Ausgabe: Der Sprachdienst 5/2021

Harald Haarmann: Die seltsamsten Sprachen der Welt

Buchinfo

Harald Haarmann
Die seltsamsten Sprachen der Welt. Von Klicklauten und hundert Arten, ich zu sagen

Gebunden, 206 Seiten, ISBN: 978-3-406-76726-5, C. H. Beck

Viele Sprachen erscheinen uns fremdartig, weil wir ihre Schnalzlaute nicht hervorbringen oder ihren Satzbau mit den vertrauten grammatischen Rastern nicht erfassen können. Harald Haarmann beschreibt kurzweilig und kenntnisreich 49 Sprachen mit seltsamen Eigenheiten: ungewöhnliche Lautsysteme, fremdartige Grammatiken, sonderbare Wortschätze, seltsame Zählweisen, Sprachen, die sich je nach sozialer Beziehung ändern, spezielle Sakralsprachen, rätselhafte Schriften sowie Plansprachen. Viele dieser Sprachen erscheinen aus der Sicht des Deutschen seltsam, aber beschrieben werden auch Sprachen, die seltene Eigenheiten aufweisen. So rückt auch das Deutsche selbst mit seinen einzigartigen Schachtelsätzen ins Visier.

Ob etwas seltsam ist oder nicht, ist nicht objektiv, sondern abhängig vom Betrachter. Amerikanische Linguisten haben eine Rangfolge für die seltsamsten Sprachen erstellt. Die deutsche Sprache kam auf Platz 10. Das Buch vom Sprachwissenschaftler Harald Haarmann behandelt die Sprachen aus der Sicht der Deutschen, allerdings ohne Bewertung. Die 49 Beiträge lesen sich wie Kurzgeschichten und sind völlig unabhängig voneinander zu lesen. Man kann also in der Mitte, beim letzten Beitrag oder eben auch vorne anfangen zu lesen. Beiträge, die thematisch zusammenpassen, findet man auch im selben Kapitel, zum Beispiel: Lautsysteme, Grammatik oder Wortschätze. Und dort befinden sie sich auch wieder ohne weitere Ordnung. Es ist also kein Nachschlagewerk und hat auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Und obwohl das Buch aus der Sicht der Deutschen behandelt wird, kommt die deutsche Sprache auch darin vor: unter dem Begriff Pidgin mit einer »kleinen kanakendeutschen Grammatik«. Auch deutsche Bandwurmsätze haben einen eigenen Beitrag in dem Buch.

In jedem Beitrag wird eine einzelne Eigenart herausgepickt. Die Filipinos zählen in der Sprache Tagalog auf Spanisch, der Sprache der ehemaligen Kolonialherren. In der koreanischen Sprache gibt es zwei verschiedene Arten von Zahlwörtern: Für Minuten werden andere Zahlwörter benutzt als für die Stunden. Und nicht alle Sprachen haben das Zehner-System als Grundlage für die Zahlen, manche Sprachen haben dafür das Zwanziger-System. Wieder andere Sprachen haben das Zwanziger-System nur teilweise, wie das Französische bei den Zahlen von 80 bis 99. Nicht aufgeführt sind die eigenständigen Zahlwörter zwischen 10 und 19 und die zusammengesetzten. Im Deutschen und Englischen beginnen die mit der Zahl 10 zusammengesetzten Zahlen bei 13, im Französischen bei 17. Ob es Sprachen gibt, die bereits bei 11 beginnen oder Sprachen, die bis 19 eigenständige Wörter haben, wäre wert, in einer neuen Auf lage aufzunehmen. Auch ob das Voranstellen der Einer bei den Zahlen bis 99 eine deutsche oder germanische Seltsamkeit ist, geht aus dem Buch nicht hervor.

Die Klick- oder Schnalzlaute findet man im südlichen Afrika in den Khoisan- Sprachen. Ubychisch – eine kaukasische Sprache – kommt mit nur zwei Vokalen aus, hat dafür aber 80 Konsonanten. Der Hahnenschrei heißt nicht überall Kikeriki, sondern wird in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich nachempfunden, ebenso das Gackern der Hühner.

In der Sprache Somali gibt es über zweihundert Worte für Kamel und bei den Saamen in Lappland mehr als zwanzig Begriffe für unterschiedliche Schneequalitäten, die für das Leben mit den Rentieren wichtig sind.

Das Baskische ist eine Sprache, in der Verwandtschaftsverhältnisse besonders hervorgehoben werden. So wird die Schwester einer Frau anders bezeichnet als die Schwester eines Mannes, ebenso der Bruder einer Frau anders als der Bruder eines Mannes.

Die armenische Sprache – von der Grammatik her eine indogermanische Sprache – zeichnet sich dadurch aus, dass sie nur vierhundertfünfzig einheimische, also indogermanische Wörter hat, aber mehrere Tausend Lehnwörter aus kaukasischen, also nichtindogermanischen Sprachen.

Bei den hundert Arten in der Sprache Khmer in Kambodscha, ich zu sagen, werden Unterschiede im Sozialstatus des/der Sprechenden und des/der Angeredeten mit angegeben. Da spielt es schon eine Rolle, ob man mit einem Mönch, einer Frau, jemand Jüngerem oder jemand Älterem spricht.

Neuhebräisch ist eine Plansprache und für diejenigen, denen Gleichberechtigung wichtig ist, stellt Harald Haarmann noch eine Sprache für die Gleichberechtigung unter den Völkern vor: Esperanto.

Meier, Offenbach