Ausgabe: Der Sprachdienst 3/2016

Juni 2016

Lexikalische Lücke: verwitweter gleichgeschlechtlicher Lebenspartner

[F] Zwei gleichgeschlechtliche Lebenspartner sind verpartnert. Wenn einer der Lebenspartner verstorben ist, wie ist dann die Bezeichnung des Familienstands für den Überlebenden?

[A] Bei einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft sind – wie bekannt – die Lebenspartner in Deutschland juristisch nicht miteinander verheiratet. Sie sind verpartnert. Auch in der deutschen Sprache scheint sich dieser soziale Graben zwischen einer Ehe und einer Lebenspartnerschaft – fast unbemerkt – herauszukristallisieren. Eine Lebenspartnerschaft erklärt der Duden in seiner neuesten online zugänglichen Version (vgl. www.duden.de) als eine ›eheähnliche Lebensgemeinschaft‹ und gibt als Beispiel eine »gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft« an. So weit, so gut. Doch wie sieht nun die Bezeichnung aus, wenn einer der Partner verstirbt? Im ersten Moment kommen einem die Begriffe Witwe und Witwer in den Sinn. Doch der Duden schiebt hier einen Riegel vor: Ein Witwer ist demnach ein ›Mann, dessen Ehefrau gestorben ist‹, und bei einer Witwe handelt es sich um eine ›Frau, deren Ehemann gestorben ist‹. Um dieser Linie treu zu bleiben, tituliert das Wörterbuch einen Ehemann als einen ›Mann, mit dem eine Frau verheiratet ist‹ sowie die Ehefrau als ›Frau, mit der jemand verheiratet ist‹. Auch wenn die liberalere Formulierung bei der Ehefrau zunächst überrascht, so ist markant, dass bei der Suche nach einem sprachlichen Ausdruck für einen »verwitweten« Lebenspartner offensichtlich eine Leerstelle vorliegt. Diese lexikalische Lücke zeigt sich umso frappierender, befasst man sich mit dem offiziellen Gesetzestext des Personenstandsrechts. Ist im amtlichen Text schlicht von einer »Auflösung der Lebenspartnerschaft durch Tod« (§ 59 Abs. 4, Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes – PStV, http://www.gesetze-im-internet.de/ pstv/__59.html) die Rede, ringen Versicherungen und Rechtsanwälte, die assistierend durch den Paragraphendschungel führen wollen, hilfesuchend nach Bezeichnungen und landen dabei bei Ausflüchten wie Überlebender (vgl. http://www.iww.de) oder überlebender Lebenspartner (vgl. http://www.recht-finanzen. de).

Diese Termini fügen sich u. E. kaum in die Allgemeinsprache ein, wenngleich auch der Duden bisher keine Hilfestellung bietet, was als Bezeichnung eines »verwitweten« Lebenspartners zukünftig herhalten soll. Unserer Einschätzung nach liegt die Antwort auf der Hand und ist im vorherigen Satz bereits gefallen. Auch wenn der Zustand, ein Witwer bzw. eine Witwe zu sein, keineswegs erfreulich ist, so sollte die Bezeichnung dafür bei einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft sowie einer Ehe dieselbe sein und irgendwann auch in dieser Bedeutung Eingang in die Wörterbücher finden. Ein neologistisches Kompositum dafür aus der Taufe zu heben, scheint den Aufwand kaum zu rechtfertigen.

Dieser Artikel wurde im Juni 2016 veröffentlicht. Seit 1. Oktober 2017 dürfen gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe eingehen – damit wurde gleichzeitig die Verpartnerung offiziell abgeschafft. Da nicht alle zuvor geschlossenen Verpartnerungen in eine Ehe geändert wurden und werden, dürfte die lexikalische Lücke weiterhin bestehen.