Ausgabe: Der Sprachdienst 1–2/2024

Auf Deutsch gesagt

Buchinfo

Gerhard Augst/Sebastian Kilsbach
Auf Deutsch gesagt. Eine Wortschatzkunde für Deutsch als Fremdsprache

kartoniert, 328 Seiten
ISBN: 978-3-487-08641-5
Georg Olms Verlag

Der Grad der Sprachbeherrschung wird wesentlich bestimmt durch Umfang und Tiefe des Wortschatzes. Für alle, die ihren Wortschatz aus privaten oder beruflichen Gründen ausbauen möchten, ist die Einsicht in den Aufbau des Wortschatzes von großem Nutzen: Welche Typen von festen Wendungen sind wichtig? Wie hilft die Gliederung des Wortschatzes in Wortfamilien? Wie erkennt und speichert man am besten Metaphern? Welche Funktion haben Fachwörter, Bildungswörter oder Regionalismen? Wie setzt man Wörterbücher ein? Wie wirkt sich die Muttersprache auf den Erwerb des deutschen Wortschatzes aus? Das vorliegende Buch gibt Antworten auf diese Fragen aus der Perspektive der Lernenden.

Auf Deutsch gesagt: ein anregendes, in seiner Farbmarkierung regelrecht inspirierendes Lehr- und Studienbuch, das jedoch auch seiner stringenten Gliederung entsprechend als Nachschlagewerk dienen kann. Die erfolgreiche Lektorierung durch den Verlag verdient hohe Anerkennung. Durch die farbigen Balken der Abschnitte A bis H kann der Nutzer sich von seinem Interesse leiten lassen. Von den inhaltlichen Feldern bis zu den Sprachkontaktthemen werden alle Abschnitte durch gezielte Lernhinweise abgeschlossen, die vor allem die wechselseitigen Verknüpfungen in den Blick nehmen (86 f., 138 f., 164 f., 210 f., 236 f., 276 f., 304 f. und 322 f.).

Wie wichtig der Wortschatzaufbau ist für den Einstieg in die Beherrschung des Deutschen, erlebe ich immer wieder bei der Arbeit mit Geflüchteten.

Das Buch kommt seinem Anspruch überzeugend nach, den Lernerwortschatz sinnvoll zu erweitern (9). Dabei setzen die Autoren Erkenntnisse der Psycholinguistik mit der Anwendung funktionaler Verknüpfungen im Inhaltsfeld »Ton« unterhaltsam um (12).

In jeder der sieben ausführlich vorgeführten lexikalischen Strukturen spielt die Muttersprache eine entscheidende Rolle (13). Und die offene Einladung zur Ergänzung an Lernende und Lehrende verfehlt nicht ihre Wirkung, weil die vorliegende Wortauswahl häufig Alternativen und Ergänzungen provoziert. Klar und gut verständlich werden die Nutzer eingeführt (16 f.).

Besonders bewundernswert finde ich die Stiftung von Zusammenhängen und meist auf Doppelseiten – gelegentlich aufgelockert durch Zitate (66) – wie sie sich etwa in der Reihe »Charaktereigenschaften « (53 ff.) – Umweltschutz« (56 ff.) – »Diskutieren – argumentieren« (60 f.) – »Formulierungsroutinen« (62 f.) – »Sprechweisen« (64 f.) ausprägt.

Auch Bezüge im Texthandeln werden in den gewählten Aspekten miteinander und mögliche Lernerbedürfnisse verbunden: zum Beispiel »Vergleich« (129 ff.), »Graduierung« (132 ff.) und »Interjektionen« (135 f.). Schritt für Schritt erwirbt der Lerner Muster, Kontext- und Situationsbedingungen für den eigenen Sprachgebrauch in der Fremdsprache Deutsch.

Eine besondere Herausforderung in der fremden Sprache bilden die Phraseologismen mit ihrer gleichzeitigen Einladung zur Rückbesinnung auf Entsprechungen in der Muttersprache. Überblickshaft werden ihre sprachlichen Realisationen abgebildet (142). Kookkurrenz und Kollokation (149 ff.) werden augenfällig. Besonders intensiv werden in diesem Abschnitt Vergleiche mit der Muttersprache suggeriert (157).

Spannend finde ich den Abschnitt »Wortbildung und Wortstruktur« (167 ff.). Schade jedoch, dass beim Präfix Ge- der Aspekt der Bündelung/ Zusammenfassung, wie er bei den Beispielen (169) sowie bei »Getue, Gebinde, Gesteck, …« feststellbar ist, unerwähnt bleibt. Dafür ergeben sich überraschende Entdeckungen von verwandten Wörtern (172 ff.).

Zur Diskussion um die richtige Entscheidung von Zuordnungen zu einer Teilwortfamilie regt Abschnitt E »Wortfamilie« an (218 f., 222 f., 231).

Wer erinnert sich nicht – bei der Durchsicht des Abschnitts »Polysemie (Bedeutungsfeld)« – an das »Teekesselchen «-Spiel (275), das gewiss in viele Muttersprachen übertragbar ist? Hier wird vor allem die Beziehung zwischen den verschiedenen Wortbedeutungen ausgeleuchtet (239 ff.). Und die Vernetzung zwischen den Abschnitten wird in Redewendungen anschaulich (266 f.), explizit in den Lernhinweisen (276 f.).

Besonders ergiebig ist nach meiner Erfahrung die Diskussion über die Übereinstimmung der Wortbedeutung verschiedener Wörter; dabei schärft sich das Gefühl für sprachliche Differenzierung ebenso wie für die Angemessenheit bestimmter Ausdrücke in bestimmten Situationen (279 f., 285 ff.). Dabei kommen unweigerlich Mundart und regional unterschiedliche Wörter und Aussprachevarianten in den Blick (291 f.). Sie werden in einer Wortschatzliste (293 f.) und in Landkarten von Deutschland, Österreich und der Schweiz (295 ff.) veranschaulicht. Und besonders intensiv dürfte hier der Blick auf die eigene Muttersprache herausgefordert sein (299 ff.). Thema wird der vergleichende Blick vor allem bei Fremdwörtern (310 f.), ähnlichen Wörtern und falschen Freunden (313 f.).

Verdienstvoll finde ich, dass ergänzend der Aufbau von Wörterbüchern erläutert (318 f.) und auf wichtige hingewiesen wird (319 f.).

Besonders kreativ wirkt und zur Ergänzung verlockt der Abschnitt zum »Scherz und Sprachspiel«, zumal sich Zungenbrecher/Zungenzerfitzler in jeder Muttersprache finden lassen dürften.

Das Buch ist ein großartiges Beispiel für ein gelungenes Lehrmittel, das sprachdidaktische und sprachtheoretische Aspekte kreativ und anschaulich verbindet. Es macht ebenso viel Spaß, darin zu stöbern, wie damit kontrastiv, aufmerksam und kritisch zu arbeiten.

Eberhard Ockel