Ausgabe: Der Sprachdienst 1/2018

Sondierung

Matrosen bei der Sondierung. CC-Lizenz

Seit Monaten schon – de facto seit September 2017 – schlägt es einem aus allen Medien entgegen, mal in scharfem, mal in versöhnlicherem Tonfall: das Wort Sondierungen. Seit der Bundestagswahl sind nun über vier Monate vergangen, doch bislang hat die CDU, stärkste Partei des neugewählten Bundestags, nicht regiert. Sie hat sondiert. Mit den Grünen, mit der FDP, nun mit der SPD und mit der CSU sowieso. Wieso dauert das so lange?, fragt man sich. Das können wir nicht beantworten. Stattdessen aber die Frage, was eine Sondierung dem Wortsinn nach eigentlich ist.

Das Wort Sondierung ist einerseits ein Synonym des substantivierten Verbs das Sondieren, andererseits wird es verkürzt für Sondierungsgespräch verwendet. Dies ist laut Dudendefinition ein »Gespräch, bei dem die Haltung des Gesprächspartners zu einer bestimmten Frage sondiert werden soll«. Das Verb sondieren geht zurück auf das Französische: Dort wurde das Verb sonder zu sonde ›Sonde‹ gebildet und beides ins Deutsche entlehnt. Sondieren bedeutet heute vor allem (und besonders im Kontext der derzeitigen Parteigespräche) ›etwas [vorsichtig] erkunden, erforschen, um sein eigenes Verhalten, Vorgehen der Situation anpassen zu können, die Möglichkeiten zur Durchführung eines bestimmten Vorhabens abschätzen zu können‹. In zweiter Bedeutung wird auch sondiert, indem mithilfe einer Sonde eine Untersuchung durchgeführt wird, z. B. in der Medizin, in der Biologie oder in der Technik. Und letztlich wird auch im Seewesen sondiert, indem die Wassertiefe gemessen wird.

Wer hätte gedacht, dass Letzteres – obwohl doch sehr spezifisch – tatsächlich der eigentlichen Bedeutung am nächsten kommt? Denn das französische Wort sonde bedeutete ursprünglich ›Senkblei‹ und wurde zu lateinisch subundare ›untertauchen‹ gebildet. Auch die Brüder Grimm nehmen darauf Bezug: Ihnen zufolge sei von dieser wörtlichen Bedeutung des Verbs sondieren, nämlich der Untersuchung der Wassertiefe und des Grundes, schon früh – Kluge zufolge im 18. Jahrhundert – die übertragene abgeleitet worden: ergründen. Eine Sonde dagegen ist laut Grimm in erster Linie ein »ärztliches instrument zur untersuchung einer wunde oder einer mit der hand nicht erreichbaren stelle«, der Gebrauch im Sinne von ›Senkblei‹, den das Fremdwort daneben auch mitbringe, sei »ungewöhnlich«. Und auch heute kennt man eine Sonde vor allem in der Bedeutung eines medizinischen Gerätes. Das Verb sondieren dagegen hat sich in der Standardsprache mit seiner übertragenen Bedeutung ›ergründen‹ weithin verbreitet. So bleibt zu hoffen, dass das Senkblei der Parteigespräche bald auf Grund stößt und die bleierne Sondierung damit Ergebnisse zeitigt.

Frauke Rüdebusch