Aktionismus ist zu befürchten
Kommentar von Armin Conrad, Stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache
Schon der Name ist ein Unglück für ein begreifliches Anliegen. »Task Force« – das waren Spezialsoldaten, mit denen die USA Kriege gewonnen haben. Mit einer »Task Force« organisiert man Katastropheneinsätze bei Tsunamis und berstenden Atomkraftwerken.
Aber den verständlichen politischen Willen, das Internet hassmailfrei zu machen, mit diesem Begriff aufzuladen, ist problematisch. Und das hat nichts damit zu tun, dass es ursprünglich ein englischer Begriff ist. Längst mental eingedeutscht übrigens, weil ja inzwischen fast jedem Wunsch, dass etwas anders werden soll, durch die Gründung einer Task Force Nachdruck verliehen werden soll.
Hass ist zunächst einmal eine menschliche Emotion, geleitet von sehr starker und tiefer Abneigung gegen Menschen oder Zustände. So hat es Friedrich Kirchner formuliert, ein deutscher Philosoph des späten 19. Jahrhunderts. Wer hasst, ist voller scharfer und anhaltender Antipathie, er möchte »schaden«. Das begründet sich vielleicht im Eigennutzstreben oder im gekränkten Ehrgeiz, in Neid oder in Eifersucht. Hirnforscher haben herausgefunden, dass es für Hass im Kopf eigene Synapsen gibt. Hass ist ein Gefühl, das einfordert, sich ausdrücken zu dürfen. Erich Fromm nennt das Ergebnis »Hassausbrüche«.
Das kann zu strafbaren Handlungen führen, ja, und dafür gibt es Gesetze, weil sich nicht jeder gleich gut im Griff hat. Aber Hass an sich ist keine Straftat und kann auch keine sein.
Was wird die Task Force tun? Wird sie, wie Frau Göring-Eckhardt fordert, ein Löschgremium? Gar ein Bundesnetzwerkamt, das den Gebrauch von Sprache unter staatliche Aufsicht stellt? Man wird nicht umhinkommen zu definieren, welche Verbal-Injurien noch erlaubt und welche straf- und löschbar sind. Geht »Arschloch« noch? Oder »Dumpfbacke«? »Rassist«? Ein durch das Gewand kultureller Korrektheit smart gekleidetes Stück staatlicher Bevormundung rollt da auf uns zu.
Wer in einer offenen Gesellschaft leben will, muss in Kauf nehmen, dass er beschimpft und beleidigt wird, dass sich ein Hass auf ihn verbal entlädt. Er muss nicht in Kauf nehmen, dass er verdroschen oder dass sein Haus angezündet wird. Dafür gibt es Rechtsstaat und Polizei.
Gegen Hasstiraden kann man sich auch sachlich wehren. Facebooks »Counter Speech« ist ein Instrument, das man nicht nur ausprobieren, sondern weiter kultivieren könnte. Doch mittels einer Hass-Task-Force etwas zu löschen und unter Strafe zu stellen, bräuchte einen neuen Menschen und dafür bräuchte es dann: Gentechnik.
Und: Die Praxis ist ausweitbar auf alle möglichen Inhalte verbaler Diskurse. Seit Jahren blicken wir befremdet nach Russland, wenn Oppositionelle wegen »Rowdytum« vor dem Strafrichter landen. Sind wir in Deutschland vor so etwas gefeit?
Oder: Ein Kommentar, wie jüngst von dem Kabarettisten Oliver Kalkofe auf Tele 5, über »parolengrölende Vollidioten«, »hirnfrei lebende Rechtsextremisten«, »Arschloch«; ein Kommentar, den ich für glänzend argumentiert halte: Würde er es durch die Task Force schaffen?
Im Übrigen bin ich eigentlich ganz froh zu wissen, dass dieses Land sich immer noch an seinem latenten Rassismus abarbeitet. Die jüngsten Leutseligkeiten um den »wunderbaren Neger« Roberto Blanco haben es offengelegt.
In den Köpfen der Menschen stecken ganz viele Voreingenommenheiten, manchmal auch gegen sich selbst, und das ist weiß Gott nicht strafbar. Ich möchte eigentlich nicht, dass diese Wahrnehmungen unter den Pflug amtlicher Löschtasten geraten. Nein, Task Force ist kein guter Name und wahrscheinlich auch keine gute Idee.
Armin Conrad