Greenwashing
Ein neues Schlagwort ist am Klimahorizont aufgetaucht: Greenwashing. Klingt erst einmal gut, denn »grün« ist ja meistens mit den Klimazielen vereinbar und treibt diese sogar voran. Es scheint auch ökologisch korrekt zu sein, denn es wirkt irgendwie »sauber«. Klar, hier geht es ja auch ums Waschen. Dass Greenwashing aber eigentlich gar nicht das hält, was es verspricht, sehen wir uns heute etwas genauer an.
Wörtlich übersetzt bedeutet das Wort ›grünwaschen‹ und wird vom Duden als »abwertend« markiert. Es steht in einem engen Zusammenhang mit dem Wort Etikettenschwindel und beschreibt laut Duden den »Versuch (von Firmen, Institutionen), sich durch Geldspenden für ökologische Projekte, PR-Maßnahmen o. Ä. als besonders umweltbewusst und umweltfreundlich darzustellen«. Um den eigenen Ruf aufzupolieren und besonders finanzielle oder Wettbewerbsvorteile zu erhalten, wird also bewusst und als Teil der Marketingstrategie ein klimafreundliches, nachhaltiges Bild vermittelt, das jedoch nicht den Tatsachen entspricht. Das heißt, Firmen nutzen Schlagwörter wie grün, nachhaltig oder klimaneutral, um sich selbst ein umweltbewusstes Image zu geben; in der Realität tun sie jedoch wenig bis nichts für den Klimaschutz, tragen im schlimmsten Fall sogar zur Umweltzerstörung bei. Schon 2009 brachte der Spiegel dies auf den Punkt: »In der Summe oft irrelevantes grünes Engagement wird öffentlichkeitswirksam überbetont, um gleichzeitig von schädlichem Verhalten abzulenken.« (Spiegel Online, 17.12.2009) Ein Beispiel: Ein Modeunternehmen wirbt dafür, dass es nun Papier- statt Plastiktüten verwendet, und verschweigt dabei, dass die Produktion billiger Kleidung nicht nur Kinderarbeit beinhaltet, sondern massiv auch zur Umweltverschmutzung beiträgt. Auch dass erst kürzlich fossile Brennstoffe wie Atomkraft und Gas als »grün« und damit umweltfreundlich eingestuft wurden, täuscht darüber hinweg, dass durch Gewinnung und Transport dieser Energieformen so viel Methan freigesetzt wird, dass sie sich im Hinblick auf den Treibhauseffekt kaum noch von Kohle unterscheiden. Ganz simpel funktioniert Greenwashing auch dadurch, dass Produkte rein visuell einen umweltfreundlichen Anstrich bekommen, indem die Verpackung grün ist und Pflanzen oder Früchte abgebildet werden.
Übersetzen lässt sich das englische Wort Greenwashing mit dem deutschen Ausdruck Grünfärberei, angelehnt an Schönfärberei ›eine schlechte Sache besser darstellen‹. Englisch ist hier die Rede von whitewashing im Sinne von ›weißwaschen, reinwaschen, sich eine weiße Weste verschaffen‹ mit der Bedeutung ›sich von einer Schuld, einem Verdacht befreien‹. Da schließt sich der Kreis, denn wird hier das Farbadjektiv ausgetauscht, kommen wir zurück zum Greenwashing ›grünwaschen‹; grün steht dabei symbolisch für Natur und Umweltschutz. Hiermit in Zusammenhang steht auch die Redewendung einer Sache ein [grünes] Mäntelchen umhängen im Sinne von ›etwas bemänteln‹, d. h. ›etwas beschönigen, verharmlosen, verbergen, verschleiern, vertuschen‹.
Das Wort Greenwashing vernimmt man bei uns seit 2006, doch erst seit 2016 steigt seine Häufigkeit stark an. Auch Grünfärberei vernimmt man seitdem häufiger, wenngleich es bereits zu Beginn der 1980er-Jahre einen ersten Auftritt hatte, dann aber wieder verschwand. Positiv dabei ist: Je mehr Aufmerksamkeit das Wort erhält, desto mehr wird der Blick auch auf das gerichtet, was dahintersteckt, und klimaschädliche Machenschaften werden mitunter schneller enttarnt.
Inzwischen gibt es ein weiteres Wort in dieser Reihe, mit einem weiteren Farbadjektiv: Pinkwashing. Gemeint ist hiermit, dass Firmen den Eindruck erwecken wollen, weltoffen und fortschrittlich zu sein, indem sie sich mit der LGBTQ*-Gemeinschaft solidarisieren. Bei genauerem Hinschauen lässt sich jedoch feststellen, dass es sich auch hier nur um oberflächliche Werbemaßnahmen handelt und nicht um eine tatsächliche oder aktive Unterstützung der Bewegung.
Gerade im Zusammenhang mit Natur- und Klimaschutz gibt es weitere Ausdrücke, die vielfach als Blendbegriffe fungieren. Dazu gehört etwa auch CO2-neutral oder klimaneutral. Gemeint ist damit, dass das Klima durch ein bestimmtes Produkt oder seine Herstellung in Summe keine CO2-Emissionen verursacht bzw. das Klima weder positiv noch negativ beeinflusst. Das klingt erst einmal gut, doch blickt man hinter die Kulissen dessen, wie Klimaneutralität mitunter erreicht wird, wird schnell deutlich, dass auch hier eine Art von Greenwashing betrieben wird: Viele Firmen leisten Kompensationen, um noch immer klimaschädliche Produkte oder Prozesse mit dem Etikett klimaneutral versehen zu können. So kaufen sie z. B. CO2-Gutschriften, die von Klimaschutzprojekten generiert werden – hier jedoch gibt es zahlreiche Kritikpunkte, durch die eine tatsächlich klimaschützende Wirkung verpufft. Ein eindrückliches Beispiel: Die WM in Katar bezeichnete sich selbst trotz massiver Emissionen als klimaneutral.
Dass es für Firmen so einfach ist, Greenwashing zu betreiben, liegt auch und vor allem daran, dass die mit Umwelt- und Klimaschutz in Verbindung stehenden Begrifflichkeiten nicht geschützt sind. Ein jedes Unternehmen darf Wörter oder Wortbestandteile wie nachhaltig, grün, umweltfreundlich, klimaneutral, natürlich, Natur-, Pflanzen-, Bio– verwenden, ohne nachzuweisen, dass es die damit verbundenen Versprechen tatsächlich erfüllt. Zwar plant die Europäische Kommission derzeit Gesetze, durch die Umweltwerbung besser geregelt werden soll, doch die Mühlen mahlen langsam und bringen wiederum einen Berg an Bürokratie mit sich. Bis sich hier etwas tut, obliegt es wohl jeder und jedem Einzelnen, sich gut zu informieren und verantwortungsbewusst zu konsumieren.
Frauke Rüdebusch