Das Homonym Bank
[F] Wie kommt es eigentlich zu dem Homonym Bank, einerseits mit der Bedeutung einer Sitzgelegenheit, andererseits eines Geldinstituts?
[A] Es gibt zahlreiche mehrdeutige Wörter in der deutschen Sprache. Sprachwissenschaftlich lassen sich mehrdeutige Wörter unterscheiden in Homonyme und Polyseme: Homonym ist ein Wort dann, wenn seine verschiedenen Bedeutungen keine gemeinsame Eigenschaft aufweisen, so etwa bei der Ball einerseits als ›Tanzfest‹ und andererseits als ›kugelförmiger Gegenstand‹. Polysem hingegen sind vieldeutige Wörter, deren unterschiedliche Bedeutungen miteinander in Verbindung gebracht werden können, so etwa gehen: Die Frau geht, der Teig geht, die Uhr geht etc. – hier wird jeweils bezeichnet, dass sich jemand/etwas räumlich bzw. zeitlich bewegt.
Nun stellt sich die Frage, wie es zu Mehrdeutigkeiten eines Wortes kommt. Bei dem Homonym Ball gehen die verschiedenen Bedeutungen darauf zurück, dass die zugrundeliegenden Wörter Ball ›Tanzfest‹ und Ball ›kugelförmiger (mit Luft aufgeblasener) Gegenstand‹ unterschiedliche sprachgeschichtliche Wurzeln haben: Der Ball als ›Tanzfest‹ wurde im 17. Jh. von dem französischen Wort bal entlehnt, welches aus dem altfranzösischen Verb baller ›tanzen‹ hervorgeht (ebenso wie die Wörter Ballerina, Ballett, Ballade). Der Ball mit der Bedeutung ›kugelförmiger Gegenstand‹ ist ebenso aus dem Französischen entlehnt, jedoch von dem Wort balle ›Kugel‹, welches auf die indogermanische Wurzel *bhel- ›schwellen, strotzen, aufblasen, quellen, sprudeln‹ zurückgeht. Hier ist die Entstehung eines Homonyms durch die Entlehnung zweier Wörter aus dem Französischen entstanden, die im Deutschen in gleicher Schreibweise realisiert wurden.
Bei Bank ›Sitzgelegenheit‹ und Bank ›Geldinstitut‹ handelt es sich etymologisch hingegen um ein und dasselbe Wort, das in der außersprachlichen Welt im Laufe der Zeit zwei Bedeutungen entwickelt hat, welche stark voneinander zu unterscheiden sind und heute keinerlei Gemeinsamkeiten mehr erkennen lassen. Die ältere Bedeutung des Wortes Bank ist jene, welche schon im Altisländischen mit dem Wort bakki beschrieben wurde, das einerseits auf ›Hügel, Flussufer‹ hindeutete, andererseits auf eine ›Erhöhung‹, auf der Platz genommen werden kann, entsprechend einer ›Sitzgelegenheit‹. Hierzulande ist sie erstmals im 9. Jh. belegt. Auch in den romanischen Sprachen finden sich die damit verwandten Wörter für die Bank (frz. le banc, span. el banco, ital. il banco ›Sitzgelegenheit‹). Hieraus ergibt sich schließlich auch die zweite Bedeutung ›Geldinstitut‹, die im 13. Jh. entstand: Geldwechsler nutzten die Bank im Sinne eines Tisches oder einer Erhöhung (vgl. auch Werkbank bzw. Sandbank), um ihre Geschäfte zu tätigen, sodass Bank bald nicht mehr nur die Sitzgelegenheit, sondern auch den Ort bezeichnete, an dem Geld gewechselt wurde. An der Wiege des modernen europäischen Bankwesens standen italienische Geldwechsler und Kaufleute, und so ist anzunehmen, dass sich diese neue Bedeutung zunächst im Italienischen entwickelte. Seit dem 15. Jahrhundert gelangten italienische Fachwörter in die deutsche Sprache, so etwa Kasse, Prokura, Konto, Saldo, Bilanz, Diskont, Skonto, brutto, nett o und letztlich auch die Bank mit ihrer hinzugewonnenen Bedeutung: Mit der im Italienischen entwickelten Bedeutung ›langer Tisch des Geldwechslers‹ wurde das Wort banca rückentlehnt (im Italienischen unterscheidet sich das Wort für ›Geldinstitut‹ im Genus von dem der ›Sitzgelegenheit‹) und das bereits existierende Wort Bank ›Sitzgelegenheit‹ erhielt die zweite Bedeutung ›Geldinstitut‹, eine Bedeutung, die im mittelhochdeutschen Wort wehselbanc ›Wechselbank‹ noch erkennbar ist. Ursprünglich war die Bank mit ihren zwei Bedeutungen also zunächst ein Polysem; ein Zusammenhang zwischen diesen Bedeutungen lässt sich jedoch heute nicht mehr erkennen, wodurch die Bank inzwischen als Homonym gesehen wird.
Übrigens: Welche der beiden Bedeutungen von Bank gemeint ist, wird in den meisten Fällen aus dem Kontext des Textes bzw. Gesprächs klar, jedenfalls dann, wenn Bank nur im Singular gebraucht wird. In der Pluralform sind sie nämlich klar voneinander zu trennen: Das ältere Wort Bank als ›Sitzgelegenheit‹ hat die Pluralform Bänke. Zu dem aus dem Italienischen rückentlehnten Wort Bank ›Geldinstitut‹ lautet der Plural Banken. Neuere Komposita wie Blutbank, Organbank, Datenbank, die jeweils eine ›Aufbewahrungsstelle für bestimmte auf Abruf verfügbare Dinge‹ bezeichnen, schließen an Bank als ›Geldinstitut‹ an, weshalb ihr Plural deshalb Blutbanken, Organbanken und Datenbanken lautet.
Quellen
Duden. Die deutsche Rechtschreibung. Berlin 2020.
Duden. Das Herkunftswörterbuch. Mannheim 2010.
Duden. Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle. Berlin 2021.
Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin 2011.
Zum Weiterlesen
Hier gibt es weitere Informationen zur Homonymie/Polysemie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Polysemie
https://www.studysmarter.de/schule/deutsch/sprachanalyse/homonym/
https://linguistik.online/2022/06/05/was-ist-polysemie/