das im Israel-Palästina-Konflikt genutzt wurde, um > Hilfsgüter innerhalb einer > Luftbrücke über sog. > Drop-Zones abzuwerfen, um so der notleidenden palästinensischen Bevölkerung im > Gazastreifen zu helfen. Das Flugzeug erlaubt den Transport von ca. 18 Tonnen an Gütern, wohingegen etwa ein 40-Tonnen-Lkw ca. 27 Tonnen befördern kann.

Luftbrücke, die:
1. Verkehrskorridor für Flugzeuge (im Gegensatz zu einer Seebrücke) mit (i. d. R.) einem fixen Zielpunkt. Diese dienen meist dem Transport von > Hilfsgütern in Naturkatastrophen- oder Krisengebiete.
2. Die Berliner L. diente vom 24.06.1948–12.05.1949 der Versorgung der Stadtbevölkerung, die durch die Abriegelung der Westsektoren durch die sowjetische Besatzungsmacht erforderlich wurde.
3. Im Israel-Palästina-Konflikt eingesetztes Mittel zur Versorgung der palästinensischen Bevölkerung im > Gazastreifen, nachdem die israelische Regierung sich zeitweise weigerte, genügend Hilfsmittel auf dem Landweg hineinzulassen.
[33] https://www.theguardian.com/world/2024/apr/03/israel-gaza-ai-database-hamas-airstrikes.
[34] Koelbl, Susanne, Christoph Reuter, Thore Schröder und Bernhard Zand (2024). »Die Logik der Eskalation«. In: Der Spiegel 17 v. 20.04., S. 8–13.
[35] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/tu-praesidentin-liked-antisemitische-tweets/?q=Geraldine%20Rauch.
M
Mandat, das:
1. Beinhaltet (völkerrechtlich) den Auftrag einer internationalen Organisation oder eines Staates/Staatenbundes, die Interessen eines anderen Landes/Gebietes zu vertreten.
2. Realpolitisch beinhaltete das Mandatssystem von Großbritannien und Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg im Nahen Osten die Absicht, nach außen nicht selbst die politische Kontrolle ausüben, sondern vielmehr der einheimischen Bevölkerung zur Autonomie verhelfen zu wollen.
3. Das System der A-, B- und C-Mandate beinhaltete dabei unterschiedliche »Freiheitsgrade«. Während ein A-Mandat die Unabhängigkeit des betroffenen Landes vorbereiten sollte, wurde dies bei B- und C-Mandaten eingeschränkt. Palästina war dabei ein durch Großbritannien vertretenes A-Mandat.
4. De facto interpretierten Frankreich und Großbritannien die Mandate jedoch als eine Verlängerung ihrer kolonialen Machtansprüche.
Maximierung, die:
1. Das Bestreben, ein Höchstmaß von etwas zu erzielen.
2. Am 07.07.2024 veröffentlichte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu eine Pressemitteilung[36], in der er u. a. forderte: »Israel will maximize the number of living hostages who will be released from Hamas captivity.« (Israel wird die Zahl der lebenden Geiseln, die aus der Gefangenschaft der Hamas entlassen werden, maximieren.) Angehörige der > Geiseln wie auch israelische Demonstrant(inn)en interpretieren diese Aussage dergestalt, »dass Netanjahu nicht alles tun wolle, um sämtliche lebenden Geiseln zurückzuholen. Genau dies wird aber nicht nur seit Wochen von Hunderttausenden Demonstranten gefordert«.[37]
Meinungsfreiheit, die:
1. Ein Grundrecht in der demokratischen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. In Artikel 5, Absatz 1 Grundgesetz ist verankert, dass jeder »das Recht [hat], seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.«
2. In der gegenwärtigen deutschen Rechtsprechung wird das Rechtsgut der M. im Kontrast mit dem >§ 86 a Strafgesetzbuch (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen) kontrovers diskutiert. Hier steht die Bewertung des Ausspruches > »From the River to the Sea« sowie das rote > Dreieck (3a) der > Hamas im Zentrum der juristischen Auseinandersetzung.
3. Im Kontext des Israel-Palästina-Konflikts wurde wiederholt und in unterschiedlichen Kontexten (z. B. bei Uni-Protesten) kritisiert, man dürfe etwa das militärischen Vorgehen Israels gegen die Palästinenser/-innen nicht kritisieren bzw. generell die Politik Israels (etwa die vor dem > 7. Oktober 2023 geplante Justizreform) nicht missbilligen.
Mista’arevim:
(Hebräisch etwa: derjenige, der arabisch geworden ist)
Verdeckt operierende israelische Spezialeinheiten, die aus Angehörigen der > IDF sowie der Polizei bestehen. Diese sind hochgradig professionell in der arabischen Bevölkerung assimiliert, da sie z. B. fließend das lokale gesprochene palästinensische Arabisch sprechen. Ihre Aufgabe besteht in der Sammlung von Informationen zum Zweck der Strafverfolgung bzw. der Vorbereitung von Antiterror- oder Geiselbefreiungsoperationen. Angehörige der M. waren maßgeblich an der erfolgreichen Auskundschaftung der Aufenthaltsorte der vier israelischen > Geiseln Noa Argamani, Almog Meir Jan, Andrey Kozlov und Schlomi Ziv beteiligt, die am 08.06.2024 befreit werden konnten. Bei der Befreiungsaktion wurden nach Angaben der > Hamas 270 Palästinenser/-innen getötet. In einer offiziellen Stellungnahmen seitens Israel wird dagegen von 100 Personen gesprochen.[38]
Mnemonic:
Eine in Berlin angesiedelte Nichtregierungsorganisation (NGO), die digitale Informationen und Materialien sichert, analysiert und archiviert, um im Fall von Menschenrechtsverletzungen Beweise z. B. für Strafverfahren (> Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit) zur Verfügung stellen zu können, die sonst gelöscht werden oder verloren gehen. Dafür werden Satellitenbilder, Fotos und Videos, Netzinformationen oder Chats aus Sozialen Medien dokumentiert und ausgewertet. Die Organisation versteht sich damit als »digitales Gedächtnis in Kriegszeiten«.[39]

Multikonflikt, der:
Der Konflikt zwischen Israel und Palästina (Nahostkonflikt) zählt zu den langwierigsten und am schwersten zu lösenden Auseinandersetzungen der Gegenwart. Die Gründe hierfür liegen auf unterschiedlichen Gebieten und Ebenen, die ihrerseits mal losere, mal engere Verknüpfungen zueinander aufweisen. Die gegenwärtigen Entwicklungen beruhen auf den Ereignissen des > 7. Oktober 2023. Hierbei handelt es sich a) um einen militärischen Konflikt, bei dem Israel seinen völkerrechtlich bestehenden Anspruch auf Selbstverteidigung gegenüber dem terroristischen Überfall der > Hamas wahrnimmt. Diesem Konflikt gehen viele weitere Konflikte zeitlich voraus, bei denen die Existenz Israels in Frage gestellt wird, weswegen er b) auch einen historischen Konflikt darstellt (exemplarisch: 1948 Israelischer Unabhängigkeitskrieg, 1967 Sechstagekrieg, 1973 Jom-Kippur-Krieg). All diese Konflikte sind wiederum Ausdruck der Entscheidung Großbritanniens am Ende des Ersten Weltkriegs, die Gebiete des ehem. Osmanischen Reichs in unterschiedliche > Mandate zu unterteilen. Diese z. T. willkürlichen und widersprüchlichen Entscheidungen Großbritanniens (vgl. auch > Balfour-Deklaration, > Hussein-McMahon-Korrespondenz, Sykes-Picot-Abkommen) berühren c) den religiösen Konflikt zwischen Israel und Palästina, bei dem die Siegermacht versuchte, sowohl der jüdischen als auch der muslimischen Bevölkerung im Raum Palästina eine verbindliche eigene Staatlichkeit mit sicheren Grenzen zu ermöglichen. Ebenso handelt es sich d) auch um einen multipolaren politischen Konflikt. Dies betrifft einerseits die Interessen der Innenpolitik (Machterhalt Netanjahus) im Gegensatz zu denen der Außenpolitik (Interessen der Verbündeten/Gegner). Andererseits umfasst dies Fragen der direkt (Israel vs. Palästina), aber auch der indirekt (USA vs. Iran u. a.) involvierten Akteuren. Nicht zuletzt sind e) auch juristische Konflikte von Bedeutung, die sich in den Entscheidungen der UN (Resolutionen), des > Internationalen Gerichtshofes bzw. des > Internationalen Strafgerichtshofes wie auch in den Untersuchungen zu > Kriegsverbrechen der Vereinten Nationen niederschlagen. Damit tangiert der durch den > 7. Oktober 2023 ausgelöste Krieg f) nicht nur abstrakte politische Diskurse. Vielmehr involviert er auch viele Menschen in konkret lebensweltliche Konflikte in anderen Ländern. So etwa durch die in vielen Ländern stattfindenden Uni-Proteste. Diesbezüglich wird z. B. in Deutschland die Strafbarkeit des öffentlichen Gebrauchs von Slogans (> »From the River to the Sea«) und Symbolen (> Dreieck) gemäß § 86 a StGB vor dem Hintergrund des Grundrechts auf > Meinungsfreiheit und in diesem Rahmen die Rechtmäßigkeit von Verurteilungen diskutiert. Ebenso wurde eine > Abi-Party am Gymnasium Tiergarten in Berlin abgesagt, da Teile der Abiturient(inn)en eine propalästinensische Demonstration angekündigt hatten. Schließlich zeigen sich konkrete Berührungspunkte im Alltagsleben etwa in Form von Slogans wie > »Brennt Gaza, brennt Berlin«. Nicht zu vernachlässigen sind überdies g) Konflikte aus Diffusionseffekten. So breitet sich die Grundkonstellation des Israel-Palästina-Konflikts in andere gesellschaftliche Bereiche aus, die primär keinen genuinen Berührungspunkt mit ihm haben. Dies betrifft z. B. den künstlerischen Bereich durch Statements von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Veranstaltungen (> Berlinale, > Eurovision Song Contest); im wirtschaftlichen Bereich ist eine misslungene Marketingkampagne anzuführen (> Adidas) .

N
Nabi-Musa-Unruhen, die:
1. Gewalttätige Angriffe gegen die jüdische Bevölkerung in Jerusalem vom 4. bis 7. Juni 1920, die auch aus der Enttäuschung arabischer Hoffnung auf die in Aussicht gestellte Selbstbestimmung im Nahen Osten (dafür > Hussein-McMahon-Korrespondenz, dagegen Sykes-Picot-Abkommen) resultierten. Der israelische Historiker und Journalist Tom Segev bezeichnet diese Ausschreitungen als »Startschuss für den Kampf um das Land Israel«.[40]
2. Auch wenn es den Briten gelang, die gewalttätigen Aufstände in Jerusalem und im gesamten Nahen Osten zu unterbinden, haben sie doch erkannt, dass es einer Lösung für die Unzufriedenheit der Araber/-innen bedurfte. Daraus leiteten sie ab, dass eine Zivilregierung einer Militärregierung vorzuziehen war, und führten das System eines völkerrechtlichen > Mandats im Nahen Osten ein.
Nachkriegsordnung, die:
1. Die nach Beendigung eines Krieges stattfindende territoriale (Neu-)Regelung staatlicher Hoheitsgebiete und Grenzverläufe der unterlegenen Kriegspartei(en) durch die Siegermacht/Siegermächte. Diese geht einher mit der Behandlung folgender Fragen, a) Erhält die unterlegene Kriegspartei (teil)souverände Entscheidungsbefugnisse (zurück) und b) wenn ja, welche? c) Unter welchen Bedingungen und d) wann geschieht dies?
2. In den »Bemerkungen zur Lage im Mittleren Osten« spricht der ehemalige US-Präsident Joe Biden am 31.05.2024 vom erwünschten Ende des Israel-Palästina-Kriegs als dem »Tag danach«: »It’s time for this war to end and for the day after to begin.«[41] (Es ist Zeit, dass dieser Krieg endet und der Tag danach beginnt.) Dieser Hoffnung schickt er in seiner Ansprache seinen Plan eines dreistufigen > Friedensplans (3.) voraus.
3. Konkret über eine Nachkriegsordnung für Israel und Palästina zu sprechen, hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vermieden. Der Fokus seiner Rhetorik lag darauf, als > Kriegsziel die vollständige Vernichtung der > Hamas zu erreichen und so einen »totalen Sieg«[42] zu erringen. Dies dient Netanjahu auch dazu, von seinem > Dilemma abzulenken, dass er sich für den Fall eines Friedens zahlreichen innenpolitischen Problemen (Strafverfahren wegen Korruption und Vorteilsnahme im Amt, umstrittene Justizreform u. a. m.) und damit dem eigenen politischen Ende zuwenden müsste.
Nicaragua:
1. Staat in Zentral- bzw. Mittelamerika.
2. Am 01.03.2024 veröffentlicht der > Internationale Gerichtshof (IGH) eine inoffizielle Pressemitteilung[43], in der N. Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland erhebt. Der Vorwurf lautete dabei: »Begünstigung zum Völkermord«. Er beinhaltet zwei Aspekte: a) Deutschland unterstütze durch militärische, politische und finanzielle Hilfen für Israel einen Genozid im > Gazastreifen. b) Ferner komme Deutschland seiner Verpflichtung der Verhinderung eines Völkermordes durch Aussetzung von Unterstützung an das UN-Hilfswerk UNRWA für palästinensische Flüchtlinge nicht nach. Dass gerade N. gegen Deutschland klage, wird zunächst mit der palästinafreundlichen Haltung des Landes begründet. Als weiterer mutmaßlicher Grund gilt dabei, dass N. durch die Nutzung eines > Lawfare-Verfahrens von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land abzulenken versucht. Am 30.04.2024 verkündete der IGH mit 15 zu einer Stimme,[44] dass der Antrag von N. zurückgewiesen wird. Der Gerichtspräsident formulierte in seiner mündlichen Urteilsbegründung: »Die Bundesregierung prüfe bereits heute vor jeder Exportgenehmigung, ob das Risiko bestehe, dass eine Waffe für Verbrechen verwendet werde. Und wie zum Beleg: Deutschland habe offenbar auch schon von sich aus seine Waffenexporte an Israel stark zurückgefahren.«[45]

»Notfall«, der:
Im Juni 2024 wurden Medienberichten zufolge Beiträge in den Sozialen Medien gepostet, die die Aussage »Spenden werden benötigt« enthielten. Darin wird um Geld für die leidende Bevölkerung im > Gazastreifen gebeten. Dahinter steht jedoch eine Social-Media-Offensive der > Hamas, die diese Gelder, die vorgeblich der humanitären Hilfe dienen, dann für terroristische Zwecke umleitet: »Demnach gehen ausländische Behörden von rund 100 Millionen Euro aus, die Privatleute in diesem Jahr an die Hamas spenden – teils im Glauben, humanitäre Hilfe zu leisten.«[46]
[40] Segev, Tom (92006): Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. München, S. 142.
[41] Vollständiges Transkript unter: https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2024/05/31/remarks-by-president-biden-on-the-middle-east-2/.
[42] Kolb, Matthias (2024). »In der Zwickmühle«. In: Süddeutsche Zeitung 126 v. 04.06., S. 6.
[43] https://icj-cij.org/sites/default/files/case-related/193/193-20240301-pre-01-00-en.pdf.
[44] https://icj-cij.org/sites/default/files/case-related/193/193-20240430-pre-01-00-en.pdf.
[45] Steinke, Ronen (2024). »Eilantrag abgewiesen«. In: Süddeutsche Zeitung 101 v. 02.05., S. 6.
[46] Kraetzer, Ulrich und Lennart Pfahler (2024). »So finanzieren Spender aus Westeuropa die Hamas«. In: Welt am Sonntag 25 v. 23.06., S. 7.
O
Olympische Sommerspiele 1972, die:
1. Am 26.04.1966 vergab das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Spiele der XX. Olympiade an die Stadt München, die sich damit gegen Detroit, Madrid und Montreal durchsetzen konnte.
2. Die O. sind ebenfalls Bestandteil des > Multikonflikts (hier: b) historisch), da sie von einem Attentat der palästinensischen Terrororganisation »Schwarzer September« auf die israelische Olympiamannschaft überschattet wurde, bei der 11 ihrer 14 Teilnehmer ermordet wurden.
3. Die Firma > Adidas provozierte (mutmaßlich ungewollt) einen > Affront gegen Israel, als sie einen Sneaker mit optischen Reminiszenzen an die O. sowie einem in diesem Kontext unangemessenen Werbetestimonial bewarb.

P
Paragraf 86 a Strafgesetzbuch, der:
1. Beinhaltet eine mit Freiheits- oder Geldstrafe bewehrte Verbotsnorm: Das »Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen« wird bestraft. Als Kennzeichen gelten z. B. Abzeichen, Fahnen, Uniformen, aber auch Grußformeln oder Parolen.
2. Am 14.05.2024 verurteilte das Landgericht Halle den AfD-Politiker Björn Höcke zu einer Geldstrafe von insgesamt 13.000 Euro, weil dieser in einer Rede im Mai 2021 den Satz äußerte: »Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland.« Bei dem Ausspruch »Alles für Deutschland« handelt es sich um eine Parole der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) und er erfüllt damit den Tatbestand des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation.
3. Ein vielbeachtetes Urteil fällte das Landgericht Mannheim am 29.05.2024 (AZ: 5 Qs 42/23) über die propalästinensische Parole > »From the River to the Sea«, welches die Rechtsinteressen des P. gegen die der > Meinungsfreiheit (Artikel 5 Grundgesetz) abwägt. Der Sachverhalt: Ein Demonstrant hatte bei einer Kundgebung im Mai 2023 (damit vor dem Überfall der > Hamas auf Israel am > 7. Oktober 2023) ein Plakat mit dem Slogan »From the River to the Sea« hochgehalten, woraufhin die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl beantragte, welchen das Landgericht ablehnte. Im Gegensatz zu »Alles für Deutschland« ist »From the River to the Sea« laut Gericht deutlich unklarer als verfassungswidriges Kennzeichen der Hamas einzuordnen. Er werde weltweit von einer überaus heterogenen Vielzahl von Menschen, Demonstrant(inn)en und Gruppen verwendet, wobei die jeweils zugrundliegende politische Gesinnung ebenso vielfältig sein könne. So könne darin z. B. a) die Vorstellung einer Zweistaatenlösung genauso zum Ausdruck kommen wie b) die Idee einer föderalen Staatsstruktur. Ausgeschlossen werden könne natürlich grundsätzlich nicht, dass damit c) dennoch die Vertreibung oder Auslöschung der jüdischen Bevölkerung auf dem benannten Territorium gemeint sei. Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen kontextabhängigen Bedeutungsmöglichkeiten sei der Spruch jedoch vielmehr dem Rechtsgut der Meinungsfreiheit zuzuordnen. Weiter argumentierte das Landgericht, dass sich die Hamas selbst den Ausspruch (i. S. eines wirkmächtigen Zeichens) nicht zu eigen macht, womit der Tatbestand des »Kennzeichens« nach P. entfalle. Im Ergebnis stellt Mannheim damit in diesem Fall die Meinungsfreiheit vor den Straftatbestand von P. Die grundsätzliche Strafbarkeit der Verwendung dieses Spruches im nachweisbaren israelfeindlichen Kontext bleibt davon unberührt.
Paria, der:
1. a) Etym.: Ein Inder, der der niedrigsten bzw. gar keiner Kaste angehört. b) Bildungssprachlich: Außenseiter/-in bzw. eine Person, die von der Gesellschaft ausgestoßen wird, entrechtet ist.
2. Mediale Bezeichnung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Nach dem Terrorangriff der > Hamas auf Israel am > 7. Oktober 2023 erfuhr die Regierung Netanjahus a) zunächst umfangreich internationale Solidaritätsbekundungen. Doch das politische wie militärische Verhalten Netanjahus in den folgenden Monaten insbes. im Zusammenhang der Kriegsführung im Gazastreifen führte b) zu einer zunehmenden Erosion der politischen, militärischen und diplomatischen Unterstützung. Diese drückt sich c) in konkreten Ereignissen aus, so etwa im Antrag des > Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen Netanjahu und dessen Verteidigungsminister Joav Gallant. Ferner warnte der ehemalige US-Präsident Joe Biden Israel vor einem Angriff auf die Stadt Rafah im > Gazastreifen und verband dies mit der Verweigerung weiterer Unterstützung der israelischen Armee mit Waffen. Ebenso erkannten Irland, Norwegen und Spanien am 28. Mai 2024 den Staat Palästina offiziell an. Diese Ereignisse beförderten ein kommunikatives Verhalten Netanjahus, welches d) zu einer zunehmenden Einordnung des Präsidenten als P. führte und der sonst üblichen Verlautbarungsstrategie der > Hasbara diametral entgegenstand: Den Strafantrag aus Den Haag bezeichnete Netanjahu selbst als Antisemitismus und setzte den Chefankläger Karim Khan mit den Richtern des Nationalsozialismus gleich. Der Drohung Bidens begegnete er mit den Worten, dass sich Israel auch ohne US-Unterstützung notfalls mit > Fingernägeln verteidigen werde. Die Anerkennung Palästinas wiederum geißelte er als eine internationale Belohnung des durch die Hamas verübten Terrorismus.
Proxy, der:
1. Vermittlerstelle in einem Computernetzwerk, die Anfragen von Clients an einen Server filtern oder (in Form einer Firewall) schützen (Proxyserver).
2. In kriegerischen Auseinandersetzungen Bezeichnung für Stellvertreter, die neben den unmittelbaren > Kombattanten für eine der beiden Konfliktparteien in die Kämpfe involviert sind. In diesem Fall spricht man auch von Stellvertreter- oder (seltener) Schattenkrieg bzw. -konflikt. Im Israel-Iran-Konflikt nehmen – zugunsten des Iran – verschiedene unterschiedliche Partien die Rolle eines Stellvertreters (Proxy) ein. Dazu zählt z. B. (Liste ist unvollständig) im > Gazastreifen a) die Terrororganisation > Hamas. Ein politischer Führer der Hamas sprach 2022 in einem Interview von 70 Mio. US-Dollar Unterstützung durch den Iran. Ein weiterer wichtiger Proxy im Süden und Osten des Libanon ist b) die > Hisbollah. Sie wurde im Jahr 2018 angeblich mit 700 Mio. US-Dollar in Form von Geld, Waffen und technischem Know-how unterstützt. Darüber hinaus werden etwa auch c) die Huthi, eine Bürgerkriegspartei im Jemen, von Teheran aus mit Waffen, Erdölprodukten und Drogen zum Weiterverkauf und Gelderwerb ausgestattet. Neben den genannten Gruppierungen erhalten weitere andere P. in der Region des Nahen und Mittleren Ostens Hilfe aus dem Iran.
3. Das P.-Prinzip bietet Vor- und Nachteile (in diesem Fall für den Iran): Es ermöglicht a) dem Aggressor Iran, dass er selbst nicht direkt in Erscheinung treten muss, sich von direkten P.-Konflikten distanzieren und dennoch aktiv seinen Einfluss vergrößern kann. Ferner nimmt der Iran b) aus strategischen Gründen keine Rücksicht auf die konfessionelle Ausrichtung der einzelnen Proxies. Während im Iran selbst der schiitische Islam als Staatreligion gilt, beansprucht z. B. die Hamas den sunnitischen Islam als Religion. Dennoch ergibt sich mit dem P.-Konzept c) das Problem, dass die P. zwar vom Iran unterstützt, jedoch nicht direkt von ihm kontrolliert werden können. Damit bleibt deren Vorgehen immer auch mit einem Restrisiko behaftet.

Q
Qassam-Brigaden, die:
Militärischer Arm der > Hamas. Sie lehnt das Existenzrecht Israels kategorisch ab und kämpft für dessen Vernichtung. Die Q. waren für den Angriff auf Israel am > 7. Oktober 2023 verantwortlich, der den gegenwärtigen Israel-Palästina-Konflikt auslöste. Sie wurden 1991 gegründet und sind nach dem palästinensischen Geistlichen Izz ad-Din al-Qassam benannt. Von der Europäischen Union werden die Q. als Terrororganisation eingestuft.
[36] https://www.gov.il/en/pages/spoke-rafah070724.
[37] Kolb, Matthias (2024). »Sabotage von ganz oben«. In: Süddeutsche Zeitung 158 v. 11.07., S. 6.
[38] Vgl. Kensche, Christine (2024). »Kämpfen oder verhandeln?«. In: Welt am Sonntag 25 v. 23.06., S. 10.
[39] Ramadan, Dunja und Leonard Scharfenberg (2024). »Wem galt der Luftangriff?« In: Süddeutsche Zeitung 165 v. 19.07., S. 7.