schwul
Als erster prominenter deutscher Fußballspieler hat sich der ehemalige Profi-Fußballer Thomas Hitzlsperger zu seiner Homosexualität bekannt. Mit seinem Outing hat er die breite öffentliche Diskussion über den Status von Schwulen und Lesben in der Gesellschaft weiter angeheizt, und dies veranlasste uns, der Frage nachzugehen, wie es um den Status des Wortes schwul heute bestellt ist: Ist es noch immer negativ konnotiert oder hat es einen Wertewandel erfahren?
Das Adjektiv schwul ›drückend warm oder heiß‹ ist eine ältere Form von schwül und seit dem 17. Jahrhundert belegt. Im 18. Jahrhundert erhielt es unter Einfluss des Antonyms kühl den Umlaut und trug fortan als schwül die genannte Bedeutung. Das ältere schwul tritt erst gegen 1900 in der Umgangssprache wieder zutage, jedoch mit seiner heutigen Bedeutung ›homosexuell‹ (durch eine Bedeutungsübertragung entstand vermutlich die spätere Wendung warmer Bruder ›Homosexueller‹). In den Wörterbüchern tauchte schwul in diesem Sinne jedoch erst in den 1960er Jahren mit der zusätzlichen Markierung »derb« auf; es war damals abwertend gemeint und wurde auch so empfunden. Seit in den 70er und 80er Jahren die Homosexuellen begannen, sich selbst im positiven Sinn als »Schwule« zu bezeichnen, hat ein deutlicher Konnotationswandel des Wortes stattgefunden. Es setzte sich mehr und mehr im öffentlichen Sprachgebrauch durch und wird in Bezug auf Homosexualität mittlerweile als weitgehend wertneutral verstanden. Dass die Wertneutralität dabei kontextabhängig ist, zeigt allerdings die Bedeutung des Wortes in der Jugendsprache als ›unattraktiv, uninteressant, unbefriedigend‹. Diese Verwendung von schwul (eine schwule Klassenfahrt, ein schwules Tor) wird nicht nur von den Schwulen selbst als diskriminierend empfunden.
Eine wesentliche Rolle spielte für den Prozess des Bedeutungswandels der Status homosexueller Menschen in der Gesellschaft und in der Politik. Die zunehmende Akzeptanz Schwuler und Lesben in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens und die Tatsache, dass sich auch Politiker öffentlich mit dem Wort schwul zu ihrer Homosexualität bekannten (Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit 2001: »Ich bin schwul, und das ist auch gut so«) trug zu dessen immer neutralerer Wahrnehmung bei. Selbst konservative Parteien wie die CDU, die zuvor von der Verwendung Abstand genommen hatten, scheuen sich nicht mehr, es zu gebrauchen, wie der Verband »Lesben und Schwule in der Union (LSU)« deutlich macht.
Dennoch zeigt sich, dass die rein sprachlich-semantischen Aspekte von schwul noch nicht mit dessen politisch-gesellschaftlichen Implikationen gleichzusetzen sind. Wohl aber beschreiten sie offenbar den gleichen Weg: Wo das Wort als solches schon viel erreicht, seine Bedeutung sich wesentlich gewandelt hat, haben auch die so Bezeichneten die begründete Hoffnung einer in Zukunft »wertneutralen« Behandlung in Politik und Gesellschaft.
Frauke Rüdebusch