Ausgabe: Der Sprachdienst 4-5/2020

Die Maske

Zwei Maskenträger. CC-Lizenz

Das könnte der Titel eines Films sein – und war es tatsächlich auch schon. Doch damit wird sich der folgende Text nicht beschäftigen, sondern vielmehr mit einem neuen Phänomen unseres Alltags, das für den einen oder die andere auch etwas Unwirkliches haben mag.

Natürlich ist die Rede von der Mund-Nase-Bedeckung, die in Corona-Zeiten zu unserem öffentlichen Erscheinungsbild gehört und gehören sollte. Das Wort Maske kennen wir bereits, daran ist nichts Neues. Doch hätten Sie geahnt, wie vielfältig einerseits seine Bedeutungen sind und wie zahlreich die Bezeichnungen für die derzeit geforderte Mund-Nase-Bedeckung in öffentlichen Räumen? Beides soll in diesem Zeit-Wort näher betrachtet werden, bevor wir uns abschließend noch eine kleine grammatikalische Besonderheit anschauen.

Das Wort Maske stammt nicht ursprünglich aus dem Französischen (masque) oder dem Italienischen (maschera, älter: mascara), sondern wurde über diese Sprachen aus dem Arabischen entlehnt. Das arabische masharah bedeutet so viel wie ›Verspottung, Possenreißer; drollig‹. Heute weist das Wort Maske verschiedene Bedeutung auf, von denen die meisten mit dem Gesicht und mit einer Art der Bedeckung zu tun haben.

So ist eine Maske erstens etwas, das man vor oder auf dem Gesicht trägt. Das kann eine Theatermaske sein, also eine Form, die ein anderes Gesicht oder einen bestimmten Gesichtsausdruck darstellt, etwa eine Teufelsmaske. Im übertragenen Sinn können Menschen auch eine Maske tragen, wenn sie beispielsweise nicht ihre wahren Gefühle und Gemütszustände zeigen oder etwas verbergen wollen, anderen also etwas vorspielen. Ebenso kann eine Maske eine exakte Nachbildung eines bestimmten Gesichts sein (etwa durch einen Gipsabdruck), z. B. eine Totenmaske. Auch eine Atemmaske oder eine Gasmaske trägt man zu einem bestimmten Zweck – meist zum Schutz – vor dem Gesicht. Eine Gesichtsmaske jedoch ist eine Creme, die sich wie ein Film auf das Gesicht legt, man trägt sie also direkt auf dem Gesicht bzw. bringt die Creme dort auf. In dieser Weise kann auch eine Theatermaske aufgeschminkt sein und muss nicht notwendigerweise eine vor dem Gesicht getragene Form bezeichnen. Im übertragenen Sinn ist eine Maske auch der Ort, wo Schauspieler/-innen vor ihrem Auf tritt geschminkt werden. In diese Kategorie lässt sich, etwas weitläufiger, auch die Maske einordnen, die aus der Zoologie bekannt ist, nämlich die farbige Gesichtszeichnung bei Tieren; beim Schwein allerdings ist die Maske sozusagen das Gesicht selbst: Es handelt sich um die Kopfhaut des geschlachteten Schweins, die z. B. zu Sülze verarbeitet wird.

Zweitens gibt es Masken, die nichts mit dem Gesicht zu tun haben, bei denen es aber darum geht, eine zugrundeliegende Form zu überdecken und dadurch anders darzustellen. Dies ist der Fall im Bereich der EDV: Dort dienen Masken dazu, die darunterliegenden Daten zu strukturieren und in einer lesbaren, verständlichen Form darzustellen oder, andersherum, Daten auf strukturierte Weise in ein System einzutragen. In der Fotografie dient eine Maske einerseits als Schablone, um damit das Negativ beim Belichten abzudecken, und andererseits ist sie dort ein halbdurchlässiger Filter, mit dem Farb- und Tonwerte des Fotos korrigiert werden können.

So viel zu den unterschiedlichen Bedeutungen von Maske. Die Maske, die aktuell zumeist gemeint ist, wenn von ihr die Rede ist, ist diejenige, die man (zum Schutz) vor dem Gesicht trägt. In der Regel soll derjenige dadurch geschützt oder unterstützt werden, der sie trägt: Gasmasken, Atem(schutz)masken und Schutzmasken schützen vor in der Luft befindlichen Gasen oder Giftstoffen, Beatmungsmasken oder Sauerstoffmasken unterstützen die Tragenden bei der Atmung. Der große Unterschied: Die Masken, die wir in Corona-Zeiten tragen, dienen vorwiegend nicht dem eigenen Schutz, sondern dem unserer Mitmenschen; durch das Tragen einer Maske soll verhindert werden, dass sich Coronaviren beim Sprechen oder Atmen im Raum verteilen (die sog. Aerosole), um dadurch die Gefahr zu verringern, bei eigener Infektion (von der man ja vielleicht noch nichts weiß) andere Menschen anzustecken.

Inzwischen gibt es zahlreiche Bezeichnungen und Arten dieser Corona- Masken: Wir kennen sie in offiziellen Kontexten als Mund-Nase(n)-Schutz (kurz MNS) oder Mund-Nase(n)-Bedeckung. Dies sagt noch nichts über ihre Beschaffenheit aus: Während FFP1– oder FFP2-Masken zu einer professionellen Ausstattung von medizinischem oder Pflegepersonal gehören, tragen Otto-Normal-Verbraucher eher Einmal- oder Einwegmasken aus dünnerem Material, die nach einmaligem Gebrauch entsorgt werden. Wiederverwendbare oder waschbare Masken bestehen häufig aus bunten Baumwollstoffen in den verschiedensten Formen und Farben; sie sind in der Regel gemeint, wenn von Gesichts-, Alltags-, DIY- (= do it yourself), Behelfs- oder Community-Masken die Rede ist. Auch saloppe oder mundartliche Bezeichnungen nehmen zu: Von Norddeutschland ausgehend hat sich so etwa der Schnutenpulli (niederdeutsch: Snutenpulli) in der gesamten Republik verbreitet (und wurde just zum plattdeutschen Wort des Jahres gewählt), in Köln sagt man Schnüssjardinche, auf Hessisch Babbellappe, auf Fränkisch Gschmarrifilter (›Schwachsinnsfilter‹); außerdem wurden schon Wörter wie Virenbinde, Maulkorb, Waffelrollo, Goschenhalter, Gesichtspampers, Rotzfänger, Spuckbremse, Sabberlatz, Plapperdeckel gehört.

Die Bezeichnung Mund-Nase(n)-Schutz wird laut Digitalem Wörterbuch der deutschen Sprache erst seit Mitte der 1990er-Jahre verwendet, besonders seit 2014 immer häufiger. Aktuelle Zahlen aus 2020 liegen noch nicht vor, doch wir vermuten, dass die Verwendung noch einmal exponentiell zugenommen haben dürfte.

Menschen mit Maske gehörten in Deutschland bisher nicht zum üblichen Straßenbild. In einigen asiatischen Ländern war der MNS dagegen schon vor Corona verbreitet, und Touristen von dort fielen bei uns auf, wenn sie ihre Masken auch im Urlaub trugen. Aktuell ist es genau umgekehrt; wer im öffentlichen Raum unterwegs ist, ist dazu angehalten, eine Maske zu tragen: im Zug, beim Einkaufen, auf dem Wochenmarkt, überall dort, wo der empfohlene Abstand von 1,50 m nicht sinnvoll eingehalten werden kann, aber auch dort, wo viele Menschen aufeinandertreffen. So fällt es heute ins Auge, wenn sich jemand nicht an dieses Vermummungsgebot hält und ohne Maske unterwegs ist. Die Maske ist zum Mask-have geworden.

Einen kurzen Blick wollen wir noch auf die Grammatik werfen: Ist Ihnen aufgefallen, dass wir von der Formulierung eine Maske tragen still und leise zur Formulierung Maske tragen übergegangen sind und den Artikel weglassen? Hier gibt es einen wesentlichen Unterschied: Wird der Artikel verwendet, wird eine aktuelle Gegebenheit beschrieben; etwas findet jetzt statt und besteht nur zum Zeitpunkt der Beschreibung, aber eine Regelmäßigkeit oder gar eine Grundeinstellung lässt sich daraus nicht ableiten: Die Bäuerin trägt ein Kopftuch, der Bewerber trägt einen Anzug, der Clown trägt eine Maske. Fällt der Artikel weg, so kann von einer grundsätzlichen Eigenschaft, ja einer Einstellung des Tragenden ausgegangen werden, die über das faktisch Ausgedrückte hinausgeht: Die Kollegin trägt Kopftuch (weil es ihre Religion so vorsieht), der Mann trägt Anzug (weil es in seinem Beruf erwartet wird), die Fahrradfahrerin trägt Helm (weil sie davon überzeugt ist, dass sie dadurch besser geschützt ist), ich trage Maske (weil dadurch das Virus eingedämmt werden kann). Bei all diesen Beispielen fällt zudem auf, dass es nicht auf den jetzigen Zeitpunkt zutreffen muss: Ich trage Maske, aber im Moment bin ich allein im Raum und trage keine. Er trägt Anzug, aber heute kommt er in Shorts. Sie trägt Kopftuch, aber beim Baden nimmt sie es ab. Und auch im Plural lässt sich ein Unterschied feststellen: Die drei Ärztinnen tragen Masken vs. wir alle sollten Maske tragen – auch dadurch kommt zum Ausdruck, dass es sich nicht um eine einfache Beschreibung des Jetzt-Zustands handelt, sondern um eine grundsätzliche Einstellung.

In diesem Sinne: Tragen auch Sie Maske!

Frauke Rüdebusch