Ausgabe: Der Sprachdienst 3/2017

Herkunft und Bedeutung des Familiennamens Atrott

[F] In der Kriegs- und Nachkriegszeit hatte ich eine gute und unvergessene Freundin mit dem Familiennamen Atrott. Dieser fiel schon damals als ungewöhnlich auf und ich habe ihn sonst niemals wieder gehört. Wir rätseln, was wohl ihr ungewöhnlicher Name bedeute.

[A] In zwei Anläufen wurden zunächst die gängigen, dann die selteneren deutschen Namenbücher der GfdS-Bibliothek geprüft. Ohne Erfolg, also wirklich ein seltener, offensichtlich fremdsprachiger Name. Die Vorsilbe a weist auf das Französische. Hier bedeutet die Präposition à ›in‹ und richtungsweisend ›nach‹, als Vorsilbe oft ›zu, hinzu‹ im Sinne von ›etwas zufügen‹, zum Beispiel ajouter ›hinzufügen‹, amonaler ›aufhäufen‹, alourdir ›schwermachen‹, amener ›zuführen‹ oder amenager ›einrichten‹.

Die Stammsilbe trott, trot/e ist im Französischen verbreitet. Der Kern der Wortfamilie liegt auf dem Gebiet der Reiterei: trot ist ›der rasche Lauf des Pferdes im Trab‹, trotter das zugehörige Verb ›traben‹, trotteur ›der Traber‹. Diese Wörter aus der Reiterei wurden auf menschliche Verhältnisse übertragen: trotter wurde allgemein zu ›herumlaufen‹, dazu kam trotterie ›Gelaufe, Lauferei‹; trotteur wurde zur Bezeichnung ›des tüchtigen Wanderers‹. Es entstanden auch zwei Sachbezeichnungen, die ebenfalls im Deutschen üblich wurden: Trotteur heißt ›Straßenschuh‹ und Trottoir ist bei uns ein Synonym zu Bürgersteig.

Nun war ein französisches Namenbuch nötig, und es wurde beratschlagt, wo man dies einsehen konnte. Doch sieh, das Gute liegt so nah! Einmal auf die französische Spur gesetzt, fanden wir ein entsprechendes Werk in der GfdS-Bibliothek selbst: »Dictionnaire étymologique des noms de famille et prénoms de France« (aus der Bibliothek unseres langjährigen Namenberaters Friedrich Wilhelm Weitershaus). Aber auch hier bei Atrott Fehlanzeige, jedoch mehrere Buchungen unter trote. Trote ist ein Übername für ›Pferdepfleger‹, ›Eilboten‹ und ›Dienstboten‹. Von dieser Grundform sind auch eine Reihe echter Familiennamen abgeleitet. Sie haben Formen wie Trot(t)ier, Trotot und Trotry.

Aufgrund des ausgebreiteten Materials wage ich, obwohl ich keine Romanistin bin, mit aller Vorsicht, folgende Deutung und Zuordnung des Familiennamens Atrott. Offensichtlich konnte das Grundwort trot ›Trab‹ im Französischen sowohl bei der Bildung von Personenbezeichnungen wie von Eigennamen gebraucht werden. Betrachtet man die Zusammensetzung des Stammes trott und der Vorsilbe a, so ergibt sich die Kombination eines Richtungs- und eines Bewegungselements, die sich als ›hinzukommen, hinzulaufen, zugehen, zuwandern auffassen lassen. Wird das Verb nun als Name personifiziert, so lässt sich dieser am ehesten als ›Zugeher‹, ›Zuläufer‹, ›Zuwanderer‹ deuten. Bei uns gibt es mundartlich den Zugereisten. Sollte ein Urgroßvater der Familie zu der französischen Kolonie in Berlin dazugestoßen sein?

Die deutschen Wörter Trott und trotten, die uns als angestammte Erbwörter erscheinen, sind nach Ausweis des Etymologie-Dudens Entlehnungen aus dem Italienischen und Französischen. Zugrunde liegen it. trotto, franz. trot ›Trab‹ mit den entsprechenden Verben it. trottare, fr. trotter ›traben‹, die im 16. Jahrhundert ins Deutsche übernommen wurden. Trotten hieß hier ›sich langsam, schwerfällig fortbewegen‹, die Weiterbildung trotteln ›mit kleinen Schritten langsam und unaufmerksam gehen‹. Die Bewegungsart hat sich also beim Übergang ins Deutsche verändert. Ein Mensch mit einem solchen Gang galt schließlich als ›Dummkopf‹ (19. Jhd.). (»Duden Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache«, 3. Aufl., Mannheim 2001)

Wir sind also über den Namen Atrott in eine europäische Wortfamilie hineingeraten. Die Herkunft der deutschen Wörter Trott und trotten aus den romanischen Sprachen bestätigt unsere Herleitung auch des Namens Atrott aus dem Französischen. – Eine interessante, aber auch schwierige Wortgeschichte.

Margot Dietrich, ehemalige Sprachberaterin der Gesellschaft für deutsche Sprache