Subjekt – Prädikat – Objekt

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»Subjekt, Prädikat, Objekt« ist eine Formel, die hierzulande allen Grundschülerinnen und Grundschülern bekannt ist (oder jedenfalls sein sollte); sie bezeichnet die Grundabfolge von Satzgliedern im deutschen Aussagesatz, also Peter (Subjekt) streichelt (Prädikat) den Hund (Objekt), Anna schreibt einen Brief, Hans malt ein Bild usw. Das üben Grundschüler/-innen brav ein, um es in weiteren Lernschritten dann doch ganz anders zu machen. Denn die Grundreihenfolge ergibt zwar grammatisch tadellose Sätze, einen ganzen Text, der nach dem Muster der drei oben genannten Beispiele geschrieben wäre, wollte indes wohl niemand lesen.

Es ist grammatisch korrekt, aber ungeheuer monoton, Satz um Satz mit der Abfolge Subjekt, Prädikat, Objekt aneinanderzureihen. Deshalb (und weil es schließlich auch noch ein paar andere Satzglieder gibt, die in der Formel nicht vorkommen) soll in weiteren Lernschritten stilistische Varianz und ein abwechslungsreicher Ausdruck eingeübt werden, in dem die Abfolge Subjekt, Prädikat, Objekt nur eine unter vielen Möglichkeiten darstellt. So wirkt die Folge Peter streichelt den Hund. Im Garten schreibt Anna einen Brief schon viel lebendiger, weil die beiden Sätze unterschiedlich aufgebaut sind.

Aber auch hier gilt: Wer die Wahl hat, hat die Qual, und Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Man kann auf dem Gebiet der Wortstellung sogar etwas falsch machen, ohne überhaupt einen grammatischen Fehler zu produzieren. Wie das geht? Ein Beispiel: Der Spiegel zitierte in seiner Rubrik Hohlspiegel (einer Lese sprachlicher Fehlleistungen in journalistischen Texten) einen Satz aus einem Artikel der Zeit über den türkischen Staatspräsidenten Gül: »Seine Frau hat die Mutter für ihn ausgesucht.«

Warum nun ist dieser Satz eine Fehlleistung? Er enthält keinen grammatischen Fehler, aber er ist doppeldeutig. Es wird nicht klar, wer wen ausgesucht hat. Natürlich wissen wir, dass es im üblichen Verlauf der Welt nicht vorkommen kann, dass eine Ehefrau (Subjekt) für ihren Mann eine Mutter (Objekt) auswählt, denn die Mutter gibt es jeweils schon, sonst gäbe es ja den Mann gar nicht.

Vorstellbar (je nach kulturellen Gepflogenheiten) ist hingegen, dass eine Mutter (Subjekt) für ihren Sohn eine Frau zum Heiraten (Objekt) auswählt. Leider kann der Satz nun aber beides bedeuten, und bedauerlicherweise legt er sogar die »unmögliche« Bedeutung näher als die beabsichtigte. Denn wir lesen von links nach rechts, also zuerst »seine Frau« und denken »aha, Subjekt«, vielleicht nicht wörtlich, aber im Prinzip ist es das, was passiert. Dann kommt das Prädikat und dann »die Mutter«, und da denken wir »aha, Objekt«, denn das Subjekt hatten wir ja schon. Dann lesen wir den Satz zu Ende und wundern uns, weil wir so nämlich die »unmögliche« Bedeutung gelesen haben. Weil diese Bedeutung unmöglich ist, lesen wir den Satz noch einmal und verstehen ihn dann so, wie er gemeint ist.

Das Problem liegt darin, dass im Femininum der Nominativ (also der Subjektsfall) und der Akkusativ (also der Objektsfall) gleich lauten. Im Maskulinum wäre die gewählte Wortstellung kein Problem: »Ihren Mann suchte der Vater für sie aus.« Weil das Femininum in dieser Hinsicht aber nicht eindeutig ist, entsteht die beschriebene Verwirrung (von der Sprachwissenschaft mit der sprechenden Bezeichnung »Holzwegsatz« versehen).

In einem solchen Zweifelsfall ist es also sehr zu empfehlen, den Satz nach der Grundschülerregel aufzubauen – also »Die Mutter hat seine Frau für ihn ausgesucht«, ganz einfach weil wir, solange nichts dagegen spricht, nach der Grundschülerregel lesen. Wer das Ziel hat, sich verständlich zu machen, sollte das beachten. Bei der Freiheit der deutschen Wortstellung ist es also nicht anders als bei vielen Freiheiten: Sie ist eine schöne Sache, von der man aber keinen allzu unbedachten Gebrauch machen sollte.

Nicola Frank