Trennbare und nicht trennbare Verben

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[F] Ich komme aus England und lerne seit einigen Jahren Deutsch. Nach wie vor habe ich Probleme mit trennbaren und nicht trennbaren Verben (abholen sie holt ihn ab, aber: vermissen er vermisst sie) und ich frage mich, ob es dafür eine Hilfestellung oder Regel gibt.

[A] Unter trennbaren Verben versteht man Verben, deren erster Teil, den man auch als Partikel bezeichnet, abgetrennt wird, wenn das Verb in seiner finiten Form verwendet wird. Die abgetrennte Partikel steht dann hinter dem Verb am Ende des Satzes. Infinit: Er wollte in ein Haus einbrechen. Aber finit: Er brach in ein Haus ein. Diese Art der Verben nennt man Partikelverben.

Worin besteht aber der Unterschied zu Verben wie verfahren, zerreißen, hinterlassen und bezahlen? Auch diese Verben enthalten ein dem Verb hinzugefügtes Erstglied (ver-fahren, zer-reißen etc.), doch hierbei handelt es sich um Präfixe, also Vorsilben, die sich nicht vom Verb trennen lassen und oft nicht alleinstehen können. In diesem Fall spricht man von Präfixverben.

Um trennbare und nicht trennbare Verben – Partikel- und Präfixverben – voneinander zu unterscheiden, gibt es Regeln, die Licht ins Dunkel bringen:

Regel 1: Partikeln vs. Präfixe

Trennbare (Partikel-)Verben erkennt man an den Erstbestandteilen ab-, an-, auf-, aus-, bei-, ein-, los-, mit-, nach-, her-, hin-, vor-, weg-, zu-, zurück-.

  • Diese Bestandteile, auch Verbpartikeln genannt, werden in finiter Form vom Verb getrennt und stehen im Präsens und Präteritum hinter dem Verb, in der Regel am Satzende.

anstehen – Ich stehe/stand [bei der Hüpfburg] an (nicht: *ich anstand)

  • Bei den Zeitformen Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II steht das Verb im Partizip II. Entsprechend wird ein –ge- zwischen die Partikel und das Verb gesetzt.

Ich habe/hatte bei der Hüpfburg angestanden.
Ich werde bei der Hüpfburg angestanden haben.

Untrennbare (Präfix-)Verben hingegen erkennt man an den Vorsilben be-, emp-, ent-, er-, ge-, miss-, ver-, zer-.

  • Die Präfixe lassen sich nicht vom finiten Verb trennen.

bestehen – Ich bestehe/bestand die Prüfung.

  • Das Partizip II wird ohne –ge- gebildet.

Ich habe/hatte die Prüfung bestanden.
Ich werde die Prüfung bestanden haben.

Es gibt jedoch auch Erstglieder, die abhängig vom Verb sowohl als Partikel als auch als Präfix fungieren. Sie sind daher sowohl in trennbaren als auch in nicht trennbaren Verben anzutreffen.

umschauen – er schaut sich um (aber nicht: *er umschaut sich)

versus

umarmen – sie umarmt ihn (aber nicht: *sie armt ihn um)

Die beiden Verben tragen jeweils das gleiche Erstglied -um. Dennoch unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Trennbarkeit, denn während umschauen trennbar ist (um- ist hier eine Partikel), kann umarmen nicht getrennt werden (um- ist hier ein Präfix).

Weitere Beispiele für Verben dieser Art sind durchbrechen, überlaufen, übersetzen, überlegen, untergraben, durchziehen, wiederholen. Es handelt sich um Homografe, also Wörter mit gleicher Schreibung, aber unterschiedlicher Bedeutung – nicht aber um Homophone (Wörter mit gleicher Lautung), wie die nächste Regel erläutert.

Regel 2: Betonung

Welches der Verben im Beispiel trennbar und welches nicht trennbar ist, ob um– also als Partikel oder als Präfix fungiert, lässt sich hier nicht am Erstglied erkennen, sondern durch die Betonung, denn eine weitere Regel besagt,

  • dass Bestandteile, die abgetrennt werden können (Partikeln), betont werden (zurückweisen, wegwerfen), während Präfixe, die nicht abgetrennt werden, unbetont sind (vermissen, entlohnen).

Bei umschauen im obigen Beispiel liegt die Betonung auf der Partikel -um, daher ist dieses Verb trennbar. Hingegen handelt es sich bei um- in umarmen um ein mit dem Verb fest verbundenes Präfix; es ist unbetont und die Betonung liegt stattdessen auf -arm-, sodass hier das Verb nicht getrennt werden kann.

Zudem gilt:

  • Homografe Verben, die zwar gleich geschrieben werden, aber unterschiedliche Betonung aufweisen und somit sowohl trennbar als auch untrennbar vorkommen, haben jeweils verschiedene Bedeutungen.

umfahren
a) Er fährt das Schild um.
b) Er umfährt das Schild.

Beispiel a) verwendet umfahren (mit Betonung auf der ersten Silbe) mit der Bedeutung ›fahrend anstoßen und zu Boden werfen‹, hier fungiert um– also als Partikel. Umfahren (mit der Betonung auf der zweiten Silbe) bedeutet im zweiten Satz ›um etwas herumfahren; fahrend ausweichen‹; hier bildet um- ein Präfix. In infiniter Verwendung gibt also einzig die Betonung Aufschluss darüber, welche Bedeutung zugrunde liegt und wie das Verb zu verstehen ist:

Er wollte das Schild umfahren/umfahren.

Sicherlich stellen (nicht) trennbare Verben eine Besonderheit des Deutschen dar, die Nichtmuttersprachlerinnen und Nichtmuttersprachlern das Erlernen der Sprache mitunter erschweren mag, doch das Anwenden der oben aufgeführten Regeln sollte dies erleichtern. Wie in jeder Fremdsprache gibt es jedoch auch Fälle, in denen nur das Auswendiglernen Abhilfe schafft.