8. März 2021

8. März: Internationaler Frauentag

Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der GfdS zeigt, dass Frauen in sprachlichen Fragen interessierter sind als Männer. Von den jährlich durchschnittlich 5000 Sprachanfragen, die die GfdS erreichen, stellen Frauen fast Dreiviertel der Fragen, ein gutes Viertel der Anfragen erreicht uns von Männern. Diese formulieren ihre Anfragen dabei lieber schriftlich, während Frauen eher zum Telefonhörer greifen, um in direktem Austausch mit uns über sprachliche Stolpersteine zu sprechen.

Auch die Frage, ob Frauen und Männer unterschiedliche Sprachen sprechen, ist nicht neu. Wenn man hartnäckigen Stereotypen glauben will, dann wäre die Antwort darauf ein klares Ja: Demnach sprechen Frauen viel, Männer wenig, Frauen sprechen über Liebe und diskutieren gern Konflikte, Männer reden am liebsten nur über ihren Job und über Fußball.

Aus Perspektive der Soziolinguistik gibt es hierzu interessante Erkenntnisse. So sind sich viele Studien dazu einig: Frauen und Männer verwenden zwar die gleichen Wörter und dasselbe »System Sprache«, ­sie setzen Sprache jedoch unterschiedlich ein, d. h. sie verwenden andere sprachliche Mittel und sprechen einen sogenannten Genderlekt: Wie ein Dialekt die Sprache in einer bestimmten Region oder ein Soziolekt die Sprache in einem bestimmten sozialen Umfeld bezeichnet, ist der Genderlekt abhängig vom Geschlecht des oder der Sprechenden. Ganz objektiv messbare Unterschiede gibt es z. B. bei Klang, Melodie und Lautstärke der Stimme oder bei der Sprechgeschwindigkeit.

Doch auch andere, weniger gut messbare Merkmale lassen sich in der Sprache von Frauen und der von Männern ausmachen. Eins der hartnäckigsten Stereotypen – Frauen redeten wesentlich mehr als Männer – wurde dabei durch verschiedene Studien widerlegt: Demnach sprechen Frauen und Männer im Durchschnitt täglich etwa gleich viel, doch natürlich gibt es große Unterschiede zwischen einzelnen Individuen; teilweise ist die Differenz der täglich verwendeten Wortanzahl innerhalb eines Geschlechts sogar größer als die Differenz zwischen den beiden Geschlechtern.

Die folgende Gegenüberstellung basiert auf den unten genannten Quellen:

FrauenMänner
konzentrieren sich auf Details und nutzen eine konkretere Sprache (z. B. Tisch, Stuhl);
aber: Frauen in Machtpositionen nutzen auch eher eine abstraktere Sprache
nutzen eine abstraktere Sprache (z. B. Gerechtigkeit, Moral)
Wortschatz weist einen hohen Anteil an emotionalem, empathischem Vokabular aufkonzentrieren sich auf die eigentliche Sache und denken dabei lösungsorientiert
kommunizieren bevorzugt auf der Beziehungsebene, also emotionalkommunizieren bevorzugt auf der Sachebene
Gesprächsthemen drehen sich häufig um die InnenweltGesprächsthemen drehen sich häufig um die Außenwelt
nutzen eher den Konjunktiv und indirekte Sprachmustersprechen direkter, aktivischer, kurz und knapp
Sätze und Satzbau:
– verwenden mehr Nebensätze
– liefern mehr Informationen
– nutzen vermehrt grammatikalische Variationen
– haben einen komplexeren Satzbau
– haben einen wesentlich breitgefächerteren aktiven Wortschatz
Sätze und Satzbau:
– verwenden weniger Nebensätze
– liefern weniger Informationen
– nutzen weniger grammatikalische Variationen
– haben einen weniger komplexeren Satzbau
– haben einen geringeren Wortschatz

Diese zum Teil sehr konträren Merkmale erweisen sich im Alltag als fruchtbarer Boden für Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Frauen und Männern. Doch Achtung: Natürlich können und sollten nicht alle Frauen und alle Männer über einen Kamm geschoren werden; diese Ergebnisse stellen nur einen Querschnitt der Studienergebnisse dar und können nicht auf den Einzelfall übertragen werden.

Die Gründe für die unterschiedliche Sprache von Frauen und Männern sind vielfältig; sie hängen nicht nur mit dem Kontext der sprachlichen Äußerung zusammen, sondern darüber hinaus maßgeblich mit der Sozialisation, der gesellschaftlichen Rollenzuweisung bzw. tradierten Geschlechterrollen und sogar mit den Hormonen. Wer mehr darüber erfahren will, dem seien die folgenden Quellen zum Weiterlesen empfohlen.

Quellen

Nele Ahrens: Frauensprache oder Männersprache? Soziolinguistische Erkenntnisse zum geschlechtspezifischen Sprach- und Kommunikationsverhalten. Seminararbeit 2006. URL: https://www.grin.com/document/80369

Josephine Andreoli: Beziehungskiller Kommunikation: Warum Frauen und Männer unterschiedliche Sprachen sprechen. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland, 25.11.2019. URL:  https://www.rnd.de/liebe-und-partnerschaft/beziehungskiller-kommunikation-warum-frauen-und-manner-unterschiedliche-sprachen-sprechen-HU2SG7LRSVGQRP72IOTH5DM4OU.html

Friederike Braun: Was hat Sprache mit Geschlecht zu tun? Zum Stand linguistischer Frauenforschung. Wiesbaden 1993.URL: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-322-96009-2_8

Kirsten Höppner: Frauensprache – Männersprache. Fiktion oder Realität? Dissertation. Siegen 2002. URL: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiC8MjMn6r2AhUERPEDHZreBqMQFnoECAUQAQ&url=https%3A%2F%2Fdspace.ub.uni-siegen.de%2Fbitstream%2Fubsi%2F37%2F1%2Fhoeppner.pdf&usg=AOvVaw0lWOHj_quQcmPxO79CvixE

Anne Milek und Matthias Mehl: Reden Frauen mehr als Männer? In: Spektrum, 06.05.2020. URL: https://www.spektrum.de/frage/reden-frauen-mehr-als-maenner/1656438

Eveline Schürch: Frauensprache – Männersprache? Eine literarische Untersuchung  geschlechtspezifischer Unterschiede im Sprachverhalten. Masterarbeit. Zürich 2009. URL: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwiU6_Ow_an2AhUMif0HHdLCC0oQFnoECAQQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.igw.edu%2Fdownload.php%3Ffile%3D%2Fwebsite-wAssets%2Fdownloads%2Fabschlussarbeiten%2FFrauensprache_Maennersprache_Schuerch_Eveline_2009.pdf&usg=AOvVaw0O0kihrdr1cgyT7O3rtFMY

Sigrid Zegelmann: FRAUEN REDEN ANDERS – MÄNNER AUCH. In: Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft, 18.03.2020. URL: https://apollon-erfahrungen.de/study_work_life/frauen-reden-anders-maenner-auch/

Zum Weiterlesen

Auch in unserer Zeitschrift Muttersprache haben wir uns schon mit dem Thema Genderlekt auseinandergesetzt. Folgende Beiträge können bei uns bestellt werden:

Bülow, Lars/Herz, Matthias: Undoing Gender? Ein Abgleich sprachpolitischer Maßnahmen in Rechtstexten mit dem tatsächlichen Sprachgebrauch junger Frauen. Heft 2/2015.

Hornberger, Dietrich: Männersprache – Frauensprache. Ein Problem der Sprachkultur? Heft 2/1993.

Guder, Karin/Samel, Ingrid: Muttersprache frauenlos? Männersprache Frauenlos? PolitikerInnen ratlos? Zwiegespräche zum geschlechtsspezifischen Sprachgebrauch [Bericht]. Heft 3/1991

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