Von Covidiot bis Hängematte – neue Wörter braucht das Land
Jedes Jahr im Dezember wählt die GfdS die Wörter des Jahres. Auffällig oft sind unter den Gewinnern Wörter, die man bis zu dem entsprechenden Jahr nie gehört hat. Hätten Sie vor 2016 gewusst, was unter Brexit zu verstehen ist? Oder konnten Sie mit dem Begriff Freistoßspray etwas anfangen, bevor es in der Bundesliga eingeführt wurde? Dieses Jahr ist bei den unzähligen Vorschlägen zum Wort des Jahres, die uns erreichen, ein Thema natürlich vorherrschend: Die Corona-Pandemie beschert uns eine wahre Flut an kreativen Wortschöpfungen, von Maskenmuffel und Covidiot bis hin zu Corontäne. Auch diese Wörter hätte vor 2020 niemand verstehen können, was daran liegt, dass es sich bei all diesen Wörtern um Neologismen handelt, also Wortneuschöpfungen. Es gab sie vor der Pandemie schlichtweg noch nicht.
Neologismen sind einer der Gründe, warum unser Wortschatz sich ständig vergrößert und unsere Wörterbücher immer dicker werden. Ein Neologismus ist entweder eine Neubildung, wie die oben genannten Beispiele, oder eine Neuprägung (auch Neubedeutung). Von einer Neuprägung spricht man, wenn eine neue Bedeutung zu einem Wort hinzukommt, das bereits mit einer anderen Bedeutung belegt ist. Bei einlesen zum Beispiel kam zu dessen ursprünglicher Bedeutung ›sich durch (längeres) Lesen mit einem Werk o. Ä. vertraut machen‹ die neue Bedeutung ›einen Text auf einen Tonträger für ein Hörbuch sprechen‹ hinzu.
Eine andere Art von neuen Wörtern sind die Fremd- und Lehnwörter. Ein Fremdwort ist ein übernommenes Wort aus einer anderen Sprache, dem man seine fremdsprachliche Herkunft deutlich anhört und -sieht. Souvenir, High Society, Broker oder Curry sind solche Fremdwörter. Ein Lehnwort hingegen ist als fremdes Wort nicht mehr zu erkennen, es hat sich komplett an die übernehmende Sprache angeglichen. Es gibt ältere Lehnwörter wie Fenster von lat. fenestra, Möbel von frz. meuble, Kirche von griech. kyrikón, Kasse von ital. cassa oder Hängematte über verschiedene Zwischenschritte von haitianisch hahamaca, aber auch jüngere wie die englischen Entlehnungen Film oder Sport. Viele Lehnwörter werden von uns gar nicht mehr als „fremd“ wahrgenommen, sondern gehören ganz selbstverständlich zum deutschen Wortschatz.
Doch aufgepasst! Unter den eingewanderten Wörtern gibt es auch falsche Freunde. Bei den scheinbar englischen Wörtern Handy, Oldtimer oder Public Viewing handelt es sich nicht um echte Fremdwörter. Sie wurden lediglich mit englischem Wortmaterial aber nach deutschem Wortbildungsschema gebildet. Man nennt solche Wörter Scheinentlehnungen, denn im Englischen gibt es sie entweder nicht, oder sie haben eine ganz andere Bedeutung. Ein Handy heißt dort mobile oder cell phone, ein Oldtimer ist ein vintage/classic car und Publik Viewing bezeichnet im amerikanischen Englisch nicht etwa das gemeinsame Ansehen eines Sportereignisses, sondern das öffentliche Aufbahren eines verstorbenen Menschen. Scheinentlehnungen sind also oft nur als solche zu erkennen, wenn man sich in der Gebersprache auskennt.
Quellen
Brockhaus, Wahrig Fremdwörterlexikon, Gütersloh/München 2012
Duden, Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, Berlin 2016
Duden, Sprache in Bildern, Berlin 2018
IDS, Neuer Wortschatz – Neologismen im Deutschen 2001-2010, Mannheim 2014