Ausgabe: Der Sprachdienst, 2/2018

Welche Regeln gibt es bei der Ortsnamenschreibung?

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[F] Warum werden Ortsnamen manchmal ohne Bindestrich geschrieben und manchmal mit (z. B. Niederursel und Ober-Mörlen)? Ist das historisch bedingt oder steckt ein System dahinter?

[A] Die beiden Beispiele Niederursel und Ober-Mörlen sind Ortsnamen mit sogenannten differenzierenden Zusätzen. Diese kamen im deutschsprachigen Raum bereits um 1100 auf, einer Zeit, in der ein starker Siedlungsausbau stattfand. Wenn nun innerhalb der Gemarkung oder in einem benachbarten Gebiet eine Ortschaft gleichen Namens lag, traten oft die differenzierenden Zusätze an den Eigennamen und verschmolzen teilweise mit ihm. Unterscheidungsmerkmale waren die Größe, z. B. Groß- (Großwinternheim, Groß-Umstadt), Michel- ›groß‹ (Michelbach), Langen- (Langen-Brombach), Lützel › klein‹ (Lützelseifen), Klein- (Kleinwinternheim, Klein-Umstadt), Wenig- ›wenig, kaum‹ im Sinne von ›klein‹ (Wenigumstadt), das Alter, z. B. Alt- (Alt Langenhagen), Neu- (Neu-Anspach), und die Lage, z. B. Ober- (Oberheimbach, Ober-Wühre), Mittel- (Mittelbexbach, Mittel-Wühre), Unter- (Unterailsfeld, Unter-Wühre), Nieder- (Niederheimbach, Nieder-Olm) (s. Nübling/Fahlbusch/Heuser 2012: Namen. Eine Einführung in die Onomastik, S. 213).

Wie die aufgeführten Beispiele belegen: Ob ein Bindestrich verwendet wird oder nicht, ist unterschiedlich und folgt keinem festen Schema. Das bedeutet beispielsweise, dass der Zusatz Groß- nicht zwingend einen Bindestrich voraussetzt, denn es lassen sich sowohl Belege mit als auch ohne Bindestrich finden.

Die meisten Ortsnamen, die wir heute kennen, unterlagen in der Vergangenheit vielfältigen Veränderungen, sowohl in der Aussprache als auch in der Schreibung. Nach und nach entwickelte sich eine gewisse Schreibung, die letztlich als offizieller Ortsname eingetragen wurde und bis heute Bestand hat.