Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2025

Meme

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Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, dem ist dieser Begriff längst vertraut: Bei einem Meme handelt es sich um ein Bild, eine Illustration, ein Video oder Ähnliches, das bei Instagram, Facebook und Co. verwendet wird, um – oft mit wenigen Worten und auf humorvolle Art und Weise – eine Meinung oder einen Kommentar zu kommunizieren, etwa Zustimmung, Skepsis, Unentschlossenheit oder Missfallen. Memes verbreiten sich schnell, sodass sie in kürzester Zeit eine große Bekanntheit erlangen können. Das Meme selbst und seine Botschaft sind damit weitaus geläufiger als die tatsächliche Bedeutung des Wortes und seine Entwicklung. Daher wollen wir im Folgenden eine Wissenslücke füllen.

Das englische Wort Meme – gesprochen [mi:m], Plural Memes – existiert hierzulande auch in der Form Mem – gesprochen [me:m], Plural Meme [me:mə] – mit dem aktuellen Verständnis ›weit verbreitete Idee o. Ä.‹; in dieser Bedeutung dürfte Mem jedoch inzwischen weitgehend von Meme abgelöst worden sein. Der Ausdruck geht zurück auf das Griechische: Dort bedeutet mnḗmē so viel wie › Gedächtnis‹. So bezeichnet ein Mem zunächst die kleinste selbstständige Einheit des Bewusstseins, anders gesagt: Ein Mem ist ein Gedanke. Schon hier schließt sich eigentlich der Kreis zur heutigen Verwendung von Meme im Sinne eines lustigen Bildes, das eine Meinung oder eben einen Gedanken zu einem Sachverhalt transportiert: Es setzt sich als Idee im Gedächtnis fest und entfaltet »dadurch eine große Wirkung in einer Gemeinschaft oder Gesellschaft« (dwds.de). Ein bekanntes Meme ist etwa der »abgelenkte Freund«: Es handelt sich um das Bild eines Paares, auf dem der Mann sich nach einer fremden Frau umdreht und ihr hinterherpfeift, während die Freundin empört danebensteht. Die Personen im Bild werden oft in einer bestimmten Weise übertitelt, um unterschiedliche Interpretationen herzustellen und damit z. B. auf Gewohnheiten anzuspielen. So steht der Mann beispielsweise für das »Ich«, die Freundin im Bild für gesunde Ernährung, von der er sich abwendet, die fremde Frau, die viel attraktiver erscheint, für Fastfood. Ein anderes Beispiel ist das Meme »erfolgreiches Kind«: Hierin wird ein kleiner Junger mit triumphaler Geste abgebildet. Mit einer Übertitelung wie »die letzte Packung Toilettenpapier im Supermarkt bekommen« soll ein kleiner Erfolg verdeutlicht werden.

Der Erste, der den Begriff Mem bzw. englisch Meme nutzte, um damit die Verbreitung kultureller Informationen zu beschreiben, war der Biologe und »Memetiker« Richard Dawkins; er hatte bereits 1976 postuliert, ein Mem sei »ein Gedanke, ein Konzept, eine Theorie, die sich von Kopf zu Kopf fortpflanzt«,[1] somit nachgeahmt und verbreitet wird. Daran knüpft wiederum die aktuell vorherrschende Bedeutung von Meme an: Ein Medieninhalt, also ein Bild, ein Video etc., soll die Empfänger zum Lachen oder zum Nachdenken anregen und sich so in deren Gedächtnis festsetzen – und ein Bild, das wissen wir, bleibt vielfach länger und stärker dort hängen als bloße Worte. Dass die heutige Verwendung des Begriffs Meme zur Bezeichnung eines Internetphänomens und dessen ursprüngliche Bedeutung sich recht nahe sind, bestätigte Dawkins im Jahr 2013 selbst.

Sprechen wir von Nachahmung, öffnen wir damit das Wortfeld weiter: Zu Meme und Mem gesellen sich Mime/ Mimin, das Verb mimen sowie Mimik. Zugrunde liegt ihnen das griechische mίmēma ›Nachgeahmtes, Nachahmung‹ und mimeīsthai ›nachahmen, imitieren‹; sie haben ihren Weg über das Lateinische zu uns gefunden. So verdankt der Mime – heute wohl eher bekannt als Schauspieler – diesen N amen dem lateinischen Wort mimus, das wiederum auf das griechische mĩmos ›Nachahmer, Schauspieler, ohne Masken gespielte (oft derbe) Szene des Alltagslebens, Possenspiel‹ zurückgeht. Das Verb mimen wird heutzutage selten im Sinne von ›schauspielerisch darstellen‹ verstanden, sondern ist meist abwertend markiert und wird genutzt in der Bedeutung von ›vorgeben jemand, etwas zu sein‹ (»den starken Mann mimen«) oder ›ein Gefühl o. Ä. zeigen, das in Wirklichkeit nicht vorhanden ist; vortäuschen‹ (»Bewunderung mimen«). Die Mimik hingegen bezeichnet das Mienenspiel, unseren Gesichtsausdruck, dem oftmals Gefühle abzulesen sind – entweder ›als Nachahmung fremden oder als Ausdruck eigenen Erlebens‹. Wie in Mem und Meme ist somit auch in diesen Wörtern etwas – oft Alltägliches – Nachahmendes angelegt.

Zwar sind Memes in erster Linie ein Phänomen der digitalen Welt, doch inzwischen treffen wir sie auch in der physischen Welt an. So bedienen sich beispielsweise immer häufiger auch analoge Werbemittel wie Plakate und Buswerbungen des bildhaften, nachhaltigen und universellen Charakters von Memes, um die Zielgruppen zu erreichen. Memes werden damit zu einem allumfassenden, gar mächtigen Kommunikationsmittel unserer Zeit.

An dieser Stelle ist ein warnendes Wort angebracht, denn Memes sind Fluch und Segen zugleich. Durch ihren vielfach lustigen, humoristischen Hintergrund sollen sie uns zum Lachen bringen und in den Köpfen der Empfänger weiterwirken. Genau hierin liegt jedoch auch ihr Gefahrenpotenzial: Memes können zur kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen anregen – doch ebenso können sie auf sehr subtile Art und Weise Hassbotschaften verbreiten, die durch dieses in der Regel witzige Transportvehikel kaum als solche auffallen, also gewissermaßen »getarnt« sind. So nutzen gerade rechtsextreme Kreise Memes, um rassistische, transphobe und extremistische Ideen, politische Hetze oder Fake-News in Umlauf zu bringen, ohne dass diese als solche sofort erkennbar sind. Und nicht nur das: Zum Teil instrumentalisieren diese Kreise bereits im Umlauf befindliche, positiv konnotierte Memes für ihre boshaften Zwecke. Dadurch können selbst negative, gar destruktive Inhalte zustimmende Resonanz entfalten, auch bei jenen, die der Auffassung sind, für Hassbotschaften nicht empfänglich zu sein.

Ob ein simpler Bildwitz oder komplexe, tiefgründige Reflexion: Memes werden aus unserem (digitalen) Alltag nicht so schnell wieder verschwinden. Dies bezeugt auch die Neuschöpfung Memifizierung: Sie spielt darauf an, dass unsere Welt zunehmend in und von Memes erfasst und erklärt wird. Umso wichtiger ist es, sie bewusst zu konsumieren und ihre Botschaften gelegentlich zu hinterfragen.


[1] Spiegel Online, 26.03.2012, über dwds.de.

Frauke Rüdebusch