Nach der Ampel links …

Wie wäre die Sprache doch einfach, wenn jedes Wort eine und nur eine Bedeutung hätte! Dass das aber nicht der Fall ist, wissen wir alle, und man macht sich die Bedeutungsvielfalt oder zumindest Doppeldeutigkeit ja auch gerne in Sprachspielen oder literarischen Verwendungen zunutze. Die Birne zum Essen und die Birne, die leuchtet, ist ein beliebtes »Teekesselchen«-Beispiel.

Mehrdeutigkeiten können aber auch Scherereien verursachen oder unfreiwillige Komik produzieren, und das besonders bei unauffälligen Wörtern, über deren Bedeutung man sich gemeinhin wenig Gedanken macht. Ein Beispiel dieser Art fand sich kürzlich in der Rubrik »Hohlspiegel«. Als Stilblüte wurde Folgendes aus den »Westfälischen Nachrichten« zitiert: »Nach dem Ergebnis der Obduktion wurde die Küsterin erschossen.« In der Tat eine unglückliche Formulierung. Denn das Wort nach hat eben leider mehrere Bedeutungen, und diese stehen auch nicht ganz gleichberechtigt nebeneinander. Die wohl üblichste Vorstellung im Zusammenhang mit diesem Wort ist die einer zeitlichen Abfolge, etwa »Nach dem Klavierunterricht gibt es Abendessen«. Also: zuerst Klavierunterricht und im Anschluss Abendessen. Wenn wir das jetzt auf das Beispiel übertragen, wird es in der Tat unfreiwillig komisch. Es widerspricht doch sehr unserem – wie Linguisten gerne sagen – Weltwissen, dass eine Person zunächst obduziert und dann erschossen wird. Vielmehr ist eine notwendige Voraussetzung für eine Obduktion, dass die Person vorher auf welche Art auch immer verstorben ist. Dabei ist der Satz zwar unglücklich, aber keineswegs falsch formuliert. Das Wort nach hat eben mehrere Bedeutungen und ist nur in der zeitlichen Bedeutung im Beispiel komisch. Sage ich jemandem, er solle »nach der Ampel« links abbiegen, meine ich damit natürlich nicht, dass man einen Zeitpunkt abwarten soll, an dem keine Ampel mehr da ist und danach abbiegen. Gemeint ist selbstverständlich, dass ich an einer Stelle, die hinter der Ampel liegt, abbiegen soll.

Der Fall der erschossenen Küsterin liegt freilich noch etwas anders. Ausgesagt werden sollte hier nun mit Sicherheit so viel wie: »Die Obduktion hat ergeben, dass die Küsterin erschossen worden ist.« Und tatsächlich kann das Wort nach auch so verwendet werden, in etwa in der Bedeutung ›zufolge‹. Interessant an dem zitierten Beispiel ist neben dem Schmunzeln, das es möglicherweise hervorruft, vor allem Folgendes: Es wäre ganz, ganz einfach, die unerwünschte Interpretation und den komischen Effekt zu vermeiden, der ja im Zusammenhang mit einer ermordeten Frau auch etwas makaber wirkt. Man müsste nicht einmal zu der vergleichsweise umständlichen Konstruktion greifen, die ich zur Umschreibung gewählt habe. Vollkommen ausreichend wäre eine winzige Umstellung, und zwar: »Dem Ergebnis der Obduktion nach wurde die Küsterin erschossen.«

Man sieht: Es kann manchmal nützlich sein, eine Formulierung etwas zu drehen und zu wenden, damit schließlich das herauskommt, was man wirklich hat sagen wollen.

Nicola Frank