Mai 2022

Personennamen in Bewegung – wann und warum Menschen ihren Namen ändern

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Der Doppelband Personennamen in Bewegung, der ausgewählte Beiträge der Tagung »Bewegte Namen/Names in Motion« enthält und in der Zeitschrift Beiträge zur Namenforschung erschienen ist, problematisiert aus unterschiedlicher Perspektive die Beweggründe und Ursachen für die Änderung von Namen.

In einem einleitenden Beitrag stellen die Herausgeberinnen Antje Dammel, Friedel Helga Roolfs und Kirstin Casemir den Teilaspekt von Namenbewegungen vor, der Gegenstand des Doppelbandes ist, nämlich »Anpassungen und Wechsel von Personennamen in sozialen Spannungsfeldern« (Dammel et al. 2021, S. 1). Obwohl Namen dazu dienen, einen Referenten eindeutig zu identifizieren, und sie somit durch eine »starre Referenz« (ebd., S. 2) gekennzeichnet sind, kommt es nicht selten zu Namenanpassungen, die mit einer veränderten sozialen Umgebung oder mit persönlichen Veränderungen des Namenträgers bzw. der Namenträgerin zusammenhängen können. Als Beispiel werden Personen aus der russlanddeutschen Community herangezogen, bei denen es verbreitet ist, dass sie in ihrer russischsprachigen Community einen anderen Namen oder eine andere Namenvariante verwenden als in ihrem deutschsprachigen Umfeld. Neben Fällen, in denen der deutsche Name als Lehnübersetzung des russischen anzusehen ist, gibt es auch Fälle, wo der Name von der betreffenden Person frei gewählt wurde. In letzterem Fall ist es typisch, dass der deutsche Name formal, etwa hinsichtlich Anlaut und Akzentsitz, dem russischen ähnelt. Während solche Namenanpassungen auf eine Kontinuität mit dem alten Namen und auch der alten kulturellen Identität hinweisen, kommt es, etwa bei einer Umbenennung im Zusammenhang mit einem Wechsel der geschlechtlichen Identität, häufig zu einem radikalen Namenwechsel und zu einer klaren Abgrenzung gegenüber der früheren Identität.

Dammel et al. formulieren im Weiteren sechs Fragekomplexe, die für den Gegenstandsbereich der Namenbewegung zentral sind:

  1. Was wird bewegt? (Wird ein Personenname, ein Ortsname oder ein Tiername verändert oder gewechselt? Ist bei Personennamen der Vorname oder der Nachname betroffen? …)
  2. Wie viel wird bewegt (strukturelle Aspekte)? (Werden Namen vollständig ausgetauscht oder bleiben Bestandteile erhalten? Handelt es sich um eine Eindeutschung, Verhochdeutschung oder Latinisierung? …)
  3. Warum wird bewegt und welche Folgen hat das? (Soll eine soziale oder räumliche Zugehörigkeit ausgedrückt werden? Spielt eine Zäsur im Leben der Person eine Rolle? Wie wirkt sich die Namenveränderung auf den Namenträger / die Namenträgerin aus? …)
  4. Wer bewegt? (Ist die Namenänderung selbst- oder fremdbestimmt? Welchen Einfluss übt das Umfeld auf die Namenänderung aus? …)
  5. Wie wird bewegt? (Vollziehen sich Namenänderungen bewusst oder unbewusst, gesteuert oder ungesteuert? Wodurch werden Namenänderungen erleichtert bzw. erschwert? …)
  6. Wann wird bewegt? (Zu welchem Zeitpunkt und aus welchem Anlass kommt es zu einer Namenänderung? Wie lange dauert es, die Namenänderung zu vollziehen? …) (vgl. ebd., S. 6 ff.)

Diese Fragen spielen mit unterschiedlicher Gewichtung und Akzentuierung dann auch in den einzelnen folgenden Beiträgen eine Rolle. Der Doppelband gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden drei konzeptionelle Ansätze vorgestellt, im zweiten Teil folgen vier Studien zu besonderen Fällen von Namenbewegungen.

Damaris Nübling eröffnet den ersten Teil mit ihrem Beitrag Bewegte und bewegende Namen. Lebensabschnittsnamen als Marker biografischer Transition. Darin widmet sie sich dem Phänomen der Lebensabschnittsnamen, worunter sie Namenwechsel fasst, die zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Eheschließung, einem Wechsel der geschlechtlichen Identität, dem Beitritt zu einem geistlichen Orden oder dem Eintritt in ein Dienstbotenverhältnis vollzogen werden. In der Regel handelt sich dabei um vollständige Namenwechsel, die eine individuelle oder eine auf die gesellschaftliche Stellung bezogene Zäsur darstellen.

Um den Namenwechsel im Zusammenhang mit einer geschlechtlichen Transgression geht es Miriam Schmidt-Jüngst in ihrem Beitrag Namenwechsel als semiotische Kongruierung: Onymische Geschlechtstransitionen. Sie zeigt, dass der Namenwechsel in diesem Fall meist mit der Veränderung anderer Merkmale, etwa der Stimme oder der Kleidung, einhergeht, und erörtert, wann der Namenwechsel als geglückt gelten kann.

In ihrem Beitrag Representing Sweden: A diachronic study of names and illustrations in Swedish textbooks from the 20th and 21st centuries untersucht Emilia Aldrin anhand von schwedischen Schulbüchern das gesellschaftliche Nameninventar im Schweden des 20. und 21. Jahrhunderts.

Im zweiten Teil folgen Untersuchungen zu einzelnen Phänomenen der Namenbewegung. Anna Balbach widmet sich etwa der selbst- und fremdbestimmten Umbenennung afroamerikanischer Sklaven im 18. und 19. Jahrhundert. Simone Busley thematisiert Besonderheiten bei der Benennung von Dienstpersonal, wobei sie Unterschiede zwischen Stadt und Land feststellt. Sharon Lohse und Stefanie Krain beschäftigen sich mit dem Namenwechsel von Ordensleuten verschiedener christlicher Orden und zeigen, dass für die Betroffenen überwiegend eine intensive Auseinandersetzung mit ihrem neuen Namen typisch ist. Zum Abschluss geht Anne Rosar auf die Entwicklungen bei der Wahl des Ehenamens ein und darauf, welche Variante dabei aus welchen Gründen bevorzugt wird: der Name des Mannes als Familienname, der Name der Frau als Familienname oder eine getrennte Namenführung.


Antje Dammel, Friedel Helga Roolfs, Kirsten Casemir (Hg.): Personennamen in Bewegung / Anthroponyms in Motion. In: Damaris Nübling et al. (Hg.): Beiträge zur Namenforschung, Band 56 (2021), Heft 1/2.