Meldung vom 13. Juni 2008

Wie denken die Deutschen über ihre Muttersprache und über Fremdsprachen?

Im Auftrag der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) sowie in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sprachrat hat das Institut für Demoskopie Allensbach zwischen dem 4. und 17. April 2008 insgesamt 1.820 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählte Personen ab 16 Jahre mündlich-persönlich zum Thema »deutsche Sprache« im weitesten Sinne befragt.

Die Einstellung der Deutschen zum »Sprachverfall«

In der Wahrnehmung einer großen Mehrheit der Bundesbürger droht die deutsche Sprache mehr und mehr zu verkommen. 65 Prozent teilen diese Einschätzung. Vor allem Ältere sorgen sich über einen Verfall der deutschen Sprache, aber auch von den Jungen sieht dies jeder Zweite so.

Vielfältige Ursachen werden dafür angeführt: Dass heute weniger gelesen und mehr ferngesehen wird, dass der Einfluss anderer Sprachen auf die deutsche Sprache stark zunimmt und ganz allgemein weniger Wert gelegt wird auf eine gute Ausdrucksweise schon im Elternhaus, in der Schule, in den Medien, insbesondere auch bei der Kommunikation via SMS oder E-Mail. Hinzu kommen Verunsicherung durch die Rechtschreibreform sowie mehr und mehr unverständliche Abkürzungen. 42 Prozent der Bevölkerung urteilen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger heute schlechter ausdrücken können als noch vor 20, 30 Jahren.

Positiv wird allerdings von jedem Dritten angemerkt, dass der Wortschatz der Leute heute größer ist als früher, dass vor allem durch die Arbeit am Computer mehr gelesen und geschrieben wird als früher (23 Prozent), und 18 Prozent – darunter vor allem viele Jüngere – haben sogar den Eindruck, dass die deutsche Sprache vielseitiger, lebendiger geworden ist.

Rechtschreibreform und Rechtschreibfähigkeiten

Mit der Rechtschreibreform haben sich nur wenige angefreundet (9 Prozent), die Mehrheit, 55 Prozent, spricht sich auch jetzt noch dagegen aus. Vielen ist die Rechtschreibreform letztlich »egal« (31 Prozent).

Spiegelt sich im allgemeinen Lamento über einen »Verfall der Sprachkultur« lediglich eine Verklärung der »guten alten Zeit«? Die Rechtschreibkenntnisse der Bevölkerung jedenfalls haben sich in den letzten 20 Jahren nicht verschlechtert, aber auch – trotz Explosion der höheren Bildungsabschlüsse in diesem Zeitraum – nicht verbessert. Wörter wie Lebensstandard oder Rhythmus konnte damals wie heute nur jeder Zweite bzw. knapp jeder Dritte korrekt schreiben. Und auch Jüngere, unter 30-Jährige, schneiden bei diesem Test nicht schlechter ab als Altersgleiche vor gut 20 Jahren. Zwar reicht dieser kleine Rechtschreibtest nicht aus, das allgemeine Gefühl eines Verfalls der Sprachkultur in Deutschland zu widerlegen, weckt allerdings Zweifel an Pauschalurteilen.

Anglizismen und Fremdsprachen

An die zunehmende Verwendung englischer Ausdrücke wie Kids, Event, Meeting oder E-Mail haben sich inzwischen viele Deutsche gewöhnt, aber 39 Prozent – in überdurchschnittlichem Anteil Ältere ohne Englischkenntnisse – stören sich daran. Junge Deutsche geben jetzt in hohem Anteil an, wenigstens »einigermaßen gut« Englisch zu sprechen oder zu verstehen, ein Urteil, das allerdings in vielen Fällen einem Härtetest nicht standhalten dürfte. Die Verwendung englischer Wörter stört junge Deutsche ganz überwiegend nicht. Seltener als Ältere bedauern sie die Verdrängung der deutschen Sprache, urteilen dagegen häufiger, dass dies die Verständigung mit dem Ausland erleichtert oder die deutsche Sprache moderner, internationaler macht. 19 Prozent der Bevölkerung sind der Ansicht, dass man mit englischen Wörtern oft besser ausdrücken kann, was man eigentlich sagen will.

Die Mehrheit der Bevölkerung fordert eine stärkere Verwendung der deutschen Sprache in der EU (53 Prozent). Auch junge Deutsche sind davon überzeugt, dass die Vielfalt der Sprachen zur kulturellen Vielfalt Europas gehört und erhalten bleiben sollte. Eine Erleichterung der Verständigung, zum Beispiel durch Einigung auf Englisch als gemeinsame Sprache in der EU, würde den kulturellen Verlust nach Meinung der großen Mehrheit nicht aufwiegen (78 Prozent). Kinder sollten heute in der Schule vor allem Englisch (98 Prozent), Französisch (48 Prozent) oder Spanisch lernen (32 Prozent). Fast jeder Fünfte empfiehlt auch Chinesisch (19 Prozent).

Dialekte, »Tabuwörter«, geschlechterbewusstes Formulieren

Dialekt, Mundart wird noch von jedem Zweiten gesprochen, aber mit leicht abnehmender Tendenz. Bayerisch und norddeutsches Platt bleiben am beliebtesten, die verbreitete Abneigung gegenüber dem Sächsischen hat sich eher noch verstärkt.

»Tabuwörter«, Wörter, die der Gossensprache entstammen oder heute nicht (mehr) politisch korrekt sind wie zum Beispiel Idiot oder Scheiße, werden teils von vielen selbst verwendet (71 bzw. 63 Prozent). Über das Wort geil regt sich nur noch jeder Fünfte auf. Wörter wie Titten oder ficken stoßen vor allem Frauen sowie Ältere in hohem Anteil ab.

Uneins sind die Deutschen über die bevorzugte Form der Anrede. Ob generisches Maskulinum (Lieber Teilnehmer), Paarform mit Beidnennung (Liebe Teilnehmerinnen, liebe Teilnehmer) oder eine geschlechtsneutrale Anrede (Liebe Teilnehmende) – keine dieser drei Anredevarianten wird von einer klaren Mehrheit präferiert, aber insgesamt zwei Drittel sowohl der Frauen als auch der Männer sprechen sich für eine der beiden geschlechterbewussten Anreden aus.

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