Kommasetzung bei bzw.
[F] Die Kommasetzung bei bzw. verhält sich ja wie die bei und und oder, und nach der neuen amtlichen Rechtschreibung ist das Komma hier bei zwei Hauptsätzen an sich freigestellt. Gibt es aber überhaupt Beispiele dafür, dass bzw. auch vollständige Sätze, Hauptsätze verknüpft? Mir ist keines bekannt, und in den aktuellen Rechtschreibbüchern finde ich nichts.
[A] Die Konjunktion bzw.< kann durchaus – so wie in unzähligen Fällen und und oder – einen eigenständigen Hauptsatz nach sich ziehen, wenn dies auch selten vorkommt. Die neuen Rechtschreibregeln äußern sich zur Kommasetzung bei bzw. in Verbindung mit den sog. »gleichrangigen Teilsätzen« in den Paragraphen 72 und 73. Wenigstens ein Beispiel wird bei § 73 genannt: »Dem Täter ist die Flucht ins Ausland gelungen(,) bzw. er versteckt sich.« Weitere kann man leicht bilden: »Werden Sie morgen nach Bremen fahren(,) bzw. wann machen Sie Ihre Reise nach Norddeutschland?“ Oder: »Er ist nicht zur Arbeit gekommen(,) bzw. er musste doch noch einmal ins Krankenhaus.«
Die Ratgeber Zeichensetzung klipp & klar von Renate Baudusch (2000) und Komma, Punkt und alle anderen Satzzeichen (Dudenverlag 2007) enthalten diese Beispielsätze: »Er hat kein Geld bzw. er gibt vor, keins zu haben« und »Wir fahren nach Griechenland(,) bzw. [= besser gesagt] wir fliegen nach Athen.« sowie »Ich kannte ihn gut(,) bzw. [= oder vielmehr] mein Vater war mit ihm befreundet.«
Renate Baudusch sieht also hier kein Komma vor, während es im Duden-Ratgeber – mit Recht, wie ich meine – als möglich in Klammern gesetzt wird. Auch die erläuternden Zusätze »besser gesagt« und »oder vielmehr« sind plausibel, denn beziehungsweise, abgekürzt bzw., ist nicht in jedem Fall durch oder (gelegentlich auch und) zu ersetzen.
Übrigens ist beziehungsweise ein interessantes Wort. Belegt seit Mitte des 18. Jahrhunderts, wurde es seinerzeit als Adverb gebraucht im Sinne von ›je nach Beziehung‹, so wie es etwa aus diesem Schiller-Zitat hervorgeht: »Meinungen, welche in diesen Briefen vorgetragen werden, können also auch nur beziehungsweise wahr oder falsch sein« – oder auch aus einem Eintrag von Adelung in seinem Wörterbuch: »Klein, -er, -ste […] welches allemahl beziehungsweise gebraucht wird, ein geringeres Maß der Ausdehnung habend als ein anderer Körper; im Gegensatze des groß.«
Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich beziehungsweise als Konjunktion im heutigen Gebrauch herausgebildet, als Verdeutschung von respective, wobei es oft als typischer Ausdruck der Kanzlei- und Behördensprache kritisch betrachtet wird.