18. Juni 2024
Die Fußballsprache: Bewegendes und Bewegtes zwischen Traumtreffer und Klischee
Fußballspiele sind für Kommentatoren eine Fundgrube an Sprachbildern. Dabei ist nicht alles, was kickt, auch ein Treffer: Manchmal werden Metaphern, also sprachliche Bedeutungsübertragungen, so häufig gebraucht, dass sie längst im Alltag heimisch sind oder sogar als Klischees wirken. Wenn der Schiri wieder mal Tomaten auf den Augen hat und ein Abseits nicht abpfeift, ärgern sich Fußballfans, wundern sich aber nicht über die Redewendung, die sie selbst sicher auch schon benutzt haben.
Metaphern in der Fußballsprache zeichnen sich nicht immer, aber manchmal dadurch aus, dass ihre Bedeutung auch ohne Hintergrundwissen klar ist. Wenn von einem Chancenfeuerwerk die Rede ist wie beim Champions-League-Finale Anfang Juni, das die Dortmunder trotz zahlreicher Möglichkeiten verloren haben, dann hoffen doch alle, dass dieses Schicksal der Nationalelf versagt bleibt. Besonders interessant sind Fachausdrücke im Fußball, die zumindest einmal ursprünglich metaphorisch waren – und die auch Laien kennen. Werfen wir einen Blick darauf.
Was ist eine Metapher?
Eine Metapher bezeichnet ein Wort oder eine Wortgruppe, die aus dem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen wird. So werden Wörter »uneigentlich« gebraucht: Niemand erwartet, dass Leroy Sané, der den Ball unter die Latte nagelt, in eine Werkzeugkiste greift oder dass Torwart Manuel Neuer, wenn er die Mauer dirigiert, Steine von links nach rechts befiehlt. [1]
Insofern können Metaphern auch als Mittel der Vereinfachung betrachtet werden, vor allem, wenn sie oft verwendet werden und ihre Entschlüsselung entfällt. Trotzdem scheint die Fußballsprache oft auch nicht selbsterklärend zu sein, denn in Wörterbüchern der Fußballsprache gibt es zum Teil sehr unterhaltsame und manchmal auch humorvolle Übersetzungen: Ein Pfostenschuss, darauf verweist Armin Burkhardt (2006, S. 221), ist »kein mysteriöses Torstangenwachstum, sondern ein Torschuss, bei dem der Ball einen Pfosten trifft«, und eine Dreierkette hält niemand für »eine Halskette der Größe drei«, sondern für eine »Abwehrkette aus drei Abwehrspielern […]« (ebd., S. 80). Dass es bei fast jedem Fußballspiel zu Beinschüssen kommt, obwohl das Hantieren mit Schusswaffen auf dem Spielfeld strengstens verboten ist, ist im »Langenscheidt Fußball – Deutsch, Deutsch – Fußball« nachzulesen (Delling, S. 23, 2007).
Von Abseitsfallen, Flankengöttern und Sturmtanks
Wer kein eingefleischter Fußballfan ist, für den sind diese Übersetzungen also durchaus hilfreich, und für Fans des runden Leders werden die Spiele dadurch (vielleicht) noch etwas spannender. Ob eine Metapher als solche wahrgenommen wird oder nicht, hängt indes auch davon ab, ob und wie oft sie vom Sprechenden verwendet wird. Darauf weist Rainer Küster hin (2009: 66–67): Es liege auf der Hand, dass Menschen, »die regelmäßig mit solchen Ausdrücken umgehen wie Sportler, Trainer, Sportlehrer, diese nicht mehr als Metaphern empfinden. Andererseits gibt es immer Menschen, die sich in einer Sportart nicht auskennen […]. Für sie können die metaphorischen Rückverweise der entsprechenden Ausdrücke auf die uneigentliche Ebene durchaus wichtig für das Verständnis sportsprachlicher Zusammenhänge sein. Das heißt, dass in solchen Kommunikationssituationen Metaphorizität im Spiel ist, während anderen Kommunikationspartnern derartige Ausdrücke nur als tote Metaphern erscheinen.«
Quellen
Burkhardt, Armin: Das Wörterbuch der Fußballsprache. Göttingen 2006.
Delling, Gerhard: Langenscheidt Fußball – Deutsch, Deutsch – Fußball. München/Berlin 2009.
Küster, Rainer: »Metaphern in der Sportsprache.« In: Armin Burkhardt/Peter Schlobinski (Hgg.): Flickflack, Foul und Tsukahara. Der Sport und seine Sprache. Mannheim 2009 (= Duden, Thema Deutsch, Band 10), S. 60–79.
WDR-Beitrag »Die Maus: Fußballfloskeln wörtlich genommen«, ARD-Mediathek, aktualisiert am 08.06.2021. https://www.ardmediathek.de/video/die-maus/fussballfloskeln-woertlichgenommen/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTc3MjI2MWFkLTI0OTAtMTFlNS1hOWE3LTUyMjFhZjBjMmJiNQ?isChildContent= (Stand 04.06.2024).
[1] Bildlich in Szene gesetzt wurden diese Beispiele für Kinder im Rahmen der WM 2014 in einem WDR-Beitrag »Die Maus: Fußballfloskeln wörtlich genommen«,
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