Name und Erfolg
Es ist kaum zu glauben, dass der größte Medienstar des Frühjahrs ein Eisbärjunges ist. Gewiss, Tierbabys sind niedlich, und nicht alle Tage kommt in einem Zoo ein Eisbär zur Welt. Aber der Medienerfolg des Eisbären Knut dürfte seinesgleichen suchen. Man kann sich fragen, ob das allein mit der Niedlichkeit zu erklären ist oder ob der gut gewählte Name etwas dazu beigetragen hat. Die Frage mag auf den ersten Blick überraschen, denn Knut ist nicht unbedingt ein Name, mit dem man spontan Ruhm und Glanz assoziieren würde. Allenfalls assoziiert man mit diesem skandinavischen Namen »norddeutsch«, und zumindest »nord« passt ja ganz gut zu einem Tier, das eigentlich im Polargebiet beheimatet ist.
Was aber könnte noch dran sein an dem Namen? Er hat ein ungeheuer großes Reimpotenzial, wie leicht festzustellen ist, wenn man einen Blick in die Presse wirft. Denn nicht nur oder vor allem Fotografen und Fernsehjournalisten haben sich regelrecht auf Knut gestürzt, auch die schreibende Zunft konnte von dem Bären gar nicht genug bekommen. Sehr vielen Journalisten fiel auf, dass sich gut auf Knut reimt, und so konnte man Überschriften lesen wie »Knut geht’s gut« oder »Mach’s gut Knut«. Die maximale Reimdichte erreichte dabei »Knut tut gut«. Auch der Slogan »Alles wird Knut«, für den die Internetsuchmaschine Google 12.500 Treffer vermeldet, macht sich auf etwas andere Weise diesen Reim zunutze. Aber auf Knut reimt sich im Deutschen auch noch viel mehr als nur gut, und so las man auch »Knut macht Mut«, »Salut für Knut«, »Knut bannt die Flut«, und in einem dem Bären gewidmeten Lied hieß es inhaltlich etwas eigenartig gar: »Hier kommt Knut, unser Knut, ohne Mantel, ohne Hut.«
Wer viele Freunde hat, hat auch viele Feinde, und selbst die können aus einem Reservoir von Reimwörtern schöpfen und Knut auf Wut reimen oder im Falle ausgeprägterer Aversion gegen das Tier auch auf Blut. Dabei haben selbst Freund und Feind zusammen das Reservoir an Reimwörtern nicht einmal annähernd ausgeschöpft. Nach unseren Recherchen stehen Reime mit Glut, Disput, Brut, Statut und Institut bislang noch aus. Inhaltlich drängt es sich zugegebenermaßen auch nicht direkt auf, einen Reim mit Knut und Statut zu bilden, ob er sehr viel unsinniger wäre als der oben zitierte mit Hut sei dahingestellt.
Und, mag sich manche Leserin und mancher Leser nun fragen, ist das wirklich so besonders? Das ist es tatsächlich, man stelle sich nur einmal vor, der Berliner Zoo wäre auf einen anderen, ebenfalls einsilbigen Namen gekommen wie etwa Lars (so heißt im Übrigen Knuts Vater). Das Tier wäre sicher genauso niedlich und fotogen. Wollte man sich ihm aber schreibend widmen und auf den Namen einen Reim finden, müsste womöglich ein rückläufiges Wörterbuch zu Rate gezogen werden, um überhaupt auf Reimwörter zu kommen. Die ernüchternde Bilanz: der Planet Mars, das vor allem fachsprachlich bekannte Wort dwars (für Nichtseeleute: ›quer‹) und die Abkürzung für »Schweres akutes respiratorisches Syndrom« SARS.
Es ist nicht sehr gewagt zu behaupten, dass ein Lars schon aus diesem Grund bedeutend weniger besungen und angedichtet worden wäre. Diese Gegenüberstellung zeigt, dass das geflügelte Wort aus Faust I, Namen seien nur Schall und Rauch, nicht ganz wahr ist, denn dem Knut tut sein Name ganz sicher richtig gut.
Nicola Frank