Ausgabe: Der Sprachdienst 5/2021

Robert Sedlaczek: Sprachwitz

Buchinfo

Robert Sedlaczek
Sprachwitze
Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln. Mit mehr als 500 Beispielen
Gebunden, 344 Seiten. ISBN: 978-3-7099-3494-4. HAYMON Verlag

Anhand von mehr als 500 Beispielen analysiert Robert Sedlaczek, wie Sprachwitze funktionieren und verfolgt eine Entwicklungslinie zurück: Von den Doppelconférencen der 1950er- und 1960er-Jahre über die großen Kabarettisten der Zwischenkriegszeit und dem Jargonstück »Die Klabriaspartie« bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, wo aus den Schwänken, Anekdoten und Aphorismen jene Witze mit prononcierten Pointen entstanden, über die wir heute noch lachen. Auf der Suche nach den Wurzeln der Sprachwitze wendet er sich besonders dem jüdischen Humor zu. Robert Sedlaczek seziert moderne Flachwitze und ewig junge jüdische Witze, bringt Beispiele aus neuen Witzesammlungen und aus alten Kabarettprogrammen. Das erste umfassende Buch über Sprachwitze ist erheiternd und erhellend zugleich

In seinem Buch Sprachwitze. Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln. Mit mehr als 500 Beispielen führt der österreichische Sprachkolumnist und Autor Robert Sedlaczek seine Leser/-innen durch die schillernde Welt und Geschichte des Sprachwitzes. Auf mehr als 300 Seiten benennt und erklärt Robert Sedlaczek die verschiedenen Typen des Sprachwitzes, erläutert deren Ursprung und Entwicklung, wie und warum sie funktionieren – und erzählt ganz nebenbei einen Witz nach dem anderen.

Die Sorgfalt, mit der er mehr als 500 Witze gesammelt, ausgewertet und mitunter auch in mehreren Versionen in sein Buch aufgenommen hat, können nur zu folgender Schlussfolgerung füh ren: Wenn jemand Sprachwitze liebt, so muss es Robert Sedlaczek sein.

Assoziationswitze, Verschiebungswitze, Zerlegungswitze, Sprachparodiewitze, … – wer hätte gedacht, dass es so viele Formen des Witzes gibt? In Robert Sedlaczeks Zusammenstellung finden sich neben den populären Flach-, Blondinen- und Ostfriesenwitzen auch interessante Sprachspiele mit weniger offensichtlicher (oder plumper) Stoßrichtung. Beim Lesen des Buches wird eines deutlich: Einen Witz zu verstehen, setzt oft ein bestimmtes Wissen und eine gewisse Denkleistung voraus. Dazu ein Beispiel:

Major von Zitzewitz und Major von Bülow treffen sich im Casino.
Von Bülow: Wo waren Sie denn jestern Abend?
Von Zitzewitz: Jestern Abend … Theater jewesen!
Von Bülow: Und, was haben Sie jesehen?
Von Zitzewitz: Seltsame Sache! Stück von Schiller. Zivilist schießt auf Obst.

Dieser Witz ist das deutsche Pendant zu den österreichischen »Graf-Bobby-Witzen «, deren fiktive Hauptfigur Graf Bobby dumm, begriffsstutzig und naiv ist. Dazu schreibt Robert Sedlaczek: »Diese Witze waren ursprünglich eine mit Schadenfreude durchwachsene Reaktion der Bildungsbürger auf den Niedergang des Adels.« Um über Major von Zitzewitz lachen zu können, muss das Publikum wissen, dass hier das Stück »Wilhelm Tell« gemeint ist und zumindest grob den Inhalt kennen. Das (Nicht-)Funktionieren von Sprachwitzen gibt also oft Auskunft über den gesellschaftlichen und historischen Kontext, in dem sie erzählt werden.

Der Autor zeigt, dass Sprachwitze vor allem eines sind: kreativ und spielerisch. Sie jonglieren mit Sprache, nutzen Doppeldeutigkeiten, Klangähnlichkeiten, Missverständnisse, spielen mit der Betonung und brechen mitunter alle Regeln der Orthografie oder Grammatik.

Das ist das große Verdienst des Buches: Es führt näher an ein Thema heran, das man eben nur scheinbar kennt. Jeder Mensch hat schon einmal den einen oder anderen Witz gehört. Doch nur wenige dürften sich über dessen Ursprung oder kulturhistorische Bedeutung bewusst sein. Dadurch unterhält das Buch nicht allein Witzeliebhaber/-innen durch sein reiches Sammelsurium an Sprachwitzen, sondern richtet sich gleichzeitig auch an ein Publikum, das sich für ein eher weniger bekanntes Thema interessiert: die Kulturgeschichte des Witzes. Immer wieder begegnen uns auch die jüdischen Wurzeln vieler Sprachwitze, denen der Autor noch einmal ein gesondertes Kapitel widmet.

Nur an manchen Stellen hätte der Autor seine doch sehr ausführlichen inhaltlichen Erklärungen der einzelnen Witze kürzer fassen oder ganz weglassen können, da sie das allzu Offensichtliche viel zu breit abhandeln.

Ob die vielen Sprachwitze dann tatsächlich auch zum Lachen verleiten oder nicht: Die historische Einordnung und akademischen Querverweise – so wird oft Sigmund Freuds Arbeit Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten herangezogen – bereichern das Buch in jedem Fall.

Robert Sedlaczeks Sprachwitze. Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln. Mit mehr als 500 Beispielen verführt zum Schmunzeln und schenkt eine ganz neue Perspektive auf die Kunst des Witzes.

Maria Krell, Lübeck